Wie das Wissen über Finanzen die Welt gerechter machen kann.
Gastbeitrag von Walter Emberger, Gründer der Bildungsorganisation Teach For Austria
Vor einem Jahrzehnt gab es eine weltweite Wirtschaftskrise, die durch Finanzprodukte hervorgerufen wurde. Hätten damals mehr Leute eine grundlegende Finanzbildung gehabt und sich nicht auf „Experten“ verlassen müssen, wäre uns allen einiges erspart geblieben. Ein Basiswissen über Finanzen beeinflusst nicht nur die Wirtschaft, es fördert auch die Chancengleichheit. Gemeint ist das Wissen über “Basics”, zum Beispiel, dass junge Menschen beim Abschluss eines Handyvertrags die entstehenden Kosten und die damit verbundenen Folgen einschätzen lernen. In keinem EU-Land wird Bildung - und damit auch Finanzbildung - so stark „vererbt“ wie in Österreich. Teach For Austria setzt sich daher seit 2011 dafür ein, dass Bildung kein Privileg mehr sein soll. Die Bildungsorganisation bringt Hochschulabsolventen in sozial belastete Kindergärten, Mittelschulen und Polytechnische Schulen, wo sie - als Lehrer für zwei Jahre - mit vollem Einsatz versuchen, Bildungswege positiv zu beeinflussen.
Finanzbildung in Pflichtschulen
Die Schule sollte die Nachteile der sozial Schwächeren kompensieren und junge Menschen auf das Leben vorbereiten. Im Leben spielt Geld eine wesentliche Rolle, ob man das nun gut heißt oder nicht, Finanzbildung gehört an unsere Pflichtschulen. Aber wie sieht es derzeit aus: Kompensiert die Schule? Nein. Bis zu einem Drittel unserer 15-jährigen kann nicht sinnerfassend lesen, rechtschreiben oder einfachste Rechnungen ausführen. Bereitet die Schule auf das Leben vor? Ja. Den Großteil der jungen Menschen schon, allerdings oftmals mit starker Unterstützung der Eltern. Was passiert mit jenen Schülern, deren Eltern keine "Vorwissenschaftlichen Arbeiten" schreiben können oder beide ganztags arbeiten? Und ist Wirtschafts- und Finanzbildung eine Vorbereitung fürs Leben? Wenn ja, warum wird das dann nur in kaufmännischen Schulen nach der Pflichtschulzeit unterrichtet? Einem glücklichen Zeitfenster der Geschichte haben wir es wohl zu verdanken, dass Wirtschaft auch in Mittelschulen unterrichtet werden darf, als Erweiterung namens "Geographie und Wirtschaftskunde". Warum eigentlich „-kunde“ und nicht einfach „Wirtschaft“?
Steigende Anforderungen an Arbeitskräfte fordern das Bildungssystem
Wissenschaftler des Wirtschaftsforschungsinstituts WIFO haben schon vor mehr als einem Jahrzehnt argumentiert, dass vor dem Hintergrund steigender Anforderungen an Arbeitskräfte das Bildungssystem als Instrument zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit zunehmend an Bedeutung gewinnt. „Auf individueller Ebene sind Bildungsabschlüsse zu einem wichtigen Bestimmungsfaktor der Lebenschancen geworden und eine entscheidende biographische Weichenstellung am Übergang in den Arbeitsmarkt. Das Erstausbildungssystem ist gefordert, Basisqualifikationen zu vermitteln, den Grundstein für weiterführende Bildungsphasen zu legen ("Lernen zu lernen") und chancengerechte Rahmenbedingungen für alle Kinder und Jugendliche zu schaffen.“ (Weißbuch Bildung, WIFO, 2006)
Cost of Cool
Wenn die Schule auf das Leben vorbereiten soll, dann sollte niemand nach neun Pflichtschuljahren die Schule verlassen, ohne mit Geld umgehen zu können. Da es dabei ums Rechnen geht, passt Finanzbildung ideal in den Mathematikunterricht. Hier lassen sich leicht unzählige lebensechte Beispielrechnungen finden, die Kinder begeistern, weil das "Warum soll ich das lernen?" hier leichter nachzuvollziehen ist. Teach For Austria hat Unterrichtsmaterialien für eine Projektwoche entwickelt, die interessierte Lehrer einsetzen können. Die Module umfassen Themen wie Haushaltsrechnung, Bankwesen, Zinsrechnung, Versicherungen und "Cost of Cool": verschiedene Handyverträge werden hier durchgerechnet, oft mit für die Schüler verblüffenden Ergebnissen. Das ist erst der Anfang. Teach For Austria wird – gemeinsam mit vielen Partnern, wie dem KSV1870 - in diesem Bereich noch viel entwickeln, um bildungsbenachteiligten Kindern zu verantwortungsvollen Entscheidungen im Umgang mit Geld zu verhelfen.
Walter Emberger ist ehemaliger Fachhochschul-Professor und –Studiengangsleiter sowie Gründer der Bildungsorganisation Teach For Austria.