Die einen engagieren einen Gesundheitsmanager, andere versuchen es mit Obstkorb und Yogastunde. Rechnen tun sich die Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung allemal. Schließlich sind zufriedene, gesunde und motivierte Mitarbeiter ein wesentlicher Baustein für den Erfolg des Unternehmens.
Die Zahlen sprechen für sich: Durchschnittlich 37 Arbeitstage pro Jahr fallen Mitarbeiter wegen seelischer Erkrankungen im Job aus. Rund 85 % der Unternehmen geben an, dass die Fehlzeiten ihrer Mitarbeiter in den vergangenen beiden Jahren gestiegen sind. 1,5 Mio. Österreicher sind burnoutgefährdet, doppelt so viele leiden an Schlafstörungen. Das heißt: Arbeitgeber müssen genauer hinschauen, analysieren – und gegensteuern. Rechnen tut sich das allemal. Verlangt wird es sowieso. Seit 2013 sind Unternehmen gesetzlich dazu verpflichtet, psychische Belastungen am Arbeitsplatz zu erheben. Dass das in der Vergangenheit teilweise nur zögerlich passiert ist, steht auf einem anderen Blatt. „Wissen tun es alle. Gesundheit und Motivation und damit Arbeitsleistung und Wertschöpfung stehen in eindeutigem Zusammenhang, das sagt schon der Hausverstand“, sagt Coach Martina Kaiser von ProM2. Sie ist Leiterin des Workshops „Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) leicht gemacht“. „Die Mitarbeiterzufriedenheit steigt, die Bindung wird stärker. Die Mitarbeiter sind motivierter und leistungsbereiter.“
Laut Wirtschaftspsychologin Sabine Schneider sind Betriebe, die schon öfter mit Burnout zu tun hatten bzw. haben, dem Angebot rund um betriebliches Gesundheitsmanagement gegenüber sehr aufgeschlossen. „Sie wissen ja, welche Folgen lange krankheitsbedingte Ausfälle haben, und arbeiten deshalb lieber präventiv.“ Fest steht: Die betriebliche Gesundheitsförderung hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung zugenommen. In einer aktuellen Deloitte-Studie in der Bankenbranche haben 68 % der Teilnehmer angegeben, im Bereich der betrieblichen Nebenleistungen auch Maßnahmen zur Gesundheitsförderung anzubieten. „Während vor einigen Jahren noch Zuschüsse oder vergünstigte Krankenzusatzversicherungen sowie betriebliche Gesundenuntersuchungen die wesentlichen Leistungen waren, gestaltet sich das Angebot heute deutlich breiter und ganzheitlicher“, sagt Georg Jurceka, Senior Manager bei der Deloitte Consulting GmbH.
Vorbilder und Nachzügler. Der Obstkorb zur freien Entnahme, das kostenlose Mineralwasser und die wöchentliche Yogastunde sind längst obligatorisch. Was häufig fehlt, ist die gesamtheitliche Betrachtung des Themas. „Es gibt einige große Unternehmen, die äußerst vorbildlich agieren und sogar eigene Gesundheitsmanager beschäftigen, insgesamt betrachtet steckt die Entwicklung rund um innerbetriebliches Gesundheitswesen noch eher in den Kinderschuhen“, sagt Schneider. Ein Unternehmen, das vorbildlich agiert, ist die RHI AG. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind das größte Potenzial, deshalb muss man sich in diesem Bereich ganz gezielt engagieren“, sagt Personalchef Michael Merzbach. „Es ist wichtig, Mitarbeiter punktuell immer wieder aus dem Arbeitsprozess herauszunehmen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, achtsamer mit ihrer Gesundheit umzugehen.“ Seit vielen Jahren gibt es Initiativen wie Gesundheitszirkel, Obstkorb, Ernährungsberatungen, Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen. Zudem gibt es Maßnahmen, um die arbeitsbedingten Belastungen – etwa schwere Hebetätigkeiten – zu reduzieren. „Wir legen großen Wert auf Nachhaltigkeit in allen Angeboten und versuchen, diese auch gemeinsam mit den Mitarbeitern zu erarbeiten“, sagt Merzbach.
Martina Kaiser unterstützt Unternehmen dabei, Maßnahmen zu implementieren, und weiß, dass das leicht machbar ist, wenn die Bereitschaft dafür da ist. „Für Lauftreffs, Ernährungsberatung oder Ernährungsumstellung in der Kantine braucht es noch nicht einmal eine supertolle Infrastruktur.“ Auch Kurse wie Rückengymnastik oder Yoga kosten nicht die Welt. „Ein Trainer bekommt zwischen EUR 35 und 90 pro Einheit. Ein Vortrag kostet im Schnitt EUR 500 bis 1.000.“
Sensible Führungskräfte. Die Umsetzung scheitert, wenn die Verhältnisse im Unternehmen nicht zu den Angeboten passen. „Etwa wenn ich schief angesehen werde, weil ich mich zum Burnout-Prophylaxe-Kurs anmelde“, nennt Kaiser ein Beispiel. Wichtig ist auch, dass es eine Sensibilisierung seitens der Führungskräfte hinsichtlich psychischer Belastungen am Arbeitsplatz gibt. „Wenn das betriebliche Gesundheitsmanagement keinen fest verankerten Platz mit einem Gesicht dazu im Unternehmen bekommt, scheitern die Maßnahmen.“ Die Expertin empfiehlt, nicht zu viele Maßnahmen auf einmal in Angriff zu nehmen, Geduld bei der Implementierung mitzubringen und die Mitarbeiter in die Entwicklung der Maßnahmen miteinzubeziehen. „Es braucht eine nachdrückliche Kommunikation der Maßnahmen und ein Commitment der Führungskräfte.“
Die Vorteile liegen jedenfalls auf der Hand. Ganz oben auf der Plusseite steht die Motivation der Mitarbeiter. „Für die ist es ausgesprochen wertschätzend, wenn sie wissen, dass sich ihr Arbeitgeber mit ihrem individuellen Wohlbefinden am Arbeitsplatz auseinandersetzt. Krankenstände und Fluktuation sinken“, sagt Sabine Schneider. Sie bietet für Unternehmen auch Online-Coaching an. Mitarbeiter können sich hier unabhängig von Raum und Zeit (und ohne beispielsweise den Arbeitsplatz verlassen zu müssen) beraten lassen. „Der Coach begleitet hier auf die idente Art und Weise wie in einem herkömmlichen Coaching. Nur eben in Schriftform.“
Rechnen tun sich viele Maßnahmen auch steuerlich. „Bestimmte Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsvorsorge, die der Arbeitgeber kostenlos oder verbilligt anbietet, werden als steuerfrei angesehen“, sagt Steuerberater Bernhard Geiger von der Deloitte Tax Wirtschaftsprüfungs GmbH. Dazu zählen beispielsweise Gesundheitsförderungsmaßnahmen und präventive Leistungen sowie Impfungen. Voraussetzung für die Befreiung ist, dass die Maßnahmen vom Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst sind. Auch dürfen die Maßnahmen nur von qualifizierten Personen (Ärzten, Ernährungswissenschaftlern etc.) durchgeführt werden.
Werden die Kosten für eine Zeckenimpfungen vom Arbeitgeber getragen, sind diese steuerfrei, ebenso Beratungen betreffend Anleitung zur Ernährungsumstellung oder Raucherentwöhnungsprogramme. Nicht steuerfrei sind Barleistungen an Dienstnehmer, Beiträge für Fitnesscenter, Kosten für Nahrungsergänzungsmittel oder auch Kochkurse.
„Es gibt einige große Unternehmen, die äußerst vorbildlich agieren und sogar eigene Gesundheitsmanager beschäftigen, insgesamt betrachtet steckt die Entwicklung rund um innerbetriebliches Gesundheitswesen noch eher in den Kinderschuhen.“
Autor: Theresa Berger
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