Privatkonkurs: das Jahr der Superlative

Insolvenzstatistik 2018: Der Nachholeffekt durch das IRÄG treibt die Zahlen der Privatkonkurse über die 10.000er Marke.

 

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KSV1870 Insolvenzstatistik 2018 HR


Wien, 12.12.2018

Im Jahr 2018 wurden in Summe 10.118 Privatkonkurse eröffnet. Die 10.000 Marke ist damit in Österreich erstmals „geknackt“ worden. Der davor höchste Wert lag bei 9.596 Fällen im Jahr 2011. Die 2018 zu regulierenden Schulden betrugen EUR 1.905 Mio. Auch das ist ein Rekord, denn der höchste Schuldenstand eines Insolvenzjahres betrug EUR 1.266 Mio. im Jahr 2015.

Die Zuwächse gegenüber 2017 sind statistisch verzerrt, da im Jahr 2018 ein Nachholeffekt auf 2017 stattfand, der durch eine überfallsartig angekündigte Insolvenzrechtsnovelle ausgelöst worden war. Eine realitätsnahe Gegenüberstellung ist das Jahr 2016 mit 8.011 Verfahren und einem Schuldenstand von EUR 1.030 Mio. Gemessen an diesem „Normaljahr“ stellt das Jahr 2018 einen Zuwachs an Verfahren von 26,3 % und einen Zuwachs an Schulden von 85 % dar.

KSV1870 Privatkonkurse 2018 HR_Tabelle

Schulden betragen fast 2 Mrd. Euro
Der enorme Schuldenberg kommt aus zwei verschiedenen „Ecken“: Ein Drittel geht auf das Konto von ehemaligen Unternehmern, die bei ihren Gläubigern nicht selten sogar mit Millionenbeträgen in der Kreide stehen. Der Rest entfällt auf „echte“ Privatpersonen, also unselbständig beschäftigte Menschen, die als Konsumenten Schulden gemacht hatten, die sie nicht mehr bedienen konnten. Während die Schulden dieser Gruppe mit durchschnittlich 59.000 Euro zu Buche schlagen, verzeichnen ehemalige Unternehmer zuweilen Spitzenwerte - durchschnittlich immerhin 490.000 Euro pro Person. Die Zahl der Schuldner mit Verbindlichkeiten von einer Million Euro oder mehr belief sich 2018 auf die rekordverdächtige Zahl von 180 Personen, wobei 520 Mio. Euro auf diese Fälle entfallen. 

All diese Superlative sind der Novelle IRÄG 2017 geschuldet, die der sogenannten Mindestquote ein Ende bescherte und damit das Signal aussandte, dass auch Schuldner mit hohen Verbindlichkeiten problemlos ihre Schulden regulieren können. Viele dieser Schuldner warteten bis zum 1. November 2017, dem Tag des Inkrafttretens der Novelle, um ihre Anträge zu stellen. Folglich verzeichnete die Insolvenzstatistik bereits für die Monate November und Dezember 2017 ein exorbitantes Ansteigen der Passiva und der Anträge.

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Unternehmenspleiten: Entwicklung deutlich abgeflacht

Ohne Zinswende bleiben die Zahlen auch 2019 auf niedrigem Niveau.

Die vorläufigen Zahlen für das Jahr 2018 lassen eine deutlich abgeflachte Insolvenzentwicklung gegenüber 2017 erkennen. Lag die Zahl der insolventen Unternehmen zum Halbjahr 2018 noch knapp ein halbes Prozent über dem Vergleichszeitraum 2017, so ist der Wert gegenüber dem Vorjahr 2017 auf ein Minus von fast 2 % gesunken. Allerdings sind sowohl die Zahl der betroffenen Dienstnehmer und die Schulden der Unternehmen spürbar gestiegen.

Im Jahr 2018 wurden insgesamt 4.982 Unternehmen in Österreich insolvent. Das ist ein Rückgang von 1,9 % gegenüber 2017 (5.079 Fälle). Die eröffneten Insolvenzverfahren (2.979) waren mit 1,5 % rückläufig (3.025) und die mangels Vermögens nicht eröffneten Verfahren (2.003) sogar mit 2,5 % (2.054). Die Zahl der betroffenen Dienstnehmer hat sich auf 18.600 (+ 14 %) gegenüber 2017 (16.300) erhöht. Die Passiva sind aufgrund einiger Großinsolvenzen entgegen dem Trend um 12,5 % auf insgesamt 2.095 Mio. Euro angewachsen. Dazu KSV1870 Insolvenzexperte Dr. Hans-Georg Kantner: „Man kann an den Passiva und den Dienstnehmern erkennen, dass der leichte Rückgang bei der Anzahl der insolventen Unternehmen durch die gestiegenen Passiva und Dienstnehmer deutlich relativiert wird. Das Insolvenzgeschehen in Österreich ist in ‚real terms‘ daher eher gestiegen als gesunken.“

KSV1870 Unternehmensinsolvenzen 2018 HR Tabelle

Der Trend weist nach unten
Der KSV1870 hat Ende des Jahres 2017 eine Insolvenzprognose für 2018 abgegeben und dabei mit einem latenten Zuwachs im niedrigen einstelligen Bereich gerechnet. Nun haben sich die Insolvenzen in die Gegenrichtung entwickelt. Für eine Volkswirtschaft sind einige Prozent auf oder ab nicht die entscheidende Größe, doch können sie den Trend einer Entwicklung gut ausweisen. Und dieser weist 2018 eindeutig nicht nach oben. Doch darf dieser Befund keineswegs zu einem Freudenfeuerwerk oder gar einer Entwarnung an der Risikofront verleiten. Die seit Jahren rückläufigen Insolvenzzahlen sind primär nicht der Robustheit einer Konjunktur geschuldet, sondern extrem niedrigen Zinsen, von denen naturgemäß die schwachen und hoch verschuldeten Unternehmen überproportional profitieren. Ob diese Unternehmen in der Lage waren, ihre Geschäftsmodelle zu verbessern und zu erneuern, wird sich erst im Aufschwung und der darauffolgenden Zinsanpassung nach oben zeigen.

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