Wien, 11.09.2013
Die internationale Insolvenzstatistik attestiert Österreich eine solide Platzierung: Mit seinem Zuwachs von 2,9 % an Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2012 gegenüber 2011 liegt Österreich im Durchschnitt der westeuropäischen Volkswirtschaften.
KSV1870 Insolvenzexperte Dr. Hans-Georg Kantner begründet diese moderate Steigerung: „Zum einen wirkt sich der kleine Gründerboom aus. Diesen benötigen wir auch dringend, um an die mehr kapitalistisch geprägten Länder des Nordens und Westens anzuschließen. Zum anderen verfügen wir über eine robust aufgestellte mittelständische Wirtschaft mit einem erstklassigen regionalen Mix und einem erklecklichen Exportanteil in den immer noch Wachstumsmärkten in Ost- und Zentraleuropa. Diese Erfolge müssen ein Ansporn für die österreichische Wirtschaftspolitik sein, die rechtlichen, steuerlichen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen weiterhin zu verbessern."
Trotz des zahlenmäßigen Rückgangs der Insolvenzen im ersten Halbjahr 2013 wurde die mittelständische Wirtschaft hierzulande gehörig durch einige Großinsolvenzen erschüttert. Das waren vor allem:
Alpine Bau GmbH mit bis zu EUR 5 Mrd. an angemeldeten Verbindlichkeiten und
Dayli als Drogerienahversorger mit 3.500 Mitarbeiterinnen und mehr als 800 Standorten in meist strukturschwachen Landgemeinden.
Tatsächlich steuert 2013 auf neue Rekorde innerhalb des Insolvenzgeschehens zu, und das könnte auf ein wiederum anspruchsvolles Jahr 2014 hindeuten.
Der Blick über den Gartenzaun
Die Niederlande mussten von 2011 auf 2012 ein Plus von fast 21% an Unternehmensinsolvenzen verzeichnen und der Zuwachs geht ungebrochen weiter. Die Zahlen für das erste Halbjahr lassen ein weiteres Anwachsen von 15 % befürchten. Die weltoffene Handelsnation bekommt die Abkühlung der Weltkonjunktur ungebremst und unvermindert zu spüren, doch bei Erholung der Weltkonjunktur kann die Rückkehr zu Normalwerten schnell gehen. Die Anzeichen sind da, allerdings eher schwächlich, sodass 2014 bestenfalls eine Stagnation auf hohem Niveau zu versprechen scheint.
Spanien und Portugal wurden von der Krise 2008 in besonderem Ausmaß getroffen, was auf strukturelle Defizite der Wirtschaft ebenso zurückzuführen ist wie auf extreme Fehlentwicklungen der Bankenfinanzierung, die vor allem in Spanien den Finanzsektor noch auf Jahre lähmen werden. Die Wirtschaft leidet unter diesen Problemen, auch wenn beide Länder mittlerweile eine Menge Hausaufgaben gemacht haben. Bis der notwendige Wachstumsimpuls erfolgt, deuten jedoch die Insolvenzzahlen des ersten Halbjahres 2013 sogar auf weitere Insolvenzzuwächse im zweistelligen Bereich hin.
Der Schutzschirm und die EZB-Operationen haben Italien, den zweitgrößten Schuldner der Welt, aus den ärgsten Schwierigkeiten herausmanövriert. Das minimale Plus an Insolvenzen (2,4 % gegenüber 2011) zeigt, was die italienische Wirtschaft kann: Sie ist kleinräumig, innovativ und weltweit überaus erfolgreich.
In Deutschland gingen Insolvenzen um 6 % gegenüber 2011 zurück und die Halbjahreszahlen lassen einen weiteren Rückgang erwarten. Auch wenn es vom allgemeinen Sog der wirtschaftlichen Flaute nicht verschont blieb, belegt Deutschland einen der besten Plätze im europäischen Beautycontest.
Norwegen steht laufend vor der Frage, ob es Öl- und Gaseinnahmen unters Volk bringen oder für die Zukunft halten und investieren soll. Gingen die Insolvenzen im Jahr 2012 noch um über 12 % zurück, wird dieser Rückgang durch die Halbjahreszahlen mehr als relativiert. Hochgerechnet auf das ganze Jahr 2013 würde damit sogar der Wert des Jahres 2011 bei weitem übertroffen werden.
Griechenland verzeichnete 2012 einen Rückgang an Insolvenzen von über 8 %. Damit scheinen die Gesetze der Ökonomie und Logik außer Kraft gesetzt zu sein. Denn Griechenland wartet immer noch auf ein Wirtschaftssystem, das ohne Subventionen und stattliche Interventionen funktioniert und auf freien Wettbewerb basiert.
„Die solide Position Österreichs hat tatsächlich ihre Meriten, nicht nur geografisch, sondern auch wirtschaftlich. Lernen von den Besten muss die Devise bleiben. Da hilft weder Selbstüberschätzung, noch der Griff zum drastischen Sprachbild. Die mittelständische Wirtschaft erwartet sich von führenden Politikern glaubwürdige Konzepte für die nächsten 30 - 50 Jahre und eine Wirtschaftspolitik, die sich nicht an der Meinungsumfrage von morgen orientiert, sondern sich der Nachhaltigkeit und Langfristigkeit verpflichtet fühlt", fasst Dr. Kantner, Leiter der KSV1870 Insolvenz, die derzeitige Situation und kommende Anforderungen zusammen.
Die Detailzahlen finden Sie im nachstehenden Download zur Verfügung gestellt.
Für den Inhalt verantwortlich:
Dr. Hans-Georg Kantner, Leiter Insolvenz beim KSV1870.