Nicht allen im gleichen Ausmaß, wie unser aktueller Austrian Business Check belegt. Ein hartes Kostenmanagement ist keine Strategie für die Ewigkeit, es braucht Konzepte für die Zukunft. So dringend wie lange nicht.
Die Unternehmen sind angespannt und kämpfen an mehreren Fronten. So würde ich die wirtschaftliche Situation in Österreich aktuell beschreiben. Das Resultat: Die Geschäftslage wird laut KSV1870 Austrian-Business-Check-Umfrage nur mehr von der Hälfte der Unternehmen als sehr gut oder gut bezeichnet. Vorbei sind die Spitzenwerte von 60 Prozent oder mehr, die wir etwa im Jahr 2021 hatten. Jedoch war da auch noch keine Rede von den Kostenexplosionen, dem Anstieg der Inflation und den darauffolgenden KV-Erhöhungen „im großen Stil“. Und so kommt es, dass auch die Prognosen für das Gesamtjahr 2024 verhalten ausfallen: Quer über alle Branchen hinweg spekuliert lediglich ein Viertel der Unternehmen mit einer Geschäftslage, die sich in Richtung Jahresende verbessert. Insgesamt bleiben die Herausforderungen massiv und der Optimismus scheint zu sinken, auch wenn die Analyse nach Branchen und Sektoren teils große Unterschiede zutage fördert.
Graue Wolken über der Industrie
Ein Beispiel für unsere aktuell sehr zwiegespaltene Wirtschaftslage ist die Industrie: So zufrieden der Bereich mit der aktuellen Geschäftslage auch ist, so schaumgebremst sind die Erwartungen für das Gesamtjahr 2024. 34 Prozent rechnen mit einer Verschlechterung im Vergleich zum Jahr 2023 – der Schnitt liegt bei 23 Prozent. Nach Branchen betrachtet, erwarten nur noch der Bau und die Hersteller von Waren eine vergleichbare negative Geschäftsentwicklung. Stichwort Nachfrage: Rund die Hälfte ist aktuell zwar zufrieden und zugleich sprechen auch 23 Prozent in der Industrie von einer mangelhaften bzw. ungenügenden Nachfrage. Die Unternehmen sind entweder sehr zuversichtlich oder erwarten eine sehr negative Entwicklung - die Mitte ist unterrepräsentiert. Gefragt nach den größten Problemen in diesem Bereich werden die steigenden Produktionskosten, die geringe Auftragslage und die Energiekosten genannt.
Handel ächzt unter den Kosten
Der Handel (45 %) ist mit der aktuellen Geschäftslage im Vergleich zur Industrie, dem Gewerbe und dem Dienstleistungssektor am wenigsten zufrieden. Dieses Bild spiegeln auch die Umsätze 2023 wider. Abseits von den allgemein bekannten Strukturproblemen in diesem Bereich, scheint der Plafonds bei den Preisweitergaben an die Kunden erreicht zu sein. Dies berichten uns viele Händler, die wir im Rahmen von Recherchen für Bonitätsauskünfte regelmäßig kontaktieren. Wenig überraschend nennt der Handel im Rahmen des AB-Checks die Preissteigerungen bei Lieferanten, die geringe Auftragslage und die Energiekosten als die Top-3-Probleme für die schwierige Lage. Die „Strukturprobleme“ des Handels sind mittlerweile zu einem geflügelten Wort geworden. Ich denke, dass es hier mehr Anstrengungen aller Akteure braucht, um die Rahmenbedingungen für diesen Bereich zukunftsträchtig zu gestalten.
Gute Zeiten für die Dienstleister
Sie scheinen aktuell bei vielen Kennzahlen die Nase vorne zu haben: 53 Prozent berichten, dass sich die Umsätze 2023 verbessert haben und auch für 2024 ist der Bereich hinsichtlich Umsatz und Geschäftslage vergleichsweise zuversichtlicher. Überdurchschnittlich gut unterwegs sind die Unternehmen auch, was die aktuelle Nachfrage betrifft: Mehr als die Hälfte bezeichnet sie als sehr gut oder gut, damit liegen sie ganz vorne. Die Faktoren, die für diesen Wirtschaftsbereich am schwersten zu managen sind: die Inflation, ein verschlechtertes Zahlungsverhalten und die Energiekosten. Das Gewerbe wiederum pendelt sich bei vielen abgefragten Faktoren in der goldenen Mitte ein, mit einer Ausnahmen: dem Arbeitskräftemangel. 63 Prozent der Gewerbebetriebe klagen über zu wenig Mitarbeiter. Branchenübergreifend sind es 57 Prozent. Darüber hinaus sind die Preissteigerungen der Lieferanten, die Inflation und ein verschlechtertes Zahlungsverhalten die Top-Themen.
Wachstum bleibt auf der Straße liegen
Der Arbeitskräftemangel zählt zu den bestimmenden Themen unserer Zeit und auch dieser Umfrage. Der demographische Wandel hat aber nicht nur zu einer Verknappung der Arbeitskräfte geführt, auch der Stellenwert von Arbeit hat sich verändert. Teilzeitstellen sind gefragt wie nie. Doch was bedeutet das für die Unternehmen? Meine Beobachtung: Wird ein Mitarbeiter auf seinen Wunsch für 30 Stunden eingestellt, dann wird nicht zusätzlich noch eine 10-Stunden-Kraft gesucht. Im Ergebnis wird doch mehr gearbeitet oder die Last wird auf andere umverteilt. Auch der AB-Check schlägt in diese Kerbe: Befragt nach den großen Auswirkungen des Arbeitskräftemangels nennen die Teilnehmer am häufigsten die hohen Zusatzbelastungen für die Beschäftigten. Die Unternehmen geben auch an, dass die Kosten steigen, um bestehende Mitarbeiter zu halten, dass Umsatzeinbußen unvermeidbar sind und Aufträge abgelehnt werden müssen. Weitere genannte Folgen sind die verminderte Wettbewerbsfähigkeit, Qualitätseinbußen und die sinkende Kundenzufriedenheit. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass wir Wachstum auf der Straße liegen lassen. Wenig überraschend rangiert bei den Wünschen an die Regierung die Senkung der Lohnkosten auf Platz eins.
Vorsicht bei Investitionen und Krediten
Die Bereitschaft für Investitionen ist aufgrund der gegenwärtigen Herausforderungen gering. 42 % sagen heuer „nein, danke“, 41 Prozent arbeiten nach dem Prinzip „Schauen wir mal, dann sehen wir schon“, und nur 17 Prozent wollen investieren. Bei jenen, die investieren, ist die Industrie ganz vorne dabei. Jedoch bedeutet das nicht zwangsläufig, dass die Geldschleusen innerhalb Österreichs geöffnet werden, denn der Bereich investiert gerne überregional. Ganz allgemein fließen die Investments vorrangig in die Innovation & betriebliche Weiterentwicklung sowie die Aufrechterhaltung des Betriebs. Zweiteres bezieht sich auf die Wahrung von Mindeststandards, aber auch auf Aufwendungen im Bereich der Regulatorik. Was vor einigen Jahren die DSGVO war, sind heute ESG und NIS 2 (Cybersicherheit). Hoch im Kurs in der Beraterbranche, aber in den Unternehmen verursachen diese Vorgaben Aufwände. Das bedeutet nicht, dass die Themen nicht wichtig wären, aber es geht viel Kraft in die Administration. Auch im Bereich der Kreditaufnahme wird beklagt, dass die Aufwände steigen: 78 Prozent planen 2024 keinen Kredit.
Insolvenzen: die Wende ist da
Kommen wir nun zur Frage, die sich alle stellen. Wird heuer ein Insolvenzgewitter über Österreich niedergehen? Ich würde so sagen: Vor allem im Vergleich zu den Zahlen der vergangenen Jahre ist damit durchaus zu rechnen. Schon im ersten Quartal des heurigen Jahres verzeichnen wir ein Plus von 27 Prozent - das ist ein Wachstum, das wir lange nicht gesehen haben. Ohne Zweifel ist ein enormer „Höhenunterschied“ im Vergleich zu den „Corona-Jahren“ zu sehen. Und wir gehen davon aus, dass diese Dynamik bleibt. Für heuer sind Insolvenzen zwischen 6.200 bis zu 6.500 im Bereich des Möglichen. Betrachten wir aber die vergangenen 20 Jahre, dann haben wir solche Werte durchaus schon gesehen. Die Besonderheit aktuell ist aber, dass die Zahl der Großinsolvenzen gestiegen ist. In den vergangenen zehn Jahren gab es den Trend hin zu kleineren Fällen. Geschuldet war diese Entwicklung dem Umstand, dass vor allem die größeren Betriebe ein sehr professionelles Risikomanagement eingezogen haben. Bei dem aktuellen Krisenmix gerät aber auch dieses an seine Grenzen. Zudem sehen wir wieder mehr nicht eröffnete Insolvenzverfahren. Das betrifft Unternehmen, die völlig ausgebrannt sind, sprich nicht einmal die Gerichtskosten aufbringen können. Hier geht es um 4.000 Euro. Bekräftigen darf ich an der Stelle unser ewiges Mantra: „Wer früh dran ist, schafft eher eine Sanierung. Wer zu lange wartet, dem bleibt nur der Konkurs“.
Was bleibt also zu sagen?
Aus meiner Sicht gibt es viele Ansatzpunkte für Verbesserung. Der Arbeitskräftemangel dürfte gekommen sein, um zu bleiben – hoffentlich nicht zu lange. Hier braucht es ein umfassendes Konzept für die Langstrecke. Weniger Mitarbeiter, die immer mehr leisten müssen, das ist eine toxische Mischung. Die Kosten auf Arbeit müssen bei der Lösung ein Thema sein. Es wäre auch notwendig, lange bekannte Strukturprobleme einzelner Branchen ernst zu nehmen. Auch eigenverursachte systemische Risiken wie etwa im Baubereich, der durch die KIM-Verordnung (Rückgang der Bauvorhaben) in Schieflage geraten ist, bräuchte mehr Aufmerksamkeit, ebenso wie die nur schleppend erteilten Baubewilligungen. Zudem sollte die Industrie etwas mehr im Fokus stehen, denn sie ist hierzulande von entscheidender Bedeutung. Auch die Diskussion über die Deindustrialisierung Europas könnte von den Entscheidungsträgern mehr Aufmerksamkeit bekommen. Aus meiner Sicht. Soweit ein paar Gedanken.