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KSV1870 analysiert Pleiten: Hauptgrund ist das Management

Gläubigerschutzverband veröffentlicht Zahlen zu den Ursachen des Scheiterns von Unternehmen.

Wien, 10.03.2020:– Mit einem Anteil von 42,6% waren 2019 operative Mängel in Unternehmen die Hauptursache für Insolvenzen, gefolgt von sogenannten Gründungsfehlern mit 20,9%. Persönliches Verschulden rangiert mit 16,6% an dritter und strategische Ursachen (10,3%) an vierter Stelle. Unbeherrschbare Umstände (6,8%) und externe Vorkommnisse (2,8%) liegen als Insolvenzgründe dagegen weit abgeschlagen.

Die KSV1870 Insolvenzexperten sind bei all den jährlich rund 3.000 eröffneten Insolvenzverfahren involviert und können deshalb ein gutes Bild für die Insolvenzursachen zeichnen. Dieses wird KSV-intern mit einem Ursachencluster im Multiple-Choice-Verfahren festgehalten und eine Hauptursache für die Insolvenz ausgewählt, auch wenn es im realen Leben manchmal mehrere Ursachen geben kann.

Da mit rund 47% ein erheblicher Teil der insolventen Unternehmen noch nicht älter als 5 Jahre ist, wurde nun die Betrachtung um die spezifischen Insolvenzursachen von Gründern erweitert. Der KSV1870 Insolvenzexperte Hans-Georg Kantner fasst zusammen: “Wir haben den Ursachencluster auf neue Beine gestellt und 2019 erstmals angewendet. Die Ergebnisse spiegeln die Verantwortlichkeit der Unternehmensleitung wider und zeigen, dass typischerweise der Chef schuld ist und nicht die Konkurrenz oder die Umwelt, wie vielfach von den Unternehmen selber angeführt wird.“

Operative Mängel mit Abstand die weitverbreiteste Ursache für Insolvenzen.

Neben einem benötigten intakten Geschäftsmodell muss ein Unternehmen gewisse Funktionen erfüllen können: von der Entwicklung und Herstellung von Produkten bis zu Absatz und Einzug der Forderungen. Misserfolge in diesen Bereichen sind die Ursache von fast 43% der Insolvenzfälle. Dabei markieren Absatzschwächen mit 13,1% den Hauptanteil, gefolgt von Planungsschwächen (10,5%) und Schwächen bei Finanzierung / Liquidität / Forderungsbetreibung (10%). Es genügt eben nicht, Dinge im Gefühl zu haben. Sie müssen laufend dargestellt und analysiert werden. Dies verlangt nicht zuletzt auch die Hausbank in Form von Planzahlen und Budgets, sowie eine laufende, zeitnahe Beobachtung.

Gründungsfehler brechen am zweithäufigsten das Unternehmer-Genick:

Rund 21% der Insolvenzursachen sind auf Fehler bei der Gründung zurückzuführen. Dabei spielt vor allem Unerfahrenheit eine große Rolle (10,8%). „Mit 5,6% begegnen wir auch einem noch immer zu großen Anteil an Menschen in der Insolvenz, die nach professioneller Einschätzung gar nicht über die Eignung verfügen, ein Unternehmen zu führen“, beleuchtet Kantner die Ergebnisse. Ein Mangel an Eigenkapital bei der Gründung ist laut KSV1870 Statistik der dritthäufigste Gründerfehler (4,5%). Kantner erläutert dazu: „Eigenkapital kann ein Gründer nur vor der Gründung an Land ziehen. Läuft das Geschäft einmal unrund, dann findet sich mit Garantie niemand mehr, der sein Geld riskieren möchte“.

Die Schuld des Managements:

Natürlich ist nicht immer der Chef schuld, auch wenn er naturgemäß die Verantwortung trägt. Die Missgeschicke in den Bereichen Gründungsfehler, Strategie und operative Mängel fallen durchwegs in den Bereich der sogenannten „business judgement rule“; also den Bereich, wo Menschen Fehler machen und auch Fehler machen dürfen, jedoch nur solange sie nur die Interessen des Unternehmens verfolgen. Anders sieht das natürlich im Bereich „persönliches Verschulden“ aus. Dazu gehören neben der Vernachlässigung der Geschäftsführung (9,7%) vor allem strafbare Handlungen, die (mit immerhin 4,4%) im langjährigen Schnitt liegen.

Strategiefehler als Insolvenzursache:

Mit 10,3% liegen die strategischen Ursachen an vierter Stelle der häufigsten Insolvenzursachen. Dies verwundert, da Strategie das Um und Auf der Unternehmensführung ist. Sie kümmert sich um die Zukunftsfragen und versucht zu beantworten, wie das Unternehmen seine Ziele erreicht. Die Unternehmensleitung muss sich demnach professionell mit der Zukunftsvision und ihren möglichen Szenarien beschäftigen, um nicht Schiffbruch zu erleiden. Untätigkeit (7,1%) ist dabei einer der strategisch gröbsten Fehler. Nicht umsonst charakterisiert der Managementguru Peter Drucker einen guten Unternehmer als jemanden, der viele Entscheidungen trifft, und einen erfolgreichen Unternehmer, als jemanden, der mehr richtige als falsche Entscheidungen getroffen hat.

Externes und Unbeherrschbares:

Gerne verweisen Unternehmer im Rahmen ihrer Verantwortung auf externe Faktoren, die aus ihrer Sicht für die Insolvenz verantwortlich wären. Die Statistik zeigt jedoch, dass gute Unternehmen (gut geführt, finanziert und aufgestellt) mit solchen Problemen fertig werden können. Insgesamt sind es also nur 9,6% Fälle mit unbeherrschbaren Ursachen, wobei Krankheit und Unglücksfälle im persönlichen Umfeld (6,7%) führen. Interessant an den Ergebnissen ist, dass die Insolvenz von Abnehmern oder Lieferanten mit gerade nur einem Prozent ermittelt wird.

Fazit:

Die österreichischen Unternehmen haben in den letzten 20 Jahren viel dazugelernt. Die heimische Wirtschaft steht heute gut da. Auch deshalb, weil die letzten 10 Jahre den Aufbau von Eigenkapital, welches als Krisenpuffer unbedingt erforderlich ist, erlaubten. Die heimische Wirtschaft ist fit. Allerdings nur bedingt zukunftsfit. Hier überwiegt der Befund, den auch die regelmäßigen KSV1870 Austrian Business Check-Umfragen belegen, dass Unternehmen in der Vergangenheit zu sehr auf das Halten des Besitzstandes fokussiert waren und zu wenig investiert haben.

Pressemeldung Insolvenzursachen Unternehmen 2019 im Detail

 

KSV1870 zu den Ursachen der Privatkonkurse

Wien, 10.03.2020:– Mit einem Anteil von 31,1%% führen ehemals Selbständige die Insolvenzstatistik 2019 an. Sie liegen damit deutlich vor den Fällen, wo die Insolvenz als selbstverschuldet eingestuft wird (24,7%) und den Fällen, wo Verringerung des Einkommens bzw Arbeitslosigkeit die Ursache waren (17,7%). Abgeschlagen liegen Lebenskrisen (10,9%), persönliche Probleme (9,3%) und Lasten aus dem Familienbereich (6,3%).

Die Novelle des Privatkonkurses aus 2017 hat spürbare Veränderungen in die jeweiligen Ursachen erbracht, die in dieser Studie kurz erläutert werden. In 2018 sprang der Anteil der ehemals Selbständigen auf 32% und nimmt seither ab; dafür sind die Fälle der eigenverschuldeten Insolvenz mit über sechs Prozenpunkten deutlich angestiegen (von 18,6 auf 24,7%).

Ehemalige Selbständigkeit (31,1 %)

Seit Einführung des Schuldenregulierungsverfahrens (Privatkonkurs) in 1995 ist der Anteil der Menschen, deren Schulden aus unternehmerischer Aktivität herrühren führend. Anfänglich waren es an die 40%, mittlerweile ist der Anteil auf ca 30% gesunken. Die Novelle 2017 hat mit der Abschaffung eines Zielwertes (Mindestquote) von 10% im Abschöpfungsverfahren diesen ehemals Selbständigen das Signal gegeben, dass sie jetzt mit ihren typischerweise hohen Schulden (EUR 280.000 im Durchschnitt gegenüber echten Verbrauchern mit ca 63.000) eine bessere Chance auf Entschuldung haben werden. Hand in Hand mit der steigenden Zahl ehemaliger Unternehmen stiegen auch die zu regulierenden Schulden in 2018 deutlich an.

Verschulden – Vorsatz (24,7 %):

Der Begriff „Verschulden“ ist hier eher in einem weiten Sinn zu verstehen, und nicht im zivil- oder gar strafrechtlichen Korsett, sondern eher mit „selber schuld. Den Hauptteil stellen Kreditaufnahmen in guten Zeiten, die beim geringsten Gegenwind nicht mehr zu stemmen sind und mit „Überschätzung der eigenen Leistungskraft“ (17,5%) umschrieben werden. Es hätte schon gut gehen können, aber letztlich verlieren Schuldner den Überblick oder es geht sich dann doch nicht aus. Dagegen stellt schlechter Umgang mit Geld (6,6%) schon eher Fahrlässigkeit dar: Kreditaufnahmen für Urlaubsreisen, schöne Kleider oder einen Lebensstil, den der Schuldner sich eigentlich nicht leisten könnte. „Beide Gründe sind eng verwandt und sind eher typologisch nach den Dingen zu unterscheiden, in die das geborgte Geld investiert wurde, also das teure Haus geht eher als Überschätzung durch, als Luxusgüter“, erläutert Renate Zemann, Leiterin der Privatinsolvenz Wien des KSV1870.

Spekulation oder Kreditaufnahmen, bei welcher die Kreditwürdigkeit vorsätzlich besser dargestellt wird, als sie in Wahrheit ist, spielen dagegen kaum eine Rolle. Generell wird die Bonität von Kreditnehmern recht genau geprüft. Und Geld erhält auch nur jemand, der über Einkommen verfügt. Hier gilt es für die Kreditgeber den Spagat zwischen Respekt vor der Eigenberechtigung ihrer Kunden und der strengen Prüfung der Haushaltsrechnung zu schaffen. Seit 2016, dem letzten „Normaljahr“ vor der Novelle 2017, ist der Anteil der selbst verschuldeten Pleiten kontinuierlich gestiegen. Es ist vorstellbar, dass die Lockerung durch den Gesetzgeber in 2017 als Aufforderung verstanden wurde, auch mit solchen Problemen rascher zu Gericht zu kommen. Wenn das der Effekt der Novelle war, dann wird sie zum Vorteil aller auschlagen, denn je früher Schuldner „den Stier bei den Hörndln“ packen, desto geringere Aufwendungen mussten die Gläubiger für Rechtsverfolgung tätigen und desto höhre Quoten sind möglich.

Einkommensreduktion (17,7 %):

Der typische Verbraucher als Krditnehmer verfügt über regelmässiges Einkommen, auf dessen Rücken tatsächlich Kreditmittel aufgenommen werden können. Viele Dienstleistungen des heutigen Lebens werden überdies auf offene Rechnung in Anspruch genommen (Telekommunikation, Versandhandel etc) sodass zuweilen Verpflichtungen aufgehäuft werden, die bei deutlichem Rückgang des Einkommens nicht mehr gestemmt werden können. Treten solche Schuldner rasch den Weg der Regulierung der Schulden an, dann gelingen ihnen oftmals sehr hohe Quotenzahlungen an ihre Gläubiger. Das ist der erfolgreiche Part des Privatkonkurses, denn nicht wenige der Verfahren enden mit Quoten von 50% aufwärts bis 100%. Gestreckt auf bis zu 7 Jahre und zinslos gestundet, aber immerhin eine substanzielle gleichmässige Tilgung der Schulden. Der Rückgang von 21,7% auf 17,7% ist einerseits den doch guten Arbeitsamerktdaten der letzten Jahre geschuldet und aber auch den starken Zulauf ehemaliger Unternehmer. Die absolute Zahl der Schuldner aus diesem Cluster ist nur um ca 3,5% zurückgegangen.

Lebenskrisen (10,9 %):

Das Besondere am Leben ist, dass es manche Prüfungen bereithält. Können diese nicht gemeistert werden, kann das auch finanzielle Auswirkungen haben. Lebenskrisen haben die Eigenschaft, dass sie die persönliche Leistungsfähigkeit sehr in Anspruch nehmen und den Betroffenen die Fähigkeit nehmen, berufliche Pflichten und Möglichkeiten wahrzunehmen. Scheidung (4 %) und sonstige Schicksalsschläge, wie z. B. Erkrankung (6 %) sind die Hauptträger dieser Krisen.

Persönliche Probleme der Schuldner (9,3 %):

Nicht jedem, der sich verschuldet, ist es gegönnt, über die Laufzeit seiner Rückzahlungsverpflichtung gesund und leistungsfähig zu bleiben. Mit 9,3% sind diese Probleme Ursache dafür, dass Menschen – hier vor allem Männer – den Unbilden des Lebens nicht mehr die Stirn bieten können. Die nicht bewältigten Schulden sind dann nur mehr ein Aspekt des Problems. Drogen, Spielsucht, Gefängnisaufenthalte usw. sind einige Beispiele für diesen Ursachencluster.

Lasten aus dem Familienbereich (6,3%):

Das offizielle Österreich beklagt seit Jahrzehnten, dass die Geburtenrate zu gering sei. Zugleich werden jedoch die Kosten einer Familie in Österreich nicht oder viel zu wenig von der Öffentlichkeit anerkannt oder gar honoriert. Speziell kinderreiche Familien mit nur einem Verdiener können ein Lied davon singen. Daher ist es fast überraschend, dass diese Lasten eine eher untergeordnete Rolle bei den Insolvenzursachen einnehmen – mit knapp 4 % ist die Haftungsübernahme für nahe Angehörige zu nennen. Bekanntlich geben manchmal die Ehefrauen von Unternehmern solche Haftungen ab; Nicht selten scheitern Unternehmen und Ehe – die Haftung aber bleibt bestehen.

Hans-Georg Kantner, Exkurs zur Reform des Privatkonkurses:

Die lange von der Sozialpolitik geforderte Novelle des Privatkonkurses erfolgte mit Wirkung 1. November 2017 und brachte die Restschuldbefreiung ohne das formale Erfordernis von Zahlungen an die Gläubiger. Der Zuwachs vor allem in 2019 muss auf diese Lockerung zurückgeführt werden. Der Vormarsch der selbst verschuldeten Insolvenzen könnte als Indiz für tendenziell wieder leichtere Kreditvergabe gedeutet werden, der (absolut geringe) Rückgang der Fälle mit Einkommensverlust dagegen auf gute Wirtschaftsdaten.

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