Kurz nach Beginn der Corona-Krise traten erste Lieferkettenunterbrechungen auf, womit die Gefahr von Lieferausfällen anstieg. Die Rückkehr zur wirtschaftlichen Normalität sollte die Situation jedoch nicht entschärfen – ganz im Gegenteil. Um das Risiko von Lieferantenausfällen zu minimieren, vertraut Wien Energie nun auf eine Lösung, die von KSV1870 und Prewave entwickelt wurde.
Text: Markus Hinterberger
Ein Containerschiff namens „Ever Given“ stellt sich quer und sperrt den Suezkanal. Knapp eine Woche ging nichts mehr. Wer an Lieferkettenprobleme denkt, hat zumeist dieses Szenario vom März 2021 im Kopf. Doch das ist nur eine von vielen Unterbrechungen, mit gravierenden Auswirkungen für die Wirtschaft. Schwierigkeiten in Lieferketten sind ein globales Problem und beschäftigen Unternehmen weltweit. Das bestätigt auch die „Global Risk Management Survey 2023“ des Beratungs- und Dienstleistungsunternehmens Aon, an der im Vorjahr 3.000 Entscheidungsträger aus 61 Ländern teilgenommen haben. Demnach belegt das „Risiko in Lieferketten- und Vertriebsausfälle“ den sechsten Platz – das ist der höchste Rang seit 14 Jahren. Zudem zeigt diese Studie auch, dass zwischen Risikowahrnehmung und Vorbereitung häufig eine Lücke klafft. Denn nicht einmal 40 % der Unternehmen haben die Widerstandsfähigkeit ihrer Lieferanten bewertet. Und lediglich jeder fünfte Betrieb hat seine Lieferantenbasis so weit diversifiziert, dass sich das Risiko von Lieferkettenengpässen oder Vertriebsausfällen reduziert.
Mehr Resilienz in schwierigen Zeiten.
Bereits in dieser frühen Phase der Pandemie hat sich generell gezeigt, wie fragil vor allem internationale Lieferketten sind.
Zuerst hat die Corona-Krise zu groben Verwerfungen in Lieferketten geführt, dann der Krieg zwischen Russland und der Ukraine, später führten Preissteigerungen und eine hohe Inflation zu wirtschaftlich schwierigen Rahmenbedingungen. Für Lukas Glück, Logistikexperte der Wien Energie GmbH, war der Zeitpunkt gekommen, das Lieferkettenmonitoring des Energiekonzerns zu verstärken, um das Ausfallrisiko trotz steigender internationaler Krisen weiter zu reduzieren: „Bereits in dieser frühen Phase der Pandemie hat sich generell gezeigt, wie fragil vor allem internationale Lieferketten sind. Dadurch wurde es notwendig, die Gefahr von finanziellen Ausfällen weiter zu reduzieren. Gleichzeitig wollten wir aber auch sicherstellen, rechtzeitig reagieren zu können, sollte es trotz aller Vorkehrungen dennoch zu Ausfällen kommen.“
Zusammenarbeit mit langjährigen Partnern.
Um möglichst breit aufgestellt zu sein, setzt Wien Energie sowohl auf das KSV1870 Bonitätsmonitoring als auch auf die Riskmanagement-Expertise von Prewave. „Die oberste Prämisse für uns war, mehr Übersicht, Transparenz und damit ein noch höheres Maß an Resilienz in unsere Lieferketten zu bekommen. Gleichzeitig sollten aber auch finanzielle Risiken und Sorgfaltspflichten entsprechend unserem Geschäftspartnerkodex abgedeckt werden. Und es war uns wichtig, mögliche Insolvenzrisiken unserer Geschäftspartner frühzeitig zu erkennen“, so Glück. Wenn es darum geht, rasch eine Lösung zu finden, hilft es, langjährige Partner an seiner Seite zu haben: „Die Geschäftsbeziehung zwischen Wien Energie und uns besteht bereits seit Jahrzehnten. Wir setzen uns somit regelmäßig damit auseinander, wie wir Wien Energie dabei unterstützen können, ihr Geschäftsrisiko zu reduzieren“, so Silvia Wiedeck, KSV1870 Vertriebsexpertin.
Synergien nutzen.
Nachdem sich Wien Energie, Prewave und KSV1870 aus vergangenen Projekten bereits kannten, war es naheliegend, sich an einen Tisch zu setzen und nach einer praktikablen Lösung im Bereich des Lieferkettenmonitorings zu suchen. „Unser Ziel war es, eine zukunftsfitte Plattform zu kreieren, in der beide Welten so miteinander verknüpft werden, dass Wien Energie ohne Medienbruch und auf einen Blick erkennen kann, was sich bei ihren Lieferanten tut“, erklärt Stefan Schweiger von Prewave. Es sollte einerseits möglich sein, die Ausfallwahrscheinlichkeit von Geschäftspartnern auf Basis objektiver Bonitätsdaten zu erheben, gleichzeitig brauchte es andererseits ein individuelles Risikomonitoring, das Faktoren wie Produktionsunterbrechungen oder Streiks deutlich macht. Um Letzteres kümmert sich Prewave. Das Unternehmen ist darauf spezialisiert, anhand von 150 Risikokategorien ein datenbasiertes Realtime-Monitoring zu gestalten, das auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmt ist.
Frühzeitiges Erkennen von Veränderungen.
„Unsicherheit ist ein schlechter Treiber für die Wirtschaft. Für uns ist somit der ganzheitliche, tagesaktuelle Blick auf Geschäftspartner entscheidend. Dabei spielen Umsatzentwicklung oder die Entwicklung der Mitarbeiterzahl eine ebenso wichtige Rolle wie etwa das Risiko einer Insolvenz“, so Christoph Kochauf, Head of Procurement & Logistics bei der Wien Energie GmbH. Und er ergänzt: „Die Verbindung dieser beiden objektiven Datenwelten von KSV1870 und Prewave liefert uns eine gute Basis für ein antizipatives, präventives Risikomanagement in der Beschaffung. Damit können wir nicht nur unsere jährlich rund 3.000 direkten Geschäftspartner jederzeit genau unter die Lupe nehmen, sondern haben auch im Ernstfall die Möglichkeit, rechtzeitig Vorkehrungen zu treffen.“ Zudem bietet die geschaffene Plattform den Vorteil, dass zukünftige Anforderungen im Bereich des Risikomanagements problemlos integriert werden können.
Herausforderungen werden nicht weniger.
Eines hat sich zuletzt deutlich gezeigt: „Die Aufgaben, mit denen sich Unternehmen beschäftigen müssen, sind so vielfältig wie selten zuvor. Daran wird sich angesichts neuer Regulatorien wie etwa des EU-Lieferkettengesetzes oder der EU-NIS2-Richtlinie im Bereich Cybersecurity und einer weiterhin schwierigen Kostensituation nicht so schnell etwas ändern“, so Wiedeck. „Umso wichtiger ist es, auf vertrauenswürdige Quellen und Partner zu setzen, die Informationen prüfen, hinterfragen und Fakenews von korrekten Inhalten unterscheiden“, ergänzt Schweiger abschließend.
Aus dem KSV1870 Magazin forum.ksv - Ausgabe 1/2024.