Qualität statt Preiskampf

Mit der Anfang März in Kraft getretenen Novelle des Bundesvergabegesetzes sollen Lohn- und Sozialdumping bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bekämpft und die heimische Wirtschaft gestärkt werden. Eine Schlüsselrolle spielt dabei das Bestbieterprinzip.


Transparenz bei der Vergabe von Aufträgen sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Weil aber immer wieder Zweifel an der Sauberkeit von Auftragsvergaben auftauchen – naturgemäß meist bei den unterlegenen Anbietern –, müssen nicht selten die Gerichte über den nachvollziehbaren Ablauf einer Ausschreibung entscheiden. Besondere Objektivität und Transparenz erwartet man sich bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, geht es hier doch um Steuergeld. Daneben sind auch Lohn- und Sozialdumping immer wieder gehörte Kritikpunkte an der gelebten Praxis. Insbesondere die Weitergabe von Aufträgen an Subunternehmen führt oft zu dubiosen Lieferantenketten, an deren Ende billige Arbeitskräfte aus dem Ausland stehen. Arbeitsrecht und Qualität bleiben dabei ebenso auf der Strecke wie heimische Unternehmen, die zu diesen Bedingungen nicht anbieten können.
 
Bedingungen definiert. Solche Missstände will die Novelle des Bundesvergabegesetzes (BVergG) abstellen, die seit 1. März 2016 in Kraft ist. Sie sieht beispielsweise vor, dass öffentliche Auftraggeber „Kernleistungen“ definieren können, die vom Auftragnehmer selbst erfüllt werden müssen, also nicht ausgelagert werden dürfen. Auch müssen Subunternehmer im Angebot explizit angeführt werden, über nachträgliche Änderungen muss der Auftraggeber informiert werden. Ein zentraler Bestandteil der Novelle ist zudem eine Stärkung des sogenannten Bestbieterprinzips. Darunter versteht man das Gebot, als öffentlicher Auftraggeber nicht den preislich billigsten Anbieter auszuwählen, sondern neben dem Preis noch weitere Kriterien bei der Auswahl zu berücksichtigen. Genau genommen war das Bestbieterprinzip schon vor der Novelle als erste Wahl „vorgesehen“, doch in der Praxis kam häufig sein direkter Rivale, das Billigstbieterprinzip, zur Anwendung. In der aktuellen Fassung des BVergG sind (unter Paragraf 79, Absatz 3) nun mehrere Bedingungen explizit definiert, unter denen das Bestbieterprinzip angewandt werden muss. Etwa für „geistige Dienstleistungen“ oder für die Beschaffung bestimmter Lebensmittel wie Milch, Butter oder Eier. Aber auch – und dies hat wohl besondere Relevanz – für Bauaufträge mit einem Volumen von mehr als EUR 1 Mio. Denn gerade die heimische Baubranche leidet stark unter der Konkurrenz von dubiosen Billiganbietern.
 
Kriterienkatalog als Hilfestellung. Die Idee hinter dem Bestbieterprinzip ist klar: Angebote sollen objektiv vergleichbar werden, indem man sie an expliziten Details der Ausschreibung messbar macht. Konkret bedeutet das, dass in der Ausschreibung außer dem Preis zumindest ein weiteres entscheidungsrelevantes Kriterium genannt werden muss. Welches Kriterium das ist bzw. welche Kriterien das sind, bleibt dem Auftraggeber überlassen. Ebenso, wie die Kriterien in Relation zueinander gewichtet werden. Dies nährt Zweifel, ob durch entsprechend formulierte Kriterien nicht bestimmte Anbieter bevorzugt werden können und so die neu gewonnene Transparenz durch die Hintertür wieder verloren geht. Verpflichtende Kriterienkataloge werde es jedenfalls nicht geben, wie Ende April der damals noch zuständige Minister Josef Ostermayer in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage erklärte. Auftraggeber seien also bei der Ausgestaltung ihrer Ausschreibungen auf sich alleine gestellt, bemängeln Kritiker. Deshalb hat die aus mehreren Fachgewerkschaften, Bundesinnungen und Fachverbänden bestehende Sozialpartner-Initiative „Faire Vergaben“ kürzlich einen „Bestbieterkatalog“ veröffentlicht. Er empfiehlt acht wirtschaftliche, drei soziale sowie zwei ökologische Vergabekriterien, die sich als Hilfestellung für öffentliche Auftraggeber verstehen (siehe Kasten im Heft forum.ksv - Seite 9).
 
Erhöhter Aufwand. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die sogenannte Schwellengrenze von EUR 1 Mio. Liegt der Auftragswert darunter, kommt das Bestbieterprinzip nicht zum Tragen. Die Idee des Gesetzgebers war es, für solche „kleinen“ Aufträge den Auftraggebern unbürokratisch die Möglichkeit zu geben, regionale Betriebe zu beauftragen. Doch gerade in diesem moderaten Volumensbereich, so meinen manche Branchenvertreter, seien viele kleine heimische Unternehmen tätig, die sich so nach wie vor mit einem Preiskampf konfrontiert sehen, den sie nicht gewinnen können. Die Schwellengrenze sei deshalb entweder zu hoch angesetzt oder müsse völlig fallen. Ausschreibungen nach dem Bestbieterprinzip dürften jedenfalls den organisatorischen Aufwand erhöhen. Sowohl jenen der ausschreibenden Seite wie auch jenen der Unternehmen. Letztere müssen künftig überzeugend darlegen, dass sie die in der Ausschreibung genannten Kriterien erfüllen. Das bindet Manpower, immerhin ist es eher die Regel als eine Seltenheit, dass es mehrere Monate dauert, ein Angebot zu erstellen. Auf der anderen Seite ist das Risiko für die Unternehmen nun besser kalkulierbar. Man kennt die eigenen Schwächen und Stärken. Man weiß, welche Kriterien man problemlos erfüllen kann und welche schwierig werden könnten. Ob das Bestbieterprinzip (und mit ihm die übrigen Bestimmungen der BVergG-Novelle) die gewünschten Effekte bringen wird, kann sich erst weisen, wenn eine hinreichende Anzahl an Ausschreibungen erfolgt ist. Aber schon jetzt wünschen sich einige Branchen, das Bestbieterprinzip auch für sie einzuführen. Die Dienstleistungs- und Verkehrsgewerkschaft vida beispielsweise fordert, es auf den öffentlichen Verkehr auszudehnen. Auch der Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI) sprach sich unlängst dafür aus. Wohlgemerkt: Experten gehen davon aus, dass wahrscheinlich auch in Zukunft der Preis das wichtigste Vergabekriterium bleiben wird. Das einzige ist es aber nicht mehr.

Text: Raimund Lang

Diesen und andere spannende Artikel finden Sie in der Ausgabe forum.ksv 4/2016.