Wenn ein Unternehmer eine notleidende Forderung endgültig verkauft, stellt die Verpflichtung, nachträgliche Zahlungseingänge der Umsatzsteuer zu unterwerfen, ein Problem dar: Zahlungseingänge erfolgen beim Erwerber, und der Unternehmer hat weder Anspruch auf dieses Entgelt noch Informationen über die Zahlungseingänge. Die Autoren suchen nach Lösungen.
1. Österreichischer Markt für notleidende Konsumforderungen
Aktuelle Entwicklungen zeigen, dass sich in Österreich ein Markt für die Verwertung von Konsumforderungen entwickelt. Unternehmer, die Forderungen gegenüber Konsumenten haben, stehen vor dem Problem, dass ein gewisser Teil dieser Forderungen nicht beglichen wird. Da diese einzelnen Forderungen meist nur ein verhältnismäßig geringes Nominale haben, sind die wirtschaftlich sinnvollen Maßnahmen zur Eintreibung oft bereits mit Mahnungen und der Einstellung der Leistungserbringung ausgeschöpft. Daher haben solche Unternehmer ein Interesse daran, diese notleidenden Konsumforderungen „in Bausch und Bogen“ zu verkaufen.
Unternehmen, die auf die Eintreibung von Forderungen spezialisiert sind, sind aufgrund ihres branchenspezifischen Wissens in der Lage, auch solche Forderungsportfolios mit wirtschaftlichem Erfolg zu betreiben. Um die Finanzierung eines solchen Geschäftsmodells direkt über die betreffenden Forderungen abzusichern, besteht unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, eine sogenannte Verbriefungsgesellschaft dafür einzusetzen, die Anleihen begibt, die durch einen genau definierten Pool von Vermögensgegenständen gedeckt sind.
Der Ankauf von notleidenden Forderungen (mit Übernahme des Delkredere-Risikos) über eine solche Verbriefungsgesellschaft unterscheidet sich vom klassischen Factoring-Geschäft wie folgt: Factoring ist dadurch gekennzeichnet, dass der Hauptfokus auf der Finanzierung der Außenstände zur Schaffung von Liquidität liegt, weshalb der Forderungskauf auch bereits vor der Fälligkeit der Forderung erfolgt. Diese Forderungen sind sowohl einkommen- als auch umsatzsteuerrechtlich in der Regel noch keiner Bewertung bzw. Entgeltberichtigung zu unterziehen.
Beim Kauf notleidender Forderungen über eine Verbriefungsgesellschaft hingegen liegt der Fokus darauf, eine aus der Perspektive des Forderungsverkäufers im Wesentlichen wertlose, längst überfällige Forderung zu kaufen. Diese Forderungen sind in der Regel bereits mehreren Mahnläufen ausgesetzt gewesen und wurden gegebenenfalls noch zusätzlich einem Inkassobüro zur Betreibung übergeben.
2. Umsatzsteuerkorrektur bei Uneinbringlichkeit von Forderungen
Gemäß § 16 Abs 3 Z 1 Satz 1 UStG liegt bei Uneinbringlichkeit einer Forderung ein Grund für die Änderung der Bemessungsgrundlage vor. Entsprechend kann der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür abgeführten Steuerbetrag korrigieren. Nach Auffassung des VwGH ist eine Forderung dann „[u]neinbringlich […], wenn mit ihrem Eingang bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung (nach den Erfahrungen des Wirtschaftslebens) in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden könne und sie objektiv wertlos sei“ (vgl. VwGH 3.9.2008, 2003/13/0109).
Im Fall der hier angesprochenen notleidenden Forderungen ist nicht auszuschließen, dass diese Forderungen beim Unternehmer bereits als uneinbringlich eingestuft wurden und dieser die Forderungen in seinen Büchern entsprechend auf null abgeschrieben und auch die abgeführte Umsatzsteuer wegen Änderung der Bemessungsgrundlage zurückgefordert hat.
3. Bewertung notleidender Forderungen
Wird nun über solche notleidenden Forderungen ein Verkaufsgeschäft abgeschlossen, möchten beide Vertragsparteien ein Realisat aus der aus Verkäufersicht wertlosen Forderung erzielen. Der Forderungskäufer ist auf Grund seines Know-hows und seiner branchenspezifischen Erfahrung in der Lage, eine kaufmännisch vernünftige Beurteilung der Werthaltigkeit anhand von Zahlungserfahrungen des Verkäufers, der Branche, der Region in Kombination mit individuellen Bonitätsratings über den einzelnen Schuldner durchzuführen.
Ähnlich dem Versicherungsgeschäft erfolgt eine Risikobewertung auf Basis betriebswirtschaftlich anerkannter statistischer Methoden. Daraus ergibt sich eine objektiv nachvollziehbare Bewertung und ein Kaufpreis für die Forderung. Im Risikogeschäft muss der Forderungskäufer Einzelrisiken durch ein Risikokollektiv absichern, um in Summe in der Kalkulation einen Risikogewinn und keinen Risikoverlust zu erzielen. Das bedeutet, die einzelne bewertete und im Kaufpreis endgültig abgegoltene Forderung verliert für Bewertungszwecke ihre singuläre Identität. Forderungen sind selbstständig handelbare Wirtschaftsgüter, die auf einen Nominalwert lauten. Um diese Grundvoraussetzung für das Forderungskaufgeschäft zu erlangen, ist für den Fall der Forderungsbestreitung durch den Schuldner die Rückabwicklung des Forderungskaufgeschäftes vertraglich regelmäßig vorgesehen, eben damit die kollektive Identität der Forderung gewahrt bleiben kann.
Aus der Perspektive des Forderungsverkäufers besteht ein wesentliches Interesse darin, die Forderung nach deren Veräußerung als endgültig erledigt zu betrachten: Die Forderung wurde gegen einen fixen Kaufpreis veräußert, und es sind daher keine weiteren Zahlungseingänge zu erwarten. Sollte der Schuldner aufgrund der durch den Forderungserwerber gesetzten Maßnahmen zahlen und der Zahlungsbetrag eventuell auch den für diese Forderung vereinbarten Kaufpreis übersteigen, so handelt es sich nicht mehr um einen Betrag, der dem Forderungsverkäufer zusteht.
4. Neuerliche Umsatzsteuerberichtigung für nachträglich vereinnahmte Beträge
Aus umsatzsteuerlicher Sicht ist allerdings zu beachten, dass es gemäß § 16 Abs 3 Z 1 Satz 2 UStG im Falle der nachträglichen Vereinnahmung eines Entgelts zu einer Änderung der Bemessungsgrundlage kommt. Wenn somit bei einer bereits voll abgeschriebenen Forderung nun doch noch eine Zahlung durch den Schuldner erfolgt, ist die bereits berichtigte Umsatzsteuer wieder zurückzukorrigieren, das heißt an das Finanzamt abzuführen. Eine Schwierigkeit in der praktischen Umsetzung ergibt sich allerdings dann, wenn die betreffende Forderung wie oben beschrieben bereits verkauft wurde und der Verkäufer gar keine Informationen über das weitere Schicksal der verkauften Forderung und einen diesbezüglichen Zahlungseingang durch den Schuldner hat.
Aufgrund der Tatsache, dass aus umsatzsteuerlicher Sicht eine klare Trennung zwischen der Forderung aus der ursprünglichen Leistungserbringung und der Forderung aus dem Verkauf der Forderung besteht, ist die Zahlung des Schuldners, die an den Forderungskäufer erfolgt, nachträglicher Entgeltbestandteil der ursprünglichen Leistungsforderung des Forderungsverkäufers, obwohl dieser keinen rechtlichen Anspruch mehr darauf hat. Rein praktisch gesehen führt dieses Umsatzsteuerverständnis dazu, dass sich Käufer und Verkäufer der Forderung über die gegebenenfalls nach Jahren inkassierte Umsatzsteuer noch zu verständigen haben und dieser administrative Zusatzaufwand in der Kaufpreiskalkulation seinen Niederschlag finden muss.
Nach der Rechtsprechung in Deutschland soll ein solcher Informationsaustausch zwischen Forderungskäufer und -verkäufer vertraglich vereinbart werden. Liegt keine Vereinbarung vor und weiß der Forderungsverkäufer daher nicht, in welcher Höhe nach der Veräußerung noch Forderungseingänge zu verzeichnen sind, so erfolgt in diesem Fall eine Schätzung der entsprechenden Bemessungsgrundlage durch die Finanzverwaltung.
Eine solche Schätzung wäre gemäß § 184 BAO auch in Österreich denkbar. Es ist daher nicht auszuschließen, dass sich der Forderungsverkäufer dann überraschend mit einer solchen Umsatzsteuernachforderung konfrontiert sieht, wenn dieses umsatzsteuerliche Risiko beim Forderungsverkauf nicht bereits thematisiert wurde.
5. Kritik und Reformvorschlag
Aus der Sicht des Gläubigerschutzes stellt sich der Sachverhalt derart dar, dass der Forderungsverkäufer durch den Kaufpreis sein Entgelt ein für alle Mal festlegt, während die Umsatzsteuer für immer und ewig an der Schuldnerzahlung haften bleibt. Der Forderungsverkäufer als Gläubiger nimmt einen Teilausfall der Forderung in Kauf, während das Finanzamt als Steuergläubiger nicht gemeinsam mit dem Forderungsverkäufer einen finalen Verzicht tätigt, sodass der Unternehmer bzw. Forderungsverkäufer weiterhin für die Steuerabfuhr verantwortlich bleibt.
Die Anknüpfung der Umsatzsteuer an der Zahlung des Schuldners erscheint aus Sicht des dem Umsatzsteuergesetz innewohnenden Verbrauchsteuergedankens zwar verständlich, in Hinblick auf die Ausgestaltung der Umsatzsteuer als Verkehrssteuer und indirekte Steuer ist fraglich, ob es nicht auch einen anderen Weg gibt, der den Gegebenheiten der Praxis besser Rechnung trägt. Durch eine legistische Lösung in einer Differenzbesteuerung auf die tatsächlichen Zahlungseingänge des Schuldners beim Forderungskäufer würde sowohl der Verbrauchsteuergedanke der Umsatzsteuer gewahrt bleiben als auch die praktischen Verkehrsvorgänge entsprechend gewürdigt werden.
6. Ausblick
Ob sich im österreichischen Wirtschaftsleben Forderungskauf-Geschäftsmodelle auf Verbraucherforderungen durchsetzen werden, wird sich weisen. Die Forderungshöhen und die Einbringlichkeitswahrscheinlichkeiten von notleidenden Forderungen sind derart gering, dass in den möglichen Spannen relativ wenig Kosten unterzubringen sind. In diesem Gröscherlgeschäft sind Forderungshöhen von EUR 300 gang und gäbe, die bereits hohe Einbringungskosten verursacht haben. Der Kaufwert der Forderung kann aufgrund schlechter Bonität des Schuldners und monatelanger Überfälligkeit bei 5 % oder sogar null liegen. Weitere Kommunikations- und Steueradministrationskosten sind da kalkulatorisch schwer unterzubringen.
Die Alternative liegt in der Vollabschreibung und somit auch im vollen Umsatzsteuerverlust – dies kann weder im Sinne eines Gläubigerschutzgedankens noch im Sinne des Fiskus liegen, sodass Handlungsbedarf vonseiten des nationalen bzw. europäischen Gesetzgebers besteht.
Text:
- Hannes Frech, Geschäftsführer des Kreditschutzverband von 1870 und Vorstand der KSV1870 Holding AG
- Walter Michels, Bereichsleiter Finanzen und Buchhaltung KSV1870 Holding AG
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