Wien, 03.01.2013
Unternehmensinsolvenzen 2012
Das Jahr 2012 brachte für Österreichs Unternehmen mit einem Zuwachs von nur rund 3 % eine Stagnation auf hohem Niveau. Insgesamt wurden 6.041 Unternehmen insolvent, das entspricht einer Zahl von 24 Unternehmen an jedem Gerichtstag. Die eröffneten Insolvenzverfahren stiegen gegenüber 2011 um 7,5 % auf 3.505, wogegen die mangels Vermögens nicht eröffneten Verfahren (und dadurch abgewiesenen Konkursanträge) um
2,8 % auf 2.536 zurückgingen. Dieser Rückgang erklärt zu einem großen Teil den Zuwachs bei den eröffneten Verfahren.
Die Verbindlichkeiten der Unternehmen bei eröffneten Verfahren betrugen im Jahr 2012 EUR 3 Milliarden, das sind EUR 856.000,- pro Fall und damit gleichbleibend der Passiva pro Verfahren gegenüber dem Vorjahr (damals ebenfalls EUR 859.000,-). Die Zahl der betroffenen Dienstnehmer stieg um 13,1 % auf rund 23.300 an aufgrund einiger größere Insolvenzfälle aus dem Retail-Bereich.
Dazu Insolvenzexperte Dr. Hans-Georg Kantner vom KSV1870: „Das Insolvenzgeschehen verhielt sich 2012 grosso modo wie erwartet, die österreichische Wirtschaft ist auch in diesen schwierigen Zeiten auf Kurs geblieben." Durch das neue Sanierungsrecht ist die Zahl der Unternehmenssanierungen im Steigen begriffen. Dadurch verlieren bei weitem nicht alle 23.300 Personen ihre Jobs und es stellen nicht alle EUR 3 Milliarden Verbindlichkeiten automatisch einen Verlust dar. Der KSV1870 schätzt die tatsächlichen Forderungsverluste auf ca. 65 % dieser Summe.
Unternehmensinsolvenzen | 2012 | 2011 | Veränderung | |
Eröffnete Insolvenzen | 3.505 | 3.260 | + | 7,5 % |
Nicht eröffnete Insolvenzverfahren(mangels kostendeckenden Vermögens) | 2.536 | 2.609 | - | 2,8 % |
Gesamtinsolvenzen | 6.041 | 5.869 | + | 2,9 % |
Geschätzte Insolvenzverbindlichkeiten in EUR | 3,2 Mrd. | 2,8 Mrd. | + | 14,3 % |
Branchenentwicklungen:
Unternehmensbezogene Dienstleistungen stehen immer wieder an erster Stelle der Anzahl der Insolvenzen, so auch 2012 mit Verbindlichkeiten von EUR 609 Millionen. Es ist eine extrem kleinteilige Branche mit zigtausend Unternehmen, zu der sämtliche Beratungsleistungen, Immobilien- und Maklertätigkeiten sowie alle Holdinggesellschaften (= deren Tätigkeit ist nach der Branchensystematik eine „unternehmensbezogene Dienstleistung") gehören.
Reformvorhaben der Politik:
Die letzte Insolvenzrechtsreform IRÄG 2010 mit Inkrafttreten am 1.7.2010 ist gut angenommen worden. Es besteht derzeit kein besonderer Bedarf, diese Novelle nach zu justieren. Dennoch befasst sich die „ständige Reformkommission Insolvenzrecht" im BMJ mit Vorschlägen und Vorgaben der EU an ihre Mitgliedstaaten, insbesondere mit Blick auf KMU und die sogenannte „zweite Chance". Es wird eine bevorzugte und besonders rasche Entschuldungsmöglichkeit für persönlich haftende Unternehmer (Einzelkaufleute bzw. nicht protokollierte Gewerbetreibende) von der EU vorgeschlagen. Eine Umsetzung dieser Vorschläge spießt sich derzeit vor allem an der Forderung der Sozialpolitik, jede Erleichterung der Entschuldung nicht nur Unternehmern, sondern auch Privatschuldnern zukommen zu lassen. Es soll keine Differenzierung zwischen Unternehmern und deren Unternehmensschulden und Privaten und deren Konsumschulden geben. Daher ist in dieser Legislaturperiode mit keinem Gesetzesvorschlag zu diesem Themenkreis zu rechnen.
Den vollständigen Kommentar mit Ausblick auf das Jahr 2013 sowie den Detailzahlen finden Sie im nachstehenden Download.
Privatkonkurse 2012
Zum zweiten Mal seit 18 Jahren stagnieren die Gesamtzahlen, und zwar mittlerweile auf dem Niveau von 9.523 Personen, die 2012 dieses Verfahren meist selbst in Gang gesetzt haben.
Es gab bereits einmal eine Phase der Stagnation, nämlich im Jahr 2010 (siehe Grafik), daher kann man noch nicht von einem Zenit der Entwicklung sprechen. Es gibt noch mindestens weitere 100.000 Menschen in Österreich, die dringend solcher Regulierung bedürften, aber augenscheinlich nicht über die nötige Beratung, das erforderliche Lebensumfeld oder regelmäßige Einkünfte verfügen.
Privatkonkurse 2012 | 2012 | 2011 | Veränderung | |
Eröffnete Schuldenregulierungsverfahren | 9.523 | 9.596 | - | 0,8 % |
Geschätzte Insolvenzverbindlichkeiten in EUR | 1.229 Mio. | 1.194 Mio. | + | 2,9 % |
Bundesländer im Vergleich:
Von Beginn an haben die österreichischen Bundesländer dieses Entschuldungsinstrument unterschiedlich angenommen. Die Unterschiede liegen zweifellos an der Soziostruktur der Bundesländer, da Schulden und Zahlungsprobleme ein großstädtisches Phänomen darstellen. Aber auch die länderweise verschiedene Beraterinfrastruktur hat sich spürbar ausgewirkt: Länder, in denen rasch flächendeckende Beratung angeboten wurde (Oberösterreich, Wien), waren von Anfang an Spitzenreiter der Entwicklung. Andere haben dagegen heute noch Nachholbedarf, jedenfalls gemessen an der Zahl der vermutlich materiell zahlungsunfähigen Personen in der Bevölkerung.
Der Reformprozess:
Seit 18 Jahren haben Schuldner in Österreich die Möglichkeit einer Schuldenregulierung, bei der sie ihren Gläubigern mindestens 5 Jahre lang zumindest das pfändbare Einkommen als Tilgung anbieten müssen. Ca. 90.500 Menschen haben seither davon Gebrauch gemacht, und in 80 % der Fälle war das Ergebnis eine sofortige Normalität bezüglich der Verwendung der pfändungsfreien Einkommensteile und die finanzielle Rehabilitation der Schuldner am Ende des Verfahrens.
Regelmäßig berichtet der KSV1870 über die Reformdiskussion im Justizministerium. Wir werden z. B. von unseren deutschen Freunden darum beneidet, dass in Österreich bei den Verfahren in mehr als 80 % der Fälle Geld für die Gläubiger herausspringt; in manchen Fällen (ca. 2,5 %) werden 100 % bezahlt - in vielen Fällen gerade einmal 10 %. Was wichtig ist: die Verfahrenskosten werden fast in allen Verfahren beglichen.
Dennoch gibt es Menschen, die sich diese 5 - 7 Jahre an finanzieller Disziplin und Leben am Existenzminimum nicht vorstellen können oder es aus anderen Gründen nicht schaffen. Vielfach kommen sie daher der vom Gesetz auferlegten Verpflichtung, ein Insolvenzverfahren selbst sofort zu beantragen, nicht nach, sondern „tauchen vor ihren Schulden ab". Diese Schulden haben dann aber natürlich die Eigenschaft, sehr rasch anzuwachsen, was die Situation für die Betroffenen selbst verschärft. Sie geraten zunehmend an den Rand der Gesellschaft und bewegen sich letztlich immer weiter von ihrer Rehabilitation weg.
Für den Inhalt verantwortlich:
Dr. Hans-Georg Kantner, Leiter KSV1870 Insolvenz
Den vollständigen Kommentar mit Ausblick auf das Jahr 2013 sowie den Detailzahlen finden Sie im nachstehenden Download.
1357302572830_KSV1870_Insolvenzstatistik_Unternehmen_u_Private_2012.pdf