Erstes europäisches Restrukturierungsverfahren Österreichs wurde eröffnet
Am 25.11.2024 wurde über das Vermögen der
Pierer Industrie AG, 4600 Wels, Edisonstraße 1
ein europäisches Restrukturierungsverfahren am Landesgericht Wels eröffnet.
Anmeldefrist: 31.01.2025
Die Anleihe- und Schuldscheingläubiger werden aufgefordert, ihre Forderung bis spätestens 31.01.2025 beim Landesgericht Wels anzumelden sowie dem Schuldner eine Ausfertigung ihrer Forderungsanmeldung zu übersenden.
Frist zur Vorlage eines Restrukturierungsplans: 27.12.2024
Restrukturierungsbeauftragter:
Dr. Thomas Zeitler, Rechtsanwalt in 4020 Linz
Restrukturierungsbeauftragter-Stellvertreter:
Dr. Norbert Mooseder, Rechtsanwalt in 4020 Linz
Was ist ein europäisches Restrukturierungsverfahren?
Die Restrukturierungsordnung (ReO) ist am 17.07.2021 in Kraft getreten. Im Kern geht es darum, dass insolvenzgefährdete, aber noch nicht zahlungsunfähige Unternehmen in einem gerichtlichen Restrukturierungsverfahren die Möglichkeit haben, sich wirtschaftlich zu erholen, bevor sie Insolvenz anmelden müssen.
Was bei dieser Restrukturierung notwendig ist
Das Verfahren kann nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Zahlungsunfähigkeit droht bzw. bald wahrscheinlich ist. Zur Vorbereitung auf das Verfahren hat der Unternehmer ein Restrukturierungskonzept auszuarbeiten. Darin muss er glaubhaft beschreiben, wie er den zukünftigen Fortbestand des Unternehmens sichern will und welche Maßnahmen er dafür plant. Der Plan bedarf der Zustimmung der vom Schuldner miteinbezogenen Gläubiger. Welche das sind, entscheidet der Unternehmer. In der Regel wird er auf jene zugehen, die für den Fortbestand bzw. die Umsetzung des Restrukturierungsplans entscheidend sind.
Die Forderungen der nicht involvierten Gläubiger bleiben vom Verfahren unberührt und müssen in vollem Umfang bezahlt werden. Dazu gehören auch Arbeitnehmerforderungen.
Neu: Gläubigerklassen im Verfahren
Grundsätzlich müssen in einer Klasse mehr als 50 Prozent der anwesenden Gläubiger und mehr als 75 Prozent der betroffenen Forderungen für die Annahme des Plans votieren.
Restrukturierungsbeauftragter als Schnittstelle
Unterstützung erhält der Schuldner im Rahmen des Verfahrens von einem Restrukturierungsbeauftragten. Die Aufgaben eines Restrukturierungsbeauftragten sind nicht unmittelbar mit denen eines Insolvenzverwalters zu vergleichen, dennoch sorgt dieser als professionelle Schnittstelle zwischen Schuldner und Gläubiger für einen effizienten Ablauf des Verfahrens. Der Fokus der Arbeit des Restrukturierungsbeauftragten liegt in der Unterstützung des Schuldnerunternehmens bei der Ausarbeitung und Aushandlung des Restrukturierungsplans.
Rolle der Gläubigerschutzverbände
Eine Verständigung der bevorrechteten Gläubigerschutzverbände durch das Gericht ist nicht vorgesehen. Aber der Schuldner oder ein Gläubiger kann einen Verband aktiv ins Verfahren holen.
Sonderverfahren:
Das Europäische Restrukturierungsverfahren wird von den Gerichten öffentlich bekanntgemacht. Auch haben Gläubiger auf Antrag des Schuldnerunternehmens in diesem Verfahren ihre offenen Forderungen wie im Insolvenzverfahren bei Gericht anzumelden. Das Europäische Restrukturierungsverfahren entspricht den Anforderungen der EU- Insolvenzverordnung und ist insbesondere für jene Unternehmen zu empfehlen, die über Vermögenswerte im EU-Ausland verfügen, da es auch im EU-Ausland anerkannt wird.
Folge: KTM AG vor Insolvenz
In weiterer Folge steht die KTM AG, ein Tochterunternehmen der Pierer Mobility vor der Insolvenz. Es soll ein Antrag auf ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung eingebracht werden. Laut Aussage der Pierer Mobility beläuft sich der Finanzierungsbedarf der KTM AG auf einen hohen dreistelligen Millionenbetrag. Gleichzeitig sollen auch die Töchterunternehmen KTM Components GmbH und KTM F&E GmbH betroffen sein. Ziel soll sein, den Bestand der KTM-Gruppe nachhaltig zu sichern.
Linz, 26.11.2024
Rückfragehinweis:
MMag. Karl-Heinz Götze, MBA
Leiter Insolvenz
Kreditschutzverband von 1870
Wagenseilgasse 7, 1120 Wien
T +43 (0) 50 1870-8470
F +43 (0) 50 1870-99-8470
M +43 699 1 666 0 222
Mag. Petra Wögerbauer
KSV1870 Leiterin Region Nord
Kaisergasse 16b, 4020 Linz
Telefon: 050 1870-4031
E-Mail: woegerbauer.petra@ksv.at