Schulbildung: Mehr Finanzwissen in den Unterricht

Lernen fürs Leben. Praxisorientierte Aufgaben wie der Umgang mit Geld, Steuern und Miete sollten zum Schulalltag gehören. 

Gastbeitrag von Bettina Fuhrmann 

Schulbildung: Mehr Finanzwissen in den Unterricht

Bereits vor knapp 2.000 Jahren beklagte der Philosoph Seneca, dass man in den Schulen nicht für das Leben, sondern für die Schule lerne. Zwar lerne man, gelehrt zu reden, aber beschäftige sich mit überflüssigen Problemen und mit wenig Praktischem für das echte Leben. Noch immer dient diese These als Forderung, dass sich die Schule mehr am alltäglichen Leben orientieren solle. Aus Unternehmen hört man wiederholt, dass Jugendliche viele notwendige Fähigkeiten nicht mitbringen und der Schulungsbedarf oft enorm sei. Auch die Jugendlichen selbst äußerten in Forschungsarbeiten des Instituts für Wirtschaftspädagogik an der Wirtschaftsuniversität Wien in den letzten Jahren wiederholt den Wunsch, besser auf „das Leben nach der Schule“ vorbereitet zu werden.

Bildung sollte praktisches Wissen nicht vernachlässigen.

Praxisorientierte Aufgabenstellungen sollten ein wesentlicher Bestandteil des Schulunterrichts sein. Fragt man nach, was Schüler gerne lernen würden, nennen sie sehr häufig Stichworte wie „Umgang mit Geld“ oder „Steuern und Miete“. Sie möchten Begriffe und Konzepte, von denen sie häufig in den Medien hören, verstehen, um damit verbundene zukünftige Herausforderungen meistern zu können. Zu lernen, was zum Beispiel Steuern sind, welchen Zweck deren Einhebung hat und wann Steuerpflicht entsteht, ermöglicht es etwa nicht nur, das Steuersystem und seine Bedeutung für einen Staat zu verstehen. Darüber hinaus ermöglicht dieses Verständnis politische Diskussionen mitverfolgen zu können, sich eine eigene Meinung zu bilden und Ängste abzubauen. In Interviews haben Schüler ihre Sorge zum Ausdruck gebracht, in diesem Bereich etwas falsch zu machen und deswegen ins Gefängnis zu kommen. Von mehr Wirtschaftsbildung würden daher nicht nur zukünftige Arbeitgeber profitieren, sondern in erster Linie die Schüler selbst.

Grundlagen für zukünftige Anforderungen mitgeben.

Die Herausforderungen zukünftiger Berufe lassen sich oft schwer konkretisieren. Innerbetriebliche Weiterbildung und lebenslanges Lernen wird daher in vielen Fällen nötig sein. Wichtig und möglich ist aber, den Schülern durch die Erarbeitung und Lösung von praxisorientierten Problemen die Grundlagen mitzugeben, die es ihnen ermöglichen, sich auf zukünftige Anforderungen rasch einzustellen und benötigte Kompetenzen zu erwerben.

Eine positive Einstellung zum Lernen, zur selbstständigen Auseinandersetzung mit neuen Inhalten und zur persönlichen Weiterentwicklung gehört zu diesen Grundlagen. Dazu müssen Lernende sinnerfassend lesen können und gelernt haben, ihr eigenes Lernen zu steuern. Sie müssen in der Lage sein, Gedanken geordnet zu Papier bringen und auch gut verständlich mündlich präsentieren zu können. Für viele – nicht nur akademische oder berufliche – Aufgaben braucht es auch mathematische Kenntnisse. Ein Verständnis für Zahlen und die Fähigkeit, Größenordnungen schätzen zu können. Und es braucht den kompetenten Umgang mit digitalen Medien. Die Auseinandersetzung damit ist wichtig, weil man lernen muss, sie zu nutzen und in der Informationsflut verlässliche Quellen von unseriösen unterscheiden zu können.

Alle diese Fähigkeiten kommen nicht über Nacht, sondern erfordern jahrelange Anleitung durch sehr gut ausgebildete Lehrer. Ihre Bedeutung wird daher auch im „Zeitalter der Digitalisierung“ nicht abnehmen. Sie sind unabdingbar, um die Jugendlichen an das Lernen heranzuführen, sie zu unterstützen und ihnen individuelles Feedback zu geben.

Wirtschaftsberichte, Verträge, Werbebotschaften: es gibt viel zu analysieren

Man kann und muss nicht jeder Forderung, was alles in der Schule getan werden müsse, folgen. Sollen die Lernenden aber eines Tages ein selbstbestimmtes Leben als mündiger und verantwortungsvoller Bürger führen, dann erscheint es zwingend, gegenwärtige und – soweit möglich – zukünftige Anforderungen und Problemstellungen des Alltags in den Blick zu nehmen.

Nicht nur Essays oder Gedichte kann man sinnerfassend lesen, überzeugend präsentieren, analysieren oder kritisch hinterfragen, sondern auch Verträge, Gesetzestexte, Einverständniserklärungen und Zeitungsberichte zur politischen oder wirtschaftlichen Entwicklung. So kann man wichtige Bildungsziele erreichen und darüber hinaus die Forderung nach Praxisorientierung und Lebensweltbezug erfüllen.

 

Univ.-Prof. Dr. Bettina Greimel-Fuhrmann ist Leiterin des Instituts für Wirtschaftspädagogik an der Wirtschaftsuniversität Wien. Ihre Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte umfassen die Bereiche Wirtschaftsbildung mit dem Schwerpunkt Finanzbildung, Unterrichtsforschung sowie Unterrichtsmethoden, Kompetenzmessung und Kompetenzentwicklung.