Insolvenzschub mit Sogwirkung: Firmenpleiten steigen um 22 Prozent

Im Schatten zahlreicher Insolvenzen mit hohen Passiva strahlen die Pleiten auch auf wirtschaftlich stabile Unternehmen aus und verursachen mittelfristig „Folgeschäden“.  

KSV1870 Infografik Insolvenzstatistik Unternehmen 2024 Hochrechnung
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Wien, 11.12.2024 – Laut aktueller KSV1870 Hochrechnung mussten im Jahr 2024 in Österreich 6.550 Unternehmen Insolvenz anmelden. Das sind im Schnitt 18 Firmenpleiten pro Tag. Insolvenztreiber sind der Handel, die Bauwirtschaft und der Bereich Beherbergung/Gastronomie. Darüber hinaus stehen bereits jetzt 79 Großinsolvenzen mit Passiva von über 10 Mio. Euro zu Buche. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es 44 Fälle. Auch, aber nicht nur aufgrund der hohen Anzahl an Großinsolvenzen haben sich die Passiva* gegenüber dem Vorjahr um 31 Prozent auf insgesamt 18,3 Mrd. Euro erhöht – ausgehend von einem ohnehin schon sehr hohen Niveau. Darüber hinaus sind 51.000 Gläubiger (+ 11,6 %) und 30.200 Arbeitnehmer (+ 27,4 %) betroffen. Für das kommende Jahr rechnet der KSV1870 mit 6.500 bis 7.000 Unternehmensinsolvenzen.

Österreichs Wirtschaft ist 2024 von einem Insolvenzschub mit weitreichenden Folgen gekennzeichnet. Die vom KSV1870 bereits im Sommer prognostizierten Zahlen liegen historisch betrachtet im obersten Bereich. Es gibt heuer viele sehr große Insolvenzen und verstärkt auch wieder mittelständische Betriebe bei den Gerichten. Anders als zahlreiche Insolvenzen nach der Corona-Pandemie weisen die mittelständischen Betriebe mehr Aktivvermögen auf. Sie sind zwar überschuldet bzw. zahlungsunfähig, haben aber eine gewisse finanzielle Substanz. Ihre Themen sind die Energie-, Rohstoff- und Personalkosten, die sie sehr oft nicht oder in zu geringem Ausmaß weitergegeben haben. Insgesamt treffen die Pleiten eine große Zahl an Beschäftigten (30.200), die sich nun auf dem Arbeitsmarkt wiederfinden. Auffällig ist auch, dass von den Fällen viele Gläubiger (100 plus) betroffen sind. Die Fälle strahlen damit auch auf andere Betriebe bzw. deren Geschäftspartner aus und bergen das Risiko von Folgeinsolvenzen. „Umso mehr Unternehmen in die Pleite rutschen, desto größer ist die Gefahr, dass infolgedessen auch finanziell gesunde Unternehmen über kurz oder lang mit Liquiditätsproblemen zu kämpfen haben und den Anker werfen müssen“, erklärt MMag. Karl-Heinz Götze, MBA, Leiter KSV1870 Insolvenz.

Wirtschaftliche Kontinuität fehlt häufig

Österreichs Unternehmen haben an vielen Fronten zu kämpfen. Das zeigt auch ihre Geschäftslage, die seitens des KSV1870 regelmäßig erhoben wird. Aktuell sind nur 48 Prozent der Betriebe mit ihrer wirtschaftlichen Situation zufrieden – das ist der niedrigste Wert seit drei Jahren. Einerseits belasten hohe Energiekosten die Budgets, andererseits schmerzen der Fachkräftemangel oder die sinkende Auftragslage. Hinzu kommt, dass die generelle Exportnachfrage in Österreich und Europa nur schleppend vorangeht. Von einer Entspannung kann keine Rede sein. „Die Probleme sind gekommen, um zu bleiben. Zumindest vorerst, wie es den Anschein hat. In naher Zukunft wird es darum gehen, neue Impulse zu setzen und keinen Cent liegenzulassen. Dazu wird es auch eine starke Regierung brauchen, der es gelingt, Unternehmer und Private gleichermaßen zu entlasten“, erklärt Mag. Ricardo-José Vybiral, MBA, CEO der KSV1870 Holding AG. 

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Privatkonkurse: Pro-Kopf-Verschuldung steigt

Während sich die Zahl der eröffneten Verfahren auf Vorjahresniveau bewegt, steigt die durchschnittliche Verschuldenshöhe auf 112.000 Euro.

Wien, 11.12.2024 – Laut aktueller KSV1870 Hochrechnung wurden im Jahr 2024 in Österreich 8.920 Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Das sind um 0,8 Prozent mehr als im vergangenen Jahr und im Schnitt 24 Fälle pro Tag. Während das Burgenland (- 12,3 %) den größten Rückgang verzeichnet, steigt die Fallzahl in Niederösterreich mit 5,4 Prozent am deutlichsten. Darüber hinaus haben sich gegenüber dem Vorjahr die vorläufigen Passiva* um 8,5 Prozent auf 996 Mio. Euro erhöht. Das entspricht einer durchschnittlichen Verschuldung pro Schuldner von 112.000 Euro. Wie sich die Situation im kommenden Jahr darstellen wird, ist angesichts einiger nur schwer einschätzbarer Faktoren kaum vorhersehbar. Ein Anstieg auf rund 9.500 Privatkonkurse jedoch möglich.

Die finanzielle Lage der heimischen Privathaushalte spitzt sich zu, das zeigt auch eine im Oktober veröffentlichte KSV1870 Umfrage deutlich. 51 Prozent der befragten Unternehmen gaben dabei an, dass Private ihre Konsumausgaben im Vergleich zum Vorjahr deutlich reduziert haben und weniger Geld ausgaben. Die Menschen sparen, wo es möglich ist, und überdenken sämtliche Ausgaben mehrfach. Der Handel und die Bauwirtschaft sind davon besonders betroffen. „Die Menschen haben sich wohl oder übel auf die Situation eingestellt und den Gürtel deutlich enger geschnallt. Es bleibt die Frage, ob die Haushaltsbudgets die anhaltend hohen Kosten noch länger stemmen können oder nicht“, so MMag. Karl-Heinz Götze, MBA, Leiter KSV1870 Insolvenz. Zwar weiß man aus der Vergangenheit, dass sich ein Privatkonkurs in den allermeisten Fällen über einen längeren Zeitraum aufbaut, doch die aktuell schwierige wirtschaftliche Phase zieht sich nun schon über einen verhältnismäßig langen Zeitraum. Abseits davon war es in der Vergangenheit zumeist der Fall, dass sich die Zahl der Privatkonkurse erst zwei bis drei Jahre nach Anstieg der Firmenpleiten erhöht, was auch in der momentanen Situation durchaus der Fall sein kann.

Bundesländer mit regionalen Unterschieden

Während sich auf Bundesebene die Zahl der eröffneten Schuldenregulierungsverfahren nur marginal erhöht hat, verzeichnen die Bundesländer laut aktueller KSV1870 Hochrechnung durchaus unterschiedliche Ergebnisse. Zum Jahresende verzeichnet Niederösterreich mit 1.350 eröffneten Fällen und einem Anstieg von 5,4 Prozent das deutlichste Plus. Komplett gegensätzlich die Entwicklung im Burgenland, das ein Minus von 12,3 Prozent ausweist. Die Bundeshauptstadt Wien liegt mit 3.006 eröffneten Fällen und einem Plus von 4,3 Prozent doch deutlich über dem bundesweiten Schnitt. 

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