Unternehmensinsolvenzen 1. Quartal 2012
Wien, 06.04.2012
Die Berechnung zum Ende des ersten Quartals 2012 ergibt, dass die Insolvenzzahlen mit 0,6 % leicht gegenüber dem ersten Quartal 2011 sinken. Insgesamt wurden 1.608 Unternehmen in den ersten drei Monaten 2012 insolvent.
Interessant ist die Verschiebung innerhalb der Fälle: plus 12 % bei den Eröffnungen und minus 16 % bei den mangels Vermögens nicht eröffneten Verfahren. Dies ist ein wichtiger Schritt in Richtung mehr Transparenz in der Wirtschaft.
Die Zahl der von Insolvenzen betroffenen Dienstnehmer ging mit 5.200 gegenüber dem Vorjahr um 7 % zurück. Die Schulden der insolventen Unternehmen sanken um ca. 14 %.
Im Durchschnitt wurden an jedem Gerichtstag im ersten Quartal 25 Unternehmen mit jeweils 3,2 Mitarbeitern insolvent. Die Passiva von EUR 486 Mio. verteilten sich auf 998 eröffnete Insolvenzverfahren, betrugen also im Durchschnitt EUR 487.000,- pro Fall.
Unternehmensinsolvenzen I. Quartal 2012 |
2012 | 2011 | Veränderung | |
Eröffnete Insolvenzen | 998 | 892 | + | 11,9 % |
Nichteröffnete Insolvenzverfahren(mangels kostendeckenden Vermögens) | 610 | 725 | - | 15,9 % |
Gesamtinsolvenzen | 1.608 | 1.617 | - | 0,6 % |
Der mangels Masse nicht eröffnete Konkurs:
Im Sprichwort: "Der Nichtskönner macht Konkurs - der Könner macht abgewiesenen Konkurs" liegen Erkenntnis und Erfahrung der Praktiker, dass bei Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Vermögens etwaige Intransparenz niemals das Tageslicht erblickt. Was durchaus im Interesse der Schuldner liegen kann. Dagegen wird im eröffneten Verfahren durch den Masseverwalters nicht nur die Buchhaltung eingesehen und geprüft, sondern auch Vorgeschichte und Insolvenzursache durch formalisierte Interaktion mit allen Gläubigern im Rahmen der gerichtlichen Tagsatzungen beleuchtet. Viele Schuldner wissen daher, warum sie an einem solchen Verfahren kein gesteigertes Interesse haben.
Rechtsentwicklung:
Zurzeit befasst sich eine Reformkommission im Justizministerium mit Möglichkeiten, Personen, die mit ihren Unternehmungen gescheitert sind, eine zweite Chance als Unternehmer zu erleichtern. Der Anstoß zu dieser Diskussion kommt von der Europäischen Union, die im soenannten „Small Business Act" eine Reihe von Maßnahmen zu ihrem wirtschaftspolitischen Programm gemacht hat. Diese sollen im europäischen Raum Wachstum und Dynamik der Wirtschaft fördern. Österreich nimmt in Europa den einsamen Spitzenplatz ein, was den Anteil der Unternehmenssanierungen in Insolvenzverfahren anlangt (bei uns ca. 33 % aller Unternehmensinsolvenzverfahren). Dennoch ist es sinnvoll darüber nachzudenken, ob eventuelle Erleichterungen bei der Entschuldung insolvent gewordener Einzelunternehmern die Zahl der Unternehmensgründungen erhöhen könnte. Dadurch würde den potenziellen Gründern die (statistisch zweifellos übergroße) Angst vor dem Scheitern genommen.
Der vollständigen Kommentar von Dr. Hans-Georg Kantner, Leiter KSV1870 Insolvenz.
Privatinsolvenzen 1. Quartal 2012
Im ersten Quartal 2012 wurden 2.549 Privatkonkurse von österreichischen Bezirksgerichten eröffnet, das sind auf ein Kalenderjahr hochgerechnet mehr als 10.000.
Mit diesen 2.549 eröffneten Verfahren liegt das Insolvenzgeschehen 2012 um fast 6 % über dem Vergleichsquartal 2011. Dieser Zuwachs entspricht der Erwartung für das gesamte Jahr, und aus heutiger Sicht gibt es keinen Grund anzunehmen, dass diese Erwartung nicht grosso modo eintreten wird.
Die Gesamtverbindlichkeiten der Schuldner betrugen EUR 290 Mio., was einem Minus gegenüber 2011 von etwa 2 % entspricht. Diese Fluktuationen gehen praktisch zu 100 % auf das Konto ehemaliger Selbstständiger, die in manchen Quartalen mit hohen Verbindlichkeiten die Statistik „auffetten". Die Schulden der tatsächlichen Privaten
(= Konsumenten) betragen im Durchschnitt etwa EUR 60.000,-
Privatkonkurse I. Quartal 2012 |
2012 | 2011 | Veränderung | |
Eröffnete Schuldenregulierungsverfahren | 2.549 | 2.412 | + | 5,7 % |
Geschätzte Insolvenzverbindlichkeitenin Mio. EUR | 290 Mio. | 296 Mio. | - | 2,0 % |
Statistik zur Entschuldung 2011
Das Ziel des Schuldenregulierungsverfahrens ist eine Einigung zwischen den Schuldnern und ihren Gläubigern. Diese heißt Zahlungsplan und wird mit Kopf- und Summenmehrheit der Forderungen angenommen, wie auch der Sanierungsplan. Die im Download befindliche Grafik zeigt, dass der Zahlungsplan in knapp 70 % der Verfahren auch erzielt werden kann. Das Entschuldungsverfahren ohne Zustimmung der Gläubiger ist das Abschöpfungsverfahren und das kommt knapp in 30 % der Fälle zum Tragen. Die restlichen Prozente betreffen Aufhebungen nach Verteilung des Vermögens oder mangels Kostendeckung. Beides sind Situationen, in denen Schuldner keinen Antrag auf Abschöpfungsverfahren gestellt haben.
Rechtsentwicklung:
Über die Beratungen der Reformkommission im Justizministerium haben wir bereits berichtet. Die Gläubiger, allen voran die Kreditinstitute, sind mit der gegenwärtigen Situation grundsätzlich zufrieden. Das österreichische Privatkonkursrecht hat über die letzten 16 Jahre gehalten, was es versprochen hatte: eine gleichmäßige, wenn auch nur quotenmäßige Befriedigung aller Gläubiger, die in Anbetracht der beschädigten Bonität und Leistungsfähigkeit des Schuldners bereit sind, aus dem Wettlauf im Vollstreckungsverfahren (Exekutionsverfahren) in das geordnete und auch kostengünstigere Konkursverfahren umzusteigen. In Österreich erlangen ca. 80 % aller Privatkonkursanten nach Ablauf der vom Gesetz vorgesehenen Zahlungsfristen (5 - 7 Jahre) die Restschuldbefreiung, wobei manche rascher entschuldet werden (z. B. Zahlungspläne mit Kassaquoten), dafür andere eine Verlängerung der Abschöpfung über die 7 Jahre hinaus in Kauf nehmen müssen.
Welche Forderungen der KSV1870 im Zuge der Reform des Privatkonkursrechts stellt, finden Sie im nachstehenden Download konkret dargestellt.
Für den Inhalt verantwortlich:
Dr. Hans-Georg Kantner, Leiter KSV1870 Insolvenz