Am 1. September 2018 traten die neuen Arbeitszeitregelungen in Kraft. Neben der Möglichkeit, die tägliche Arbeitszeit bei erhöhtem Arbeitsbedarf auf zwölf Stunden auszudehnen, wodurch zB auch die „Sonderüberstundengenehmigung“ entfällt, enthält das geänderte Arbeitszeitgesetz auch noch weitere Erleichterungen bzw Möglichkeiten zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung.
Der Nationalrat hat am 5. Juli 2018 das Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz und das Arbeitsruhegesetz geändert werden, beschlossen; zwischenzeitig hat dieses auch den Bundesrat passiert.
Als grundlegende und heftig diskutierte Änderung im Arbeitszeitgesetz (AZG) wird die zulässige Tageshöchstarbeitszeit (umfasst Normal- und Mehr- bzw Überstundenarbeit) von derzeit zehn auf zwölf Stunden ausgedehnt. Zuschlagsfreie Arbeitsleistungen nach der zehnten Tagesarbeitszeitstunde sind aber nur (1) im Rahmen der vom Arbeitnehmer weitgehend selbst bestimmten Gleitarbeitszeit zulässig. Werden Arbeitsleistungen angeordnet, die die Normalarbeitszeit überschreiten, so liegen auch bei Gleitzeit zuschlagspflichtige Überstunden vor.
Die wesentlichen Neuerungen, die am 1. September 2018 in Kraft getreten sind, betreffen
- Ausnahmen vom Arbeitszeit- und Arbeitsruhegesetz für leitende Angestellte oder sonstige Arbeitnehmer mit maßgeblicher selbständiger Entscheidungsbefugnis (2) sowie für nahe Angehörige, wenn sie aufgrund der besonderen Merkmale der Tätigkeit in der Einteilung ihrer Arbeitszeit völlig frei sind (3);
- die Verlängerung der zulässigen Tageshöchstarbeitszeit von zehn auf zwölf Stunden und der wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 50 auf 60 Stunden (wöchentlich aber nicht mehr als 20 Überstunden);
- die durchschnittliche Wochenarbeitszeit innerhalb von 17 Wochen (diese darf auch bei erhöhtem Arbeitsbedarf grundsätzlich (wie bisher) (4) 48 Stunden nicht überschreiten);
- das einseitige Ablehnungsrecht der Arbeitnehmer ohne Angabe von Gründen hinsichtlich der zulässigen Überstundenarbeit während der elften und zwölften Tagesarbeitszeitstunde (bzw ab der 51. Stunde pro Woche); diese Ablehnung darf nicht zu Nachteilen führen (eine Kündigung aus diesem Grund kann bei Gericht angefochten werden – Motivkündigungsschutz);
- das freie Wahlrecht der Arbeitnehmer hinsichtlich der Abgeltung von Überstunden aus der elften und zwölften Stunde in Geld oder in Zeitausgleich;
- die vom Arbeitnehmer selbst bestimmte Ausdehnung (dh ohne Anordnung durch den Arbeitgeber) der zuschlagsfreien täglichen Normalarbeitszeit von mehr als zehn Stunden bis zur zwölften Stunde im Rahmen von Gleitarbeitszeitvereinbarungen (wenn der Ausgleich in ganzen Tagen möglich und ein Verbrauch in Zusammenhang mit wöchentlicher Ruhezeit nicht ausgeschlossen ist);
- die Ermächtigung, in Kollektivverträgen die Möglichkeit der mehrmaligen (und nicht nur einmaligen) Übertragung von Zeitguthaben in die nächsten Durchrechnungszeiträume zuzulassen;
- die an maximal vier Wochenenden oder vier Feiertagen zulässige Arbeitsleistung bei vorübergehend auftretendem besonderem Arbeitsbedarf (auch außerhalb der Tätigkeiten nach der Arbeitsruhegesetz-Verordnung) durch Betriebsvereinbarung bzw in Betrieben ohne Betriebsrat mit Einzelvereinbarung (5);
- die Möglichkeit (nunmehr auch ohne kollektivvertragliche Regelung), Ruhezeiten von Arbeitnehmern im Gast-, Schank- und Beherbergungsgewerbe, die in Küche und Service in geteilten Diensten (Ruhepause mindestens drei Stunden) arbeiten, auf acht Stunden zu verkürzen, wobei auch die Führung eines gesonderten Ruhezeitkontos entfällt.
Bestehende Gleitzeitvereinbarungen bleiben aufrecht. Regelungen in Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen, die für die Arbeitnehmer günstigere Bestimmungen vorsehen, werden durch die Änderungen des AZG nicht berührt.
(1) Abgesehen von den bisher schon existierenden Sonderregelungen, zB für Schicht-, Dekadenarbeit oder Lenkerarbeitszeit.
(2) Der Wortlaut „maßgebliche selbständige Entscheidungsbefugnis“ ist abweichend zu jenem der Arbeitszeit-Richtlinie 2003/88 (EG): „selbständige Entscheidungsbefugnis“. Entsprechend den erläuternden Bemerkungen zum Initiativantrag sollen nun Arbeitnehmer bis zur dritten Führungsebene umfasst sein, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen.
(3) Wesentlich ist, dass die Betroffenen aufgrund der besonderen Merkmale der Tätigkeit völlig frei in ihrem Zeiteinteilungsrecht sind. Es ist zu beachten, dass die Ausnahme nach dem AZG nicht auch als Ausnahme vom Geltungsbereich eines Kollektivvertrages und den dort geregelten Arbeitszeit-, Mehr- und Überstundenregelungen und allfälligen Aufzeichnungspflichten gilt. Wird diese Ausnahme vom Geltungsbereich des AZG bzw ARG auf Arbeitnehmer angewandt, sollte weiters bedacht werden, dass dennoch Arbeitszeitaufzeichnungen für diese Arbeitnehmer aus Gründen des Nachweises von Überstunden für steuerliche Zwecke bzw im Hinblick auf das LSD-BG sinnvoll bzw notwendig sein können.
(4) Der 17-wöchige Durchrechnungszeitraum kann durch Kollektivvertrag auf 26 bzw unter gewissen Umständen auf 52 Wochen verlängert werden.
(5) Im Fall der Einzelvereinbarung hat der Arbeitnehmer ebenso ein freies Ablehnungsrecht und einen Motivkündigungsschutz wie bei der Überstundenarbeit bei mehr als zehn Stunden pro Tag bzw mehr als 50 Stunden pro Woche.
Zur Verfügung gestellt von KPMG Austria GmbH.