Rechtsfragen aus der Beratungspraxis
Von der Rechtsanwaltskanzlei Pallauf Meißnitzer Staindl & Partner
Dieses Mal zum Thema: Zulässigkeit einer Nebenbeschäftigung eines Arbeitnehmers. Denn aus Arbeitgeberperspektive stellt sich – in Zeiten der zunehmenden Flexibilisierung des gesamten Arbeitsmarktes – naturgemäß die Frage: Darf ein Arbeitnehmer neben der Tätigkeit für mein Unternehmen weitere Tätigkeiten ausüben?
„Nebenbeschäftigung“ ist eine (selbstständige oder unselbstständige) Tätigkeit, wobei der Vertragspartner nicht der Arbeitgeber ist. Insofern besteht ein Spannungsverhältnis zwischen den Interessen des Arbeitgebers (voller Einsatz des Arbeitnehmers für die Tätigkeiten gemäß Arbeitsvertrag) und den Interessen des Arbeitnehmers (zusätzliches Einkommen, Selbstverwirklichung). Nachstehender Beitrag zielt darauf ab, Grenzen aufzuzeigen und damit letztlich für den Arbeitgeber eine Orientierungshilfe zu schaffen.
1. § 7 Angestelltengesetz als gesetzliche Grenze für Angestellte
Für angestellte Arbeitnehmer gilt bereits gesetzlich die Bestimmung des § 7 Angestelltengesetz: Angestellte dürfen demnach ohne Bewilligung des Arbeitgebers weder ein selbstständiges kaufmännisches Unternehmen betreiben noch in dem Geschäftszweig des Arbeitgebers für eigene oder fremde Rechnung Handelsgeschäfte machen. Gesetzeszweck ist die Sicherstellung, dass der Arbeitnehmer tatsächlich seine volle Arbeitskraft für den Arbeitgeber zur Verfügung stellen kann. Konkret untersagt ist etwa, wenn der Angestellte als Einzelunternehmer ein kaufmännisches Unternehmen betreibt. Die zweite Variante des § 7 Abs 1 AngG verbietet es dem Angestellten im Geschäftszweig des Arbeitgebers Handelsgeschäfte für eigene oder fremde Rechnung zu tätigen. Intention dieser Bestimmung sind die Vermeidung einer Wettbewerbssituation zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber und die Vermeidung jeglicher Interessenkollisionen. Wird gegen diese Bestimmung verstoßen, so hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, einerseits Schadenersatz zu fordern und andererseits in das verbotswidrig getätigte Geschäft einzutreten oder die hierfür bezogene Vergütung zu begehren. Dabei sind jedoch die kurzen Fristen des § 7 Abs 3 Angestelltengesetz zu berücksichtigen, wonach eine gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche binnen drei Monaten ab Kenntnis vom Abschluss des Geschäfts, spätestens jedoch binnen fünf Jahren, zu erfolgen hat. Weitere Sanktionen beim Verstoß gegen das Konkurrenzverbot sind die Entlassung des Arbeitnehmers sowie schließlich der Entfall des Entgeltfortzahlungsanspruchs im Falle von Krankheit (wenn die eingetretene krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit auf eine zusätzliche Belastung durch die Nebentätigkeit zurückzuführen ist).
2. Zur Rechtslage bei Arbeitern
In Bezug auf Arbeiter fehlt eine korrespondierende gesetzliche Bestimmung. Allerdings erschließt sich aus § 82 lit e Gewerbeordnung 1859, dass der Arbeitnehmer sofort entlassen werden kann, wenn dieser ohne Einwilligung des Gewerbeinhabers ein – der Verwendung beim Gewerbe abträgliches – Nebengeschäft betreibt. Abträglichkeit liegt dann vor, wenn sich ein Nebengeschäft nachteilig auf die Verwendung des Arbeitnehmers und sohin auf den Betrieb des Arbeitgebers auswirkt, dies etwa, wenn mit der Nebentätigkeit
- eine Rufschädigung des Arbeitgebers (Stichwort unseriöse Nebentätigkeit),
- eine Konkurrenzierung des Arbeitgebers oder
- eine übermäßige anderweitige Ausbeutung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers
einhergeht.
3. Zur allgemeinen Treupflicht des Arbeitnehmers
Losgelöst von den gesetzlichen Bestimmungen, gilt im Arbeitsrecht der Grundsatz der Treuepflicht. Dabei handelte es sich um eine sogenannte Interessenwahrungspflicht des Arbeitnehmers. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer jene Nebentätigkeit zu unterlassen hat, welche die Interessen des Arbeitgebers maßgeblich beeinträchtigt. Dabei sind im jeweiligen Einzelfall die Interessen des Arbeitgebers den Interessen des Arbeitnehmers gegenüberzustellen. Zu berücksichtigen sind etwa nachstehende Kriterien:
- Branche bzw Tätigkeitsbereich des Arbeitgebers
- Aufgabengebiet des Arbeitnehmers im Unternehmen des Arbeitgebers
- Art und Dauer der ausgeübten Nebentätigkeit
- Stellung des Arbeitnehmers in der Unternehmenshierarchie
4. Zu den vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten
§ 7 Angestelltengesetz ist nicht zwingend. Das bedeutet, dass diese gesetzliche Norm vertraglich angepasst werden kann. Allgemeine gesetzliche Schranken ergeben sich aus dem Sittenwidrigkeitskorrektiv (§ 879 ABGB), der Erwerbsfreiheit (Art 6 Abs 1 StGG) und der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art 45 AEUV). Ob und inwiefern eine Klausel im Einzelfall zulässig ist, ist maßgeblich davon abhängig, ob die Interessen des Arbeitnehmers durch die Klausel unverhältnismäßig stark beeinträchtigt werden. Dabei sind unseres Erachtens insbesondere das vereinbarte Stundenausmaß sowie das hierfür vereinbarte Entgelt entscheidend. Allgemein empfiehlt es sich, im schriftlichen Arbeitsvertrag eine Zustimmungsklausel vorzusehen, dies etwa wie folgt: „Beabsichtigt der Arbeitnehmer eine auf Erwerb gerichtete Nebentätigkeit auszuüben, ist hierfür vorab die schriftliche Zustimmung des Dienstgebers einzuholen.“ Sodann empfiehlt es sich, intern festzulegen, wann eine solche Zustimmung erteilt wird, und wird in diesem Fall wohl maßgeblich darauf abzustellen sein, ob durch die Ausübung der Nebenbeschäftigung die Erfüllung der arbeitsrechtlichen Verpflichtungen des Arbeitnehmers konterkariert werden. Allgemein zeigt sich, dass viele Arbeitgeber der jeweiligen Ausgestaltung des Arbeitsvertrages zu wenig Bedeutung beimessen und Gestaltungsmöglichkeiten zugunsten des Arbeitgebers nicht ausgenutzt werden. Daraus resultierende Unklarheiten führen nicht nur häufig zu betrieblichen Unstimmigkeiten, sondern können auch zu kostenintensiven und vermeidbaren Gerichtsprozessen führen.
Über die Kanzlei:
Pallauf Meißnitzer Staindl & Partner
Die Rechtsanwaltskanzlei Pallauf Meißnitzer Staindl & Partner ist eine auf Arbeitsrecht spezialisierte Wirtschaftskanzlei und unterstützt sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen in sämtlichen Belangen rund um das Arbeitsrecht. Exemplarisch kann auf nachstehende Tätigkeitsfelder verwiesen werden:
- Prüfung und Erstellung von Dienstverträgen und Geschäftsführerverträgen
- Kündigungsanfechtungen in betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten (Kündigungen wegen Sozialwidrigkeit oder wegen eines verpönten Motivs etc)
- Geltendmachung und Abwehr von Kündigungsentschädigungen
- Vertretung vor Gericht und Behörden
- Arbeitsrechtliche Beratung und Unterstützung bei Betriebsübergängen
- Beamtendienstrecht und Beamtendisziplinarrecht
Aus dem KSV1870 Magazin forum.ksv - Ausgabe 4/2023.