Karl-Heinz Götze, Leiter der Insolvenz beim KSV1870, über die größte Insolvenz in der bisherigen Wirtschaftsgeschichte.
11.12.2023
forum.ksv-Redaktion: Fangen wir damit an, was wissen wir über die Insolvenz der SIGNA Holding GmbH?
Karl-Heinz Götze: In Österreich wird die Insolvenz nun aufgearbeitet und das ist aufgrund der Flut an Beteiligungen gar nicht so einfach. Die Holding ist vorrangig eine Art Verwaltungsgesellschaft, die von Investoren getragen wird, die nun einen Großteil der Gläubiger stellen. Eröffnet wurde ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung – das bedeutet, dass die Gläubiger eine Quote von mindestens 30 Prozent, zahlbar binnen zwei Jahren ab Annahme des Sanierungsplans, erhalten und das Unternehmen weitergeführt wird. Aufgrund der Tatsache, dass in einem Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung die Gläubiger binnen 90 Tagen über den Sanierungsplan abstimmen müssen, ist es in dieser kurzen Zeit sehr schwierig, sich einen Wissensstand anzueignen, der eine seriöse Beurteilung der Angemessenheit und Erfüllbarkeit des Sanierungsplans ermöglicht.
In einem Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung bleibt der Geschäftsführer vereinfacht gesprochen in Amt und Würden und der Sanierungsverwalter hat eine Kontroll- und Aufsichtsfunktion. Lediglich wenige Rechtshandlungen bleiben dem Sanierungsverwalter exklusiv vorbehalten. In diesem Zusammenhang muss ich auch erwähnen, dass es nicht klar ist, ob die Eigenverwaltung bis zum Schluss des Verfahrens bestehen bleiben wird. Sie könnte vom Insolvenzgericht jederzeit entzogen werden und in ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung oder Konkurs übergeführt werden. Beim Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung würde SIGNA das Zepter aus der Hand geben und der Insolvenzverwalter hätte im Tagesgeschäft allein das Sagen.
Mit der Holding sind viele Unternehmen unmittelbar und mittelbar verbunden. Wie geht es mit ihnen weiter?
Ja, es ist ein Rattenschwanz von rund 400 Unternehmen. Nachdem es hierzulande kein Konzerninsolvenzrecht gibt, muss jedes dieser Unternehmen prüfen, ob die Insolvenzvoraussetzungen vorliegen. Wir rechnen nicht automatisch mit einem Dominoeffekt, aber es kann natürlich zu weiteren Insolvenzen kommen. All das wird sich in den nächsten Wochen zeigen.
Gibt es Besonderheiten bei Holding-Insolvenzen?
Für Holding-Gesellschaften gibt es keine besonderen Regelungen im Insolvenzverfahren. Oft ist es so, dass Holdinggesellschaften über keinen operativen Geschäftsbetrieb verfügen, und vergleichsweise wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt sind. Das ist auch bei der SIGNA Holding der Fall.
Zurück zur SIGNA: Wie geht es nun bei der Holding weiter?
Der Sanierungsverwalter versucht sich aktuell einen ersten Überblick zu verschaffen und nimmt gemeinsam mit der Schuldnerin erste kleine Restrukturierungsmaßnahmen vor. Seinen Angaben zufolge dürfte das Geld sehr locker gesessen haben, Stichwort Helikopterflüge. Thema ist aktuell auch die Einsetzung eines Gläubigerausschusses. Solche Ausschüsse werden häufig bei komplexen Fällen installiert. Bei einem Gläubigerausschuss handelt es sich um ein vom Insolvenzgericht bestelltes Gremium, das aus drei bis maximal sieben Mitgliedern besteht, die die allgemeinen Gläubigerinteressen abbilden sollen. Der KSV1870 ist seit Jahrzehnten in so gut wie allen Gläubigerausschüssen vertreten. Wesentliche Aufgabe des Gläubigerausschusses ist es, den Sanierungsverwalter bei sämtlichen wichtigen Entscheidungen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zu unterstützen bzw. bedürfen einzelne Handlungen des Insolvenzverwalters der ausdrücklichen Zustimmung des Gläubigerausschusses.
Welche Insolvenzen innerhalb der „SIGNA Gruppe“ könnten in Österreich noch anhängig werden?
Das ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer zu sagen. Wie oben angeführt, sind rund 400 Unternehmen mit der SIGNA Holding GmbH verbunden. Das Schicksal vieler Unternehmen innerhalb der „SIGNA Gruppe“ wird sicherlich auch vom weiteren Verlauf des Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung über das Vermögen der SIGNA Holding GmbH abhängen. Alles andere wäre spekulativ. Mit Stand 11.12.2023 sind keine weiteren Insolvenzen in der Gruppe in Österreich anhängig.
Warum sind die Strukturen in der „SIGNA Gruppe“ so undurchsichtig?
Um es kurz zu sagen: Eine Beteiligung führt zur nächsten, zur nächsten und wieder zur nächsten. Eine derart verschachtelte Konzernstruktur haben wir in Österreich nur selten gesehen. Einschränkend muss ich aber auch sagen, dass die Gründung von Projektgesellschaften in der Immobilienbranche durchaus üblich ist. Es kann auch steuerliche und regulatorische Gründe geben.