Infolge der Pandemie und der Ukraine-Krise sind die Rohstoffpreise gestiegen. Zur Reduzierung internationaler Abhängigkeiten sind heimische Vorkommen und lokale Investitionen notwendig, um die langfristige Versorgung zu sichern.
Text: Stephan Scoppetta
Nickel, Kobalt, Lithium – diese Metalle sind essenziell für Österreichs Zukunft. Ebenso spielen Agrarrohstoffe wie Weizen und Mais eine zentrale Rolle. Jährlich benötigt das Land tausende Tonnen dieser Materialien für die Versorgung der heimischen Unternehmen sowie zur Sicherung der Lebensmittelversorgung. Doch nach den herausfordernden Jahren der Pandemie und der gegenwärtigen Ukraine-Krise stellt sich die Frage: Hat sich die Rohstoffversorgung inzwischen entspannt, oder spitzt sich die Lage weiter zu?
Stabile Öl- und gesunkene Gaspreise.
Die Rohstoffmärkte haben sich in den vergangenen Jahren sehr unterschiedlich entwickelt, und eine pauschale Antwort ist schwer zu geben. Bernhard Haas, Fondsmanager des Erste Stock Commodities, erklärt: „Beim Ölpreis ist die Situation recht stabil, wir sind seit knapp zwei Jahren in einem Band von 70 bis 85 US-Dollar pro Barrel, und das dürfte, sofern keine geopolitischen Probleme auftreten, auch weiterhin so bleiben.“ Im Gegensatz dazu ist der Gaspreis nach dem massiven Anstieg im Jahr 2022 wieder deutlich zurückgegangen. Dies ist auf eine niedrigere Nachfrage, schnelle Reaktionen wie den Bau von LNG-Terminals in Deutschland und die zuletzt warmen Winter zurückzuführen. „Damit wäre zwar ein sehr kalter Winter noch immer problematisch, aber abseits dessen ist Europa hier deutlich besser aufgestellt als zu Beginn des Krieges“, so Haas.
Herausforderungen bei Metallen für die grüne Wende.
Die Nachfrage nach Metallen wie Nickel, Kobalt und Lithium steigt stetig, und ihre Beschaffung wird zunehmend schwierig. Lieferengpässe, geopolitische Spannungen und steigende Preise stellen die österreichische Wirtschaft vor immense Herausforderungen. Haas merkt an: „Industriemetalle sind hauptsächlich von China als mit Abstand größtem Verbraucher abhängig. Hier waren die Marktteilnehmer in den letzten Monaten recht skeptisch aufgrund schwächerer Konjunkturdaten. In den letzten Wochen kam aufgrund von möglichen Stimuluspaketen wieder etwas Optimismus in den Markt.“ Er betont zudem, dass Rohstoffe wie Lithium, die für die Produktion von Batterien und E-Fahrzeugen und besonders für die grüne Wende wichtig sind, nicht per se knapp sind. „Hier gab es die Angst vor möglichen Engpässen, diese sind aber gänzlich verschwunden“, wie Haas weiter ausführt. Neben der generell etwas schwächeren Nachfrage nach Elektrofahrzeugen dürften die mit der Sorge einhergehenden Preisanstiege dazu geführt haben, dass neue Projekte gestartet wurden. Haas: „Es steht grundsätzlich aber mehr die Frage im Raum, wie sozial und umweltverträglich der nach wie vor problematische Abbau ist.“
Agrarrohstoffe: Verfügbarkeit und Preissteigerungen.
Unter Druck ist in den vergangenen Jahren besonders die österreichische Lebensmittelindustrie geraten. Gerald Hackl, Vorstandsvorsitzender der Vivatis Holding AG, erklärt: „Die Preise für Erdöl, Erdgas, Strom und Treibstoff erreichten mit dem russischen Einmarsch neue Höchststände. Dass sich das mit den mitunter sehr energieintensiven Prozessen in der Lebensmittelindustrie – von der Verarbeitung der Rohstoffe bis zum Kühlen fertiger Produkte –, die den Einsatz von Gas in hohem Maße erforderlich machen, nur schwer vereinbaren ließ, liegt auf der Hand.“ Auch bei Agrarrohstoffen wie Weizen, Mais, Gerste, Raps, Sonnenblumen und Obst spürte Vivatis die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs. Hackl betont: „Vor allem Raps und Sonnenblumen, die wir in unseren Tochterunternehmen zur Herstellung der hochwertigen Produkte benötigen, waren teuer wie nie zuvor. Bei einer Menge von 5.000 Tonnen Sonnenblumen pro Jahr geht es dabei um sehr viel.“ Während die Verfügbarkeit von Agrarrohstoffen in Österreich derzeit gut ist, haben sich die Preise deutlich verteuert. Hackl: „Die hohen Kosten beschäftigen uns nach wie vor in einem sehr großen Ausmaß. Wir liegen in Summe noch immer mehr als 30 % über dem Vorkrisenniveau 2019, das sind mehr als 150 Millionen Euro Mehrkosten im Jahr 2023. Die wesentlichsten Kostentreiber sind hier Energie, Stickstoff, Transportkosten, Schweinefleisch, Rindfleisch, Milch, Butter, Ei und einige Feldfrüchte. Für das Jahr 2024 rechnen wir nochmalig mit Mehrkosten im Ausmaß von über 50 Millionen Euro, was auch auf die deutlich höheren Lohn- und Gehaltskosten zurückzuführen ist.“
Lokale Lösungen für globale Probleme stoßen auf Gegenwind.
Die Betriebe müssen sich breiter aufstellen, um nicht nur von einem Lieferanten abhängig zu sein. Local-to-Local ist die dominierende Strategie der Betriebe.
Um die Importabhängigkeit zu reduzieren, plant die österreichische Regierung verstärkte Erkundungen heimischer Rohstoffvorkommen. Finanzminister Brunner hat für die nächsten zwei Jahre zehn Millionen Euro für die Exploration budgetiert. Auch die EU setzt mit dem Critical Raw Materials Act (CRMA) auf eine Verringerung der Abhängigkeit von Drittstaaten auf maximal 65 % bis 2030 und die Produktion von 10 % des jährlichen Bedarfs innerhalb der EU. Brunner fordert zudem die Aufnahme kritischer Rohstoffe in die Taxonomie-Verordnung, um ökologische Investitionen zu fördern. Trotz der komplexen Rohstoffsituation können Unternehmen durch gezielte Maßnahmen ihre Risiken minimieren und die Versorgungssicherheit gewährleisten. Die grüne Transformation bleibt dabei ein treibender Faktor, der die Nachfrage nach wichtigen Rohstoffen hoch hält und neue Beschaffungs- und Verarbeitungswege erfordert. Für die heimische Industrie wäre das besonders wichtig. Joachim Haindl-Grutsch, Geschäftsführer der Industriellenvereinigung Oberösterreich, betont: „Die grüne Transformation benötigt enorme Mengen an Rohstoffen, und damit steigt unsere Abhängigkeit von China massiv. Die Betriebe müssen sich breiter aufstellen, um nicht nur von einem Lieferanten abhängig zu sein. Local-to-Local ist die dominierende Strategie der Betriebe.“ Der Abbau heimischer Rohstoffe wäre für die Industrie spannend, wird aber von großen Widerständen begleitet. Haindl-Grutsch: „Das Projekt Gasförderung in Molln zeigt deutlich, dass die ‚Not in my backyard‘-Mentalität weit verbreitet ist. Langfristig besteht die Gefahr, dass wir die Grundstoffindustrie und damit den Beginn der Wertschöpfungsketten verlieren.“
Zukunftsaussichten und notwendige Maßnahmen.
Insgesamt ist die Lage aktuell ziemlich stabil. Dementsprechend halten sich die Probleme in Grenzen. Haas dazu: „Wir sehen aber einen stärkeren Trend in Richtung kürzere und damit weniger komplexe Lieferketten, wo dies möglich ist.“ Doch die Entwicklungen der vergangenen Jahre haben zu einem Umdenken bei den Unternehmen geführt. „Viele Rohstoffe können durch Hedging markttechnisch abgesichert werden. Traditionell ist nach volatilen Phasen eine deutlich höhere Bereitschaft der Unternehmen gegeben, diese Instrumente zu nutzen“, so Haas. Bei den Agrarrohstoffen braucht es aber dringend politische Maßnahmen. Hackl fordert mehr Förderung für die regionale Agrarwertschöpfung und eine Kennzeichnungspflicht für alle Lebensmittel, die auch die Herkunft berücksichtigt: „Dies würde dazu führen, dass die lokalen Produkte bzw. Bioprodukte einen höheren Stellenwert bekommen. Außerdem muss verhindert werden, dass wir mit Billigprodukten aus dem Ausland überflutet werden, die von unserem Niveau hinsichtlich Umweltvorgaben und sozialer Kriterien (Entlohnung) meilenweit entfernt sind.“ Zudem braucht es dringend politische Unterstützung, um die Verwaltungskosten für die Betriebe zu reduzieren. Hackl: „Gesetze, Verordnungen bzw. die Bürokratie ganz generell müssen reduziert werden – insbesondere Berichtspflichten und Dokumentationsaufwendungen etwa beim Lieferkettengesetz oder der Entwaldungsrichtlinie.“
Aus dem Magazin forum.ksv - Ausgabe 02/2024.