Immer mehr etablierte Unternehmen heuern Start-ups an, damit diese für frischen geschäftlichen Wind sorgen. Dabei gilt es, einige Stolpersteine zu vermeiden.
Text: Markus Mittermüller
Wenn im Sport David auf Goliath trifft, ist das Ergebnis meist klar: Im Großteil der Fälle entscheidet der größere Verein das Match für sich. In der Wirtschaft ist der Ausgang dieser Auseinandersetzung nicht so eindeutig. Kleinere Unternehmen, meist Start-ups, übertrumpfen große Konzerne oft mit ihrer Flexibilität und Innovationskraft. Richtig spannend wird es aber, wenn sich David und Goliath dafür entscheiden, ihre unterschiedlichen Vorzüge füreinander zu nutzen. Immer öfter holen sich erfahrene Unternehmen Start-ups an Bord, um bestehende Geschäftsfelder mit Innovationen aufzufrischen oder völlig neue Ideen zu entwickeln. Können Start-ups damit wirklich zum Geschäftsturbo für etablierte Unternehmen werden? Und worauf müssen beide achten, damit diese Zusammenarbeit auch wirklich profitabel wird?
Unterschiedliche Geschwindigkeiten.
Denn dass dabei zwei Organisationen mit sehr unterschiedlichen Strukturen und Geschwindigkeiten aufeinandertreffen, muss beiden Seiten vorab klar sein. „Hier trifft ein Elefant auf ein Wiesel“, bringt es Petra Wolkenstein, CEO bei der Unternehmensberatung Konsultori, auf den Punkt. Die Zusammenarbeit kann dabei viele verschiedene Formen annehmen. Möglich sind Accelerator-Programme, bei denen es darum geht, jungen Unternehmen professionelle Starthilfe zu geben und ihnen dadurch zu einem schnelleren Wachstum zu verhelfen. Oder ein Joint Venture, bei dem das Start-up gemeinsam mit eingesessenen Unternehmen ein Tochterunternehmen gründet, in das beide Kapital und Know-how einbringen. Beim Gesamtkauf übernimmt das große Unternehmen das Start-up völlig, um von den neuen Ansätzen zu profitieren.
Die Größe zählt.
Für die zweite Variante hat sich die Uniqa entschieden, die mit Uniqa Ventures als Risikokapitalgeber innovative Start-ups bei der Skalierung ihrer Geschäftsmodelle unterstützt. Diese gilt mit über 50 Beteiligungen, acht Exits und einem Unicorn als einer der aktivsten Corporate-Venture-Capital-Fonds in Europa. Worauf es bei der Auswahl der Start-ups für die Zusammenarbeit ankommt? „Es kommt auf die Größe an“, präzisiert Andreas Nemeth, CEO der Uniqa Ventures. „Wenn ein Start-up zwischen 50 und 70 Mitarbeiter hat, dann hat es schon einen gewissen Reifegrad, und nicht alles hängt mehr vom Gründer selbst ab. Ab diesem Zeitpunkt macht eine Zusammenarbeit Sinn“, so Nemeth. Warum große Unternehmen von Start-ups profitieren, ist für ihn klar: „Kleine Teams, die schnell und agil an Lösungen arbeiten, und das noch dazu zu meist günstigen Kosten – diese Kombination wird zum Turbo für die Großen.“ Ein Beispiel für eine erfolgreiche Kooperation ist das deutsche Start-up omnius, das die Bearbeitung von Schadenfällen mit Künstlicher Intelligenz unterstützt und Standardprozesse automatisiert. „Wir bekommen zehntausende Mails und Briefe, in denen uns Kunden Schäden melden. Durch die Zusammenarbeit mit omnius können wir jetzt 50 % aller Meldungen automatisiert beantworten, und unsere Kunden bekommen in kürzester Zeit eine Rückmeldung auf ihre Anfrage“, so Nemeth.
Professionalität entscheidet.
Von Anfang an muss von beiden Seiten klar definiert werden, wer was in das Projekt mit einbringt und wozu sich jeder verpflichtet.
Eines der ersten Unternehmen in Europa, die 2016 einen Accelerator im Bereich AgTech gegründet haben, ist die RWA Raiffeisen Ware Austria AG. Das Ziel lautete, weltweit Innovation zu finden, um diese in der heimischen Landwirtschaft auszurollen. „Bei der Auswahl der Start-ups steht und fällt alles mit den handelnden Personen. Professionalität steht hier an erster Stelle“, sagt Geschäftsführer Georg Sladek. Auch beim Produkt selbst steht die Seriosität im Vordergrund. „Ein Prototyp des Produkts sollte bereits vorhanden sein, untermauert mit wissenschaftlichen Erkenntnissen. Wichtig ist, dass am Markt der Bedarf für das Produkt vorhanden und ein Fortschritt in der Entwicklung erkennbar ist. Denn Start-ups haben keinen so langen Atem wie eingesessene Unternehmen und brauchen rascher Erfolge“, bestätigt Sladek.
Aber nicht nur die Start-ups, auch die großen Unternehmen müssen liefern, damit die Kooperation gelingt. „Von Anfang an muss von beiden Seiten klar definiert werden, wer was in das Projekt mit einbringt und wozu sich jeder verpflichtet“, konkretisiert Nemeth. Wolkenstein rät den Großen dazu, eine gesamte Einheit – wie eine Abteilung oder ein Tochterunternehmen – auszukoppeln, um diese eigenständig und unabhängig mit dem Start-up arbeiten zu lassen. „Entscheidend ist, dass das Start-up einen direkten Ansprechpartner beim Unternehmen hat“, so Wolkenstein.
Einen Ansprechpartner benötigt auch das Start-up selbst. „Das muss Chefsache sein. Wichtig ist auch, dass das junge Unternehmen bereits vor der Zusammenarbeit rechtlich gut aufgestellt ist und sich genügend Zeit freischaufelt, um auch selbst von der Kooperation zu profitieren“, so die Unternehmensberaterin. Denn die Potenziale für die Start-ups sind enorm. Die großen Unternehmen bringen neben einem Vertriebskanal auch hohes Expertenwissen und viele Aufträge in die Zusammenarbeit mit ein. „Im Gegenzug dafür wollen sie Innovationen, eine Erweiterung ihres Portfolios sowie die Erneuerung ihrer Geschäftsbereiche“, sagt Wolkenstein.