Insolvenzstatistik Unternehmen und Private I.-III. Quartal 2011

Wien, 06.10.2011

Unternehmensinsolvenzen I.-III. Quartal 2011 

In den ersten neun Monaten des Jahres 2011 sind die Insolvenzen bei Unternehmen um 8 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum 2010 zurück-gegangen - die eröffneten Verfahren um 6,6 % und die mangels Vermögens nicht eröffneten Verfahren sogar um fast 10 %. Ähnlich auch das Bild bei den betroffenen Dienstnehmern: Sie sind um ca. 11 % auf 15.500 zurückgegangen und die von Insolvenzen betroffenen Verbindlichkeiten gar um 20 % auf EUR 2 Mrd.

Unternehmensinsolvenzen I.-III. Quartal 2011

2011 2010 Veränderung
Eröffnete Insolvenzen 2.443 2.617 - 6,6 %
Nichteröffnete Insolvenzverfahren 1.947 2.161 - 9,9 %
Gesamtinsolvenzen 4.390 4.778 - 8,1 %
Geschätzte Insolvenzverbindlichkeiten in EUR 2,0 Mrd. 2,5 Mrd. - 20,0 %

Normalerweise würde diese Entwicklung Anlass für Zufriedenheit geben, da dies als ein weiteres Symptom einer gemeisterten Rezession in Österreich angesehen werden kann. Im Hinblick auf das Rumoren im Inneren Europas, sowohl was die Staatsverschuldung anlangt, als auch die Situation in den Banken mit Hinblick auf diese Staatsschulden, können wir diesen Rückgang zwar festhalten, uns aber nur bedingt darüber freuen. Warum?

In den vergangenen Jahren wurde zu oft und zu intensiv der Vergleich mit einem Tsunami strapaziert - ein Phänomen, das wohl in Ostasien seit langem bekannt ist, dessen Wirkungsweise aber erst seit kurzem in Europa verstanden wird. Vor einem Tsunami zieht sich das Meer gewissermaßen zurück, ganz als ob es zum Sprung ansetzte. Tritt dieser Fall ein, dann werden ganze Landstriche verwüstet und Menschenleben vernichtet. Solch eine drastische Wirkung findet in der Wirtschaft natürlich nur im übertragenen Sinn statt, aber sie ist damit um nichts weniger besorgniserregend. Daher erzeugen die nun vorliegenden hochgerechneten Zahlen zum Insolvenzgeschehen tatsächlich unangenehme Assoziationen und erzeugen ein Gefühl der Unsicherheit.

Bundesländer: Unterschiede durch Branchenmix
Die Entwicklung der einzelnen Bundesländer ist auch in dieser Beobachtungsperiode durchaus unterschiedlich. Das hängt großteils mit regionalwirtschaftlichen Besonderheiten zusammen, vor allem dem Branchenmix eines jeden Bundeslandes. Man erkennt, dass z. B. Wien mit einem recht ausgewogenen Branchenmix (Industrie - Dienstleistung; Produktion - Handel etc.) im österreichischen Schnitt liegt, während andere Bundesländer ganz andere Zahlen aufweisen. Der größte Rückgang mit rund 37 % erfolgte in Vorarlberg, einem Bundesland, das über viel „alte" Industrie verfügt, die in den Jahren 2008 bis 2010 auch deutlich gefordert war. Anders die Situation in der Steiermark, die zu Beginn der Krise sehr früh und überdurchschnittlich stark von Insolvenzen betroffen war, sich dazwischen sehr gut erholte, aber jetzt - evtl. tatsächlich als Vorbote - bereits wieder einen Zuwachs an Insolvenzen verzeichnet.

Wie wird das Insolvenzjahr 2011?
Prognosen waren nie einfach und sind in den letzten 6 bis 9 Monaten deutlich schwieriger geworden. Für das laufende Jahr kann jedoch mit einiger Sicherheit gesagt werden, dass die Insolvenzzahlen spürbar unter denen des Vorjahres sein werden und zwar im Bereich von 3 bis 5 % bzw. in der Bandbreite von 6.100 bis 6.200 Fällen. Hilfreich sind derzeit jedenfalls die noch niedrigen Zinsen, da sie den auch hoch verschuldeten Unternehmern die Zinslast etwas erleichtern. Schwierig ist vor diesem Hintergrund zweifellos die sich abzeichnende Stagnation des Wirtschaftswachstums jedenfalls in den nächsten 6 Monaten.

Die vollständige Analyse sowie die Detailzahlen finden Sie im nachstehenden Download zur Verfügung gestellt.

 

Privatinsolvenzen I.-III. Quartal 2011 

Die Auswertung für die ersten drei Quartale 2011 zeigt ein spürbares Anwachsen der Insolvenzzahlen um 7,1 % gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres - das sind 7.276 Insolvenzverfahren. Die zur Regulierung anstehenden Schulden sind dabei mit EUR 893 Mio. gegenüber dem Vorjahr weitgehend unverändert geblieben, was einer Verringerung der Schulden pro Fall gleichkommt.

Privatkonkurse I.-III. Quartal 2011

2011 2010 Veränderung
Eröffnete Schuldenregulierungsverfahren 7.276 6.793 +  7,1 %
Geschätzte Insolvenzverbindlichkeiten 893 Mio. 888 Mio. + 0,6 %

Der Privatkonkurs verzeichnet seit seiner Einführung im Jahr 1995 ein kontinuierliches Wachstum der Insolvenzahlen. Anfänglich waren es 780 Verfahren pro Jahr - mittlerweile beantragen fast 10.000 Personen pro Jahr die Regulierung ihrer Schulden. Das österreichi-sche Entschuldungsrecht ist teuer, aber es wirkt. Teuer, da die Gläubiger auf Forderungen verzichten müssen - teuer aber auch, weil Schuldner etwas zahlen müssen.

Kein Bundesland gleicht dem anderen
Interessanterweise zeigen auch beim Privatkonkurs die Bundesländer durchaus unterschied-liche Zahlen bzw. Zuwächse. Dies hat aus Sicht des KSV1870 viel mit der in den jeweiligen Bundesländern zur Verfügung stehenden Beratungsinfrastruktur zu tun. Schuldenberatung ist eine Form der öffentlich finanzierten Sozialarbeit und daher teilweise Landessache. So gibt es in jedem Bundesland eine bevorrechtete Schuldenberatung, die sich darum kümmert, dass Menschen mit Schulden, die sie nicht bedienen können, rechtzeitig die richtigen Schrit-te setzen - und sei es auch, ihren Privatkonkurs in Gang zu setzen.

Analyse der Insolvenzen per capita
Ob ein Bundesland viel oder wenig Insolvenzen verzeichnet, hängt naturgemäß von realwirt-schaftlichen Faktoren ebenso ab, wie von der Vergabepolitik der Kreditinstitute. Diese Ver-gabepolitik mag bei manchen regionalen und kleinräumig operierenden Instituten durchaus unterschiedlich sein, durch die wesentlichen Marktanteile überregional tätiger Banken aber kann gesagt werden, dass Kreditnehmer österreichweit zu ziemlich gleichen Bedingungen Kredite aufnehmen können. Es gibt dabei Institute, die ihre Klientel eher im oberen Segment definieren - dagegen andere Institute, die bewusst auf die weniger zahlungskräftigen Bevöl-kerungsschichten fokussieren. Spezialisierung findet letztlich auch im Sektor der Finanz-dienstleistungen statt.

Reform des Entschuldungsrechtes
Seit ca. einem Jahr gibt es einen Stillstand beim Thema Reform des Privatkonkurses. Dies mag daran liegen, dass manche Vorstellungen der Sozialpolitik von der Wirtschaft - und hier vor allem der kreditgebenden Wirtschaft - nicht mitgetragen werden können. Dabei gäbe es eine Reihe von durchaus konsensfähigen Vorschlägen, die auch rasch umgesetzt werden könnten. Die Einführung einer amtswegigen Insolvenzeröffnung gehört allerdings nicht dazu, da es dabei zu einem erheblichen Paradigmenwechsel des Zivilverfahrensrechtes kommen würde, das bislang die Parteien bzw. Antragshoheit kennt, wo also das Gericht aus eigenem keine Schritte setzt. Neben diesen allgemeinen rechtsdogmatischen Erwägungen spielt aber auch der ganz praktische Grund der Ressourcenknappheit eine Rolle. Da leicht einzusehen ist, dass die Gerichte nicht im Stande wären - ohne Vervielfachung ihrer Kapazitäten in die-sem Bereich -, das 11-fache des gegenwärtigen Aufkommens an Insolvenzverfahren effektiv zu betreuen. Daher muss sich der Gesetzgeber um Reformen bemühen, die eine schrittwei-se Anhebung der Insolvenzverfahren auf das erforderliche Maß nach sich ziehen werden, was letztlich mit einem schrittweisen Ausbau der Justizkapazitäten einhergehen würde.

Ausblick 2011: Magische Grenze in Sicht
Die Zahlen der vergangenen Jahre belegen, dass dieses sehr erfolgreiche Verfahren auf die nächsten Jahre weiterhin Zuwächse verzeichnen wird und verzeichnen muss. Ein Anwach-sen dieser Zahlen darf dabei nicht als negatives Omen oder nachteiliges Symptom betrach-tet werden, sondern als Intensivierung der finanziellen Rehabilitierung wichtiger Gesell-schaftsgruppen. Gerade in Zeiten der überbordenden Verschuldung ist die Erkenntnis, dass nicht jede Schuld zurückgezahlt werden kann, der notwendige erste Schritt in die finanzielle Gesundung. Für das Jahr 2011 liegt es mittlerweile durchaus im Bereich der Möglichkeit, dass die „magische Grenze" von 10.000 Verfahren erreicht werden wird.

Die vollständige Analyse sowie die Detailzahlen finden Sie im nachstehenden Download zur Verfügung gestellt.  

Für den Inhalt verantwortlich:
Dr. Hans-Georg Kantner, Leiter KSV1870 Insolvenz

1317972998498_KSV1870_Insolvenzstatistik-Unternehmen-Private_QI-III_2011.pdf