Doppelinterview - Silicon Valley kocht auch nur mit Wasser


„Silicon Valley kocht auch nur mit Wasser“
Ing. Stefan Ponsold, BSc., MA, Gründer der SunnyBAG GmbH und KSV1870 Testimonial kennt die Herausforderungen für Jungunternehmer in Österreich und den USA.
 

 
forum.ksv:
Welches sind die Herausforderungen als Jungunternehmer in Österreich?
 
Ponsold: Als ich 2010 mein Einzelunternehmen gegründet habe, war ich gut vorbereitet. Ich habe Innovationsmanagement am Campus 02 in Graz studiert und hatte die Idee, Mobiltelefone solar aufzuladen. Ich wusste, es ist nicht so leicht – von zehn Ideen gehen nur zwei auf. Ich habe gebootstrapped, es also aus eigener Kraft versucht und geschaut, wie lange das gut geht. 2012 habe ich gemerkt, wir brauchen einen Investor, der einsteigt. In Bezug auf fehlendes Venture Capital wurden in den vergangenen zwei Jahren von der Regierung sehr gute Maßnahmen gesetzt, auch die AWS bietet mit dem Gründerfond gute Unterstützung in der Startphase. Bei mir war das damals noch etwas schwieriger als heute. Doch durch die Steirischen WirtschaftsförderungsgesmbH und mit einem Co-Investor haben wir damals auch eine gute Starthilfe bekommen.
 
SunnyBAG hat bereits eine Auslandsniederlassung in Silicon Valley. Wie weit ist Österreich entfernt von Silicon Valley?
 
Was ich nach einigen Monaten Aufenthalt beurteilen kann, kochen sie zwar auch nur mit Wasser, aber deutlich schneller als wir. Vieles läuft effizienter und effektiver ab und Entscheidungen fallen besonders rasch. In den 50igern des 19. Jahrhunderts waren die Ingenieure der Raumfahrt dort, heute sind es deren Kindeskinder, die Firmen in die Welt rufen. Amerikanern neigen aber auch oft zur Übertreibung und zu Geschichten, die nie passieren werden. Da zählt in Österreich oder Deutschland deutlich mehr das Vertrauen und die „Handschlagqualität“. Ein weiterer großer Unterschied ist, dass es in Amerika wesentlich weniger Förderungen gibt. Auf der anderen Seite haben wir ein deutlich teureres Sozialsystem im Hintergrund mitzufinanzieren. Verdient jemand dort 50.000 Dollar pro Jahr, muss er sich davon selber versichern und Rücklagen für die Pension bilden. Bei uns fällt das zum Teil zwar weg, dafür liegen die Gesamtabgaben bei fast 50 %. Auch das Anstellen von neuen Mitarbeitern muss gut überlegt sein. Zum Glück gibt es durch das neue Start-up-Paket der Regierung bessere Unterstützung für die ersten Mitarbeitern.
 
Sehen Sie Handlungsbedarf in Bezug auf das Gründen in Österreich?
 
Was mich freuen würde ist, wenn man hierzulande vom Notariatsgesetz bei Gründungen und Umgründungen absieht. In Amerika geht man zum Anwalt und gründet seine Corporation. Die Umgründung vom e.U. auf eine GmbH in Österreich hat bei uns 7.000 Euro gekostet. Ich habe bis heute nicht verstanden, wo hier die Leistung lag, die diesen hohen Betrag rechtfertigt. Wenn ich es mit dem Silicon Valley vergleiche, hätten wir uns hier etwa 6.500 Euro erspart. Gerade am Anfang ein großer Vorteil, wenn man jeden Euro oder Dollar zweimal umdrehen muss.
 
Viele Selbstständige jammern über hohe Steuern und die Belastung durch die SVA. Wie sehen Sie das?
 
Jeder, der eine Nachbemessung der SVA erhalten hat, schreckt vor den hohen zusätzlichen Kosten zurück, aber ich verstehe, dass unser schönes Land auch finanziert werden muss. Entweder ist das Produkt oder Businessmodell so gut, dass es sich ausgeht oder eben nicht. Da kann man nicht der Steuer die Schuld geben. Wenn es nach dem dritten Jahr nicht läuft, braucht man eine neue Strategie, neue Dienstleistung oder ein neues Produkt. Wir haben am Anfang hart gekämpft und den ersten Berg geschafft, jetzt geht es weiter zu neuen Bergspitzen bei strahlendem Sonnenschein.
 



 

„Unternehmern wird jedes Strahlen genommen“
Bei uns werden Ideen erst einmal schlecht gemacht, sagt Jürgen Tarbauer, Bundesvorsitzender der Jungen Wirtschaft.
 
 
forum.ksv: Welche sind die typischen Herausforderungen von Jungunternehmern?
 
Tarbauer: Neben Problemen mit der Finanzierung ist es die überbordende Bürokratie. Wir fordern schon lange: Wenn ein neues Gesetz kommt, müssen dafür zwei andere gehen. Das wurde jetzt mit dem Deregulierungsgrundsätzegesetz aber ad absurdum gesetzt. Das sagt nur aus, dass Gesetze nicht unnötig sein sollen. Wir wollen, dass die Politik und Entscheider mehr in der Realität leben. Wir als Junge Wirtschaft sind Berater, Impulsgeber – aber leider keine Entscheider. Ein Beispiel: die Arbeitsinspektionsebene. Ich habe eine Werbeagentur und werde mit einem Industriebetrieb gleichgesetzt. Das Putzmittel bei der Abwasch muss ein leichtes sein oder es müssen Handschuhe zur Verfügung stehen und Feuchtigkeitscreme. Ich verstehe das bei einer Firma, wo ständig abgewaschen wird. Aber bei einem Mitarbeiter, der einmal am Tag sein Kaffeehäferl waschen geht? Da wird leider mit demselben Maß gemessen. Oder Anrainer-Parkplätze: Als Unternehmer in Wien bekomme ich kein Parkpickerl, sondern eine Parkkarte. Bei den Anrainerparkplätzen steht aber „nur gültig für Parkkleber“. Da hat man bewusst die Unternehmer ausgeklammert. Warum tut man das? Wenn das Unternehmen dort ansässig ist, sollte ich genauso dort parken dürfen.
 
forum.ksv: Gibt es weitere Herausforderungen für Gründer?
 
Tarbauer: Die Finanzierung des ersten Mitarbeiters ist eine ziemliche Herausforderung.
Ich hätte gerne, dass die Mitarbeiter mehr Netto vom Brutto haben. Die Lohnkostensenkung wurde zum Teil erreicht, auf drei Mitarbeiter in den ersten drei Jahren. Das ist ein ganz guter Ansatz, aber eine allgemeine Lohnkostensenkung wäre besser, ein allgemeiner Satz für alle.
 
Häufig kritisiert wird ja auch die SVA.
 
In vielen Bereichen aber zu Unrecht, sie ist besser als ihr Ruf. Die Vorschreibung im 3. Jahr für vergangene Umsätze stellt viele Jungunternehmer vor Herausforderungen, weil sie nicht damit gerechnet haben. Es ist eine Errungenschaft der Jungen Wirtschaft, dass es bei der Vorschreibung eine Zeile gibt: „In 3 Jahren haben Sie vermutlich folgende Nachzahlung zu erwarten“. Man kann die Zahlung nicht verhindern, das System in Österreich basiert auf einem der sozialen Absicherung. Wenn ich mir das Bein breche, kann ich zur Behandlung in jedes Spital gehen, das kostet Geld. Eigentlich wäre das Geld für die Jungunternehmer ja schon fällig, wird aber erst im 3. Jahr abgerechnet. Das ist im Grunde ein Entgegenkommen.
 
Was sagen Sie zur Notariatspflicht?
 
Die Notariatspflicht ist nicht unsere Priorität Nr. 1. Aber die Vollziehung des Notariatsaktes – das ist schon ein bisschen monarchisch. Gesellschaftsverträge könnte man auch anders lösen.
 
Wie weit ist Österreich vom Silicon Valley entfernt?
 
Wir sind und werden nicht Silicon Valley – und sollten es auch nicht. Es gibt aber Dinge, die uns gut tun würden. Etwa: Wie geht man an neue Ideen heran? In den USA kommt zuerst die Idee und im zweiten Schritt: ok, da musst du aufpassen, da gibt es die und die Regelung. Bei uns ist es umgekehrt: Als Erstes wird alles zu Tode reguliert, super schlecht gemacht, das kann man nicht, das geht nicht, so dass einem jede Freude, jedes Strahlen genommen wird. Aber wenn du es so und so machst, dann könnte es vielleicht gehen. Wenn wir das von Silicon Valley übernehmen würden: ja.

Interview: Sonja Tautermann

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