Einlagensicherung, Einlegerbegriff und Treuhandschaft

Durch die Einlagensicherung gedeckt sind erstattungsfähige Einlagen pro Einleger bis zu einer Höhe von 100.000 Euro, darüber hinaus Einlagen in bestimmten Fällen. Das System der Einlagensicherung stellt grundsätzlich auf den Einleger und die ihm als dem Inhaber zugeordneten Einlagen ab. Dabei gilt die (allgemeine) Haftungsobergrenze von 100.000 Euro für die Gesamtheit der Einlagen eines Einlegers. Bei offengelegten Treuhandkonten gilt der Treugeber als Einleger; ist seine Identität dem Mitgliedsinstitut unter anderem aufgrund bundesgesetzlicher Bestimmungen, die von einer sofortigen Offenlegung absehen, nicht bekannt, kann der Treugeber seinen Anspruch gegenüber der Sicherungseinrichtung nachweisen. Bei Vorhandensein mehrerer Treugeber ist eine auf den einzelnen Einleger, nicht auf die Einlage abstellende Betrachtung anzuwenden. Es steht für jeden Treugeber die Haftungshöchstsumme zur Verfügung. Die einem Treugeber aus einem Treuhandkonto anteilsmäßig zuzurechnende Einlage fließt daher für jeden Treugeber einzeln in die Berechnung der Gesamtsumme seiner erstattungsfähigen Einlagen ein.

Der Kauf einer Immobilie unter Einschaltung eines Treuhänders führt dazu, dass Käufer und Verkäufer Treugeber sein können, die als Einleger gelten. Bei der (im Anlassfall gegebenen) üblichen Ausgestaltung der Rechtsposition eines Treuhänders zu den Kaufvertragsparteien eines Liegenschaftskaufvertrags ist eine mehrseitige Treuhand anzunehmen (zB 4 Ob 84/98h; 1 Ob 119/01h). Die Behandlung beider Vertragspartner als Treugeber entspricht der Zuordnung der Gefahr des zufälligen Verlusts des Treuguts, wenn ihnen (wie im Anlassfall) zum Zeitpunkt des Eintritts des Sicherungsfalls weder ein Auszahlungsanspruch noch ein Rückzahlungsanspruch zustand. Der zufällige Verlust des Kaufpreises war von beiden Vertragsparteien gleichteilig zu tragen, daher ist die Einlage bei ihnen gleichteilig, also je zur Hälfte, zu berücksichtigen. Es ist also nicht nur der Käufer bzw diejenige Person als Treugeber anzusehen, die den Kaufpreis auf das Treuhandkonto einzahlte.

Da jedem Einleger ein eigener gesetzlicher Anspruch gegen die Einlagensicherungseinrichtung zusteht, vermag der Umstand, dass beide Vertragspartner als Treugeber zu qualifizieren sind, weder ein Gesamthandschuldverhältnis noch ein Solidarschuldverhältnis zu begründen. Es ist die Gesamtheit der Einlagen jedes Vertragspartners einzeln zu berücksichtigen.

 

ZIK 2024/72
RL 2014/49/EU (DGSD): Art 6, 7 
ESAEG: §§ 7, 10, 11, 12 
RAO: § 9a 
OGH 18.4.2023, 6 Ob 139/22t 

 

Aus dem Magazin forum.ksv - Ausgabe 03/2024.