Wien, 26.06.2020 – Mit heute endet die Begutachtungsfrist für das Konjunkturstärkungsgesetz des Finanzministeriums, das in Folge von Covid-19 eine Reihe von „Steuerzuckerln“ bringen soll. Darin verbirgt sich jedoch – von vielen Insidern unentdeckt – ein Versuch des Finanzministers, die Insolvenzanfechtung durch Insolvenzverwalter für bereits gezahlte Steuern auszuhebeln. Der KSV1870 warnt eindringlich davor, dieser sachlich nicht begründeten Begehrlichkeit und Bevorteilung der Finanz nachzukommen.
„Vielleicht hat der Finanzminister ja nicht mit unserer Aufmerksamkeit gerechnet. Das ist auch nicht das erste Mal, dass so ein Versuch gestartet wird, und bisher konnte der KSV1870 dies mit vereinten Kräften immer im Keim ersticken. Auch dieses Mal muss das gelingen“, so MMag. Karl-Heinz Götze, MBA, Leiter Insolvenz des Kreditschutzverbandes von 1870.
Die Insolvenzanfechtung als wichtiges Steuerungsinstrument:
Wenn Unternehmen insolvent werden, dann sind alle Gläubiger daran interessiert (entgegen dem Gleichbehandlungsgebot im Insolvenzrecht), noch rasch seine eigenen Schäflein ins Trockene zu bringen. Die Rechtsordnung (Insolvenzordnung) möchte aber verhindern, dass aus schon insolventen Unternehmen die letzten „Gustostückerln“ herausgerissen und von einzelnen Gläubigern zu Geld gemacht werden. Wenn dies entgegen dem klaren Willen des Gesetzes jedoch einmal passiert, dann hat der Insolvenzverwalter mit der Anfechtung ein Instrument in der Hand, mit dem der Vermögensgegenstand oder die Zahlung wieder zurückgeholt werden kann. Das ist einerseits gut für die anderen Gläubiger, aber andererseits auch eine Abschreckung gegen solch eine Vorgehensweise. Und nicht zuletzt veranlasst es Gläubiger, einen Insolvenzantrag zu stellen.
Finanzämter und Gesundheitskassen: die Gegner der Anfechtung
Finanzämter und Gesundheitskassen verstehen die aktuelle Finanzlage eines Unternehmens neben den Banken von allen Marktteilnehmern am besten. Sie sind professionelle Gläubiger und versuchen immer, die Einbringlichkeit zu optimieren. Bis zum Eintritt der Insolvenz ist das auch gut - danach eben anfechtbar. Daher finden sich nicht nur Banken, sondern auch Finanz und Gesundheitskassen zuweilen als Anfechtungsgegner der Insolvenzverwalter und freuen sich nicht darüber. Und so darf es nicht verwundern, dass es immer wieder Versuche gibt - oft recht versteckte sogar - eine Ausnahme von der Anfechtung zu erlangen. In Österreich zuletzt in 2005, in Deutschland in 2005 und 2015. Diese Anläufe sind bisher gescheitert; jetzt stehen wir wieder vor so einem.
Achtung vor vermeintlichen Geschenken
Was wie ein Sack voller „Steuerzuckerln“ wirkt - nämlich das Konjunkturstärkungsgesetz (Senkung des Eingangssteuersatzes der Einkommensteuer, schnellere Abschreibungsmöglichkeiten, Rücktragsfähigkeit von Verlusten, Stundungsmöglichkeiten von Steuern) – enthält an ganz verborgener Stelle eine unwiderlegliche Vermutung für die Zukunft, dass die Finanz die Insolvenz des Schuldners weder kannte noch kennen musste.
Diese Bestimmung soll für sämtliche Zahlungen von Steuerschuldnern von März 2020 bis März 2022 gelten und hat schon alleine dadurch klar erkennbar keinerlei Corona-Bezug. Es muss damit gerechnet werden, dass diese Bestimmung verlängert wird (wann wurde je eine Steuer abgeschafft?), und dass die Finanzämter statt Konkursanträge gegen erkennbar Insolvente zu stellen, einfach weiter über deren Vermögen Exekution führen werden. Denn sie werden das in Zukunft straflos (anfechtungslos) tun können. Das schadet der Wirtschaft, das schadet den insolventen Unternehmen und es schadet den anderen Gläubigern in der Insolvenz. „Wenn also die Republik Österreich einen Beitrag leisten möchte zur Überwindung von Corona, dann durch gesetzmäßigen Verzicht in Sanierungsverfahren willkürlich einzugreifen und nicht durch rücksichtsloses und sanktionsloses Vorgehen gegen Steuerschuldner“, so Götze.