Mann im Anzug entsetzt über einstürzenden Jenga-Turm

Privatinsolvenz, oh je? 10 Begriffe, die Sie kennen sollten.

Wie oft in der Juristerei kommt auch die Insolvenzwelt nicht ohne Fachbegriffe aus. Wer die nachfolgenden zehn Begriffe kennt, kann vor Gericht aber mitreden.  

Autorin: Petra Wögerbauer

Was landläufig unter „Pleite“ oder auch „Privatkonkurs“ verstanden wird, nennen Experten Insolvenz. Zwar können auch Unternehmen insolvent werden, doch in diesem Artikel geht es primär um die Regulierung privater Schulden. Wenig überraschend wird das entsprechende Verfahren vom Gesetzgeber auch Schuldenregulierungsverfahren genannt. Es steht oft am Ende einer langen Phase der Verschuldung, die die betroffenen Personen aus eigener Kraft nicht mehr aus der Welt schaffen können. Es gibt mehrere Verfahrensarten, die auf dem Weg in die Schuldenfreiheit möglich sind. Für manche vielleicht verwirrend, aber auch ehemalige Selbstständige, die mit ihrem Privatvermögen haften, haben die Chance, sich über das Schuldenregulierungsverfahren zu entschulden. Denn es steht allen „natürlichen“ Personen offen, wie es heißt. 

Es ist der Anfang, nicht das Ende

Die Anmeldung der Insolvenz – zuständig ist das Bezirksgericht - mag für viele Betroffene ein schwarzer Tag sein. Aber es ist auch der erste Schritt, um große finanzielle Probleme zu lösen. Und noch wichtiger: Sie gibt den Menschen eine Perspektive und ermöglicht nach einigen Jahren einen wirtschaftlichen Neustart. Auch für die Gläubiger ist die Anmeldung eines Privatkonkurses in der Regel „positiv“. Nun erhalten Sie Zahlungen, wenn auch zumeist nicht vollumfänglich, und wissen, wie sie mit den Außenständen umgehen sollen. Das lange Warten auf Zahlungseingänge und die damit verbundene Unplanbarkeit haben ein Ende. Nachstehende Begriffsdefinitionen beziehen sich auf die jüngste Novelle, die am 17. Juli 2021 in Kraft getreten ist. Der sogenannte „Privatkonkurs“ wurde am 1995 in Österreich aus der Taufe gehoben und hat seitdem bereits zahlreiche Novellen auf dem Rücken. 

  • Insolvenzeröffnung
    Wird ein Schuldenregulierungsverfahren bei Gericht eröffnet, dann hat der Betroffene den entscheidenden Schritt Richtung Entschuldung getan. Damit einher geht die Veröffentlichung der Insolvenz im Internet auf www.edikte.at und die Gläubigerschutzverbände kontaktieren jene Unternehmen/Organisationen, die offene Forderungen haben. Für die Betroffenen mag es unangenehm sein, wenn die eigene Insolvenz öffentlichkeitswirksam wird, jedoch können auf diese Weise die Gläubiger ihre Forderungen anmelden. Es tritt ein Zinsstopp ein und gerichtliche Pfändungen werden eingestellt. Auch der Arbeitgeber und die kontoführende Bank werden benachrichtigt. Der Schuldner darf nur noch über den unpfändbaren Teil des Einkommens verfügen und über Eingänge, die nicht pfändbar sind (Familienbeihilfe, Mietzinsbeihilfe etc.)

    Das Verfahren soll kostengünstig sein, daher wird nur in Ausnahmefällen ein Insolvenzverwalter bestellt. Etwa dann, wenn der Schuldner Vermögen hat, das verwertet werden muss (Wohnungseigentum, Auto, Motorrad) oder die Vermögensverhältnisse sehr unübersichtlich sind. Zweiseitige Verträge können aufgelöst werden, z.B. Leasing-Vertrag für Auto oder Handyvertrag vom Mobilfunkbetreiber.
     
  • Vermögensverzeichnis
    Personen, die eine Schuldenregulierung anstreben, müssen beim Insolvenzgericht eine genaue Aufstellung ihres Einkommens, Vermögens und ihrer Schulden vorlegen. Diese Auflistung ist bereits bei Antragstellung der Insolvenz zu hinterlegen. Die Vollständigkeit der Angaben wird mittels Unterschrift bestätigt. Die Ablegung eines falschen oder unvollständigen Vermögensverzeichnisses ist ein Ausschließungsgrund im Privatkonkurs und kann ein Strafverfahren nach sich ziehen. 
     
  • Zahlungsplan 
    Nach Insolvenzeröffnung wird geprüft, ob ein Zahlungsplan möglich ist. Hierbei macht der Schuldner einen Quotenvorschlag (es gibt keine Mindestquote) zahlbar binnen drei, maximal sieben Jahren. Gericht und Gläubiger prüfen die Angemessenheit, orientiert am Einkommen der nächsten drei Jahre. Es werden im Rahmen der Abstimmungstagsatzung beim Insolvenzgericht eine fixe Quote und damit auch fixe Beträge vereinbart, die regelmäßig an die Gläubiger bezahlt werden. Auch wenn die Schuldner nach der Bestätigung durch das Gericht zu mehr Einkommen oder Vermögen kommen sollten, etwa durch Erbschaft, ändert das nichts an der Höhe der Zahlungen. Der Zahlungsplanvorschlag kann von den Gläubigern aber auch abgelehnt werden. 

    Aus der Praxis: Die große Mehrheit (rund 70%) der Schuldner bevorzugen einen Zahlungsplan, da sie dann ihr weiteres „Schicksal“ wieder selbst im Griff haben und am Ende des Verfahrens kann der Schuldner ohne Schulden wieder voll durchstarten.
     
  • Abschöpfungsverfahren
    Wird der Zahlungsplanvorschlag durch die Gläubiger abgelehnt, kann vom Schuldner ein Abschöpfungsverfahren angestrebt werden. Es gibt zwei Varianten: den Abschöpfungsplan und den Tilgungsplan. In beiden Fällen wird das Einkommen des Antragstellers auf das Existenzminimum gepfändet. Sollte dem Schuldner während eines laufenden Abschöpfungsverfahrens Geld unerwartet zufließen, beispielsweise durch Erbschaft, ist der Treuhänder zu informieren. Unterbleibt das, liegt eine Obliegenheitsverletzung vor. Das Verfahren kann dann ohne Restschuldbefreiung eingestellt werden. Bei ordnungsgemäßer Beendigung des Verfahrens, werden am Ende die verbliebenen Schulden erlassen. Dieser Schritt wird auch als Restschuldbefreiung bezeichnet.
     
  • Abschöpfungsplan
    Dieses Abschöpfungsverfahren ist das klassische Entschuldungsinstrument für Privatpersonen und dauert fünf Jahre. Das Einkommen des Antragstellers wird in dieser Zeit gepfändet und an Treuhänder abgetreten. Sie leiten die Zahlungen an die Gläubiger weiter. Die Schuldner verpflichten sich in dieser Zeit einer angemessenen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Am Ende steht - bei ordnungsgemäßer Erfüllung aller Vorgaben - die Restschuldbefreiung per Beschluss durch das Gericht.  
     
  • Tilgungsplan
    Dieses Abschöpfungsverfahren kann speziell von „redlich“ gescheiterten Unternehmern und Privatpersonen in Anspruch genommen werden. Es soll insbesondere (ehemaligen) Selbständigen, die mit ihrem Privatvermögen haften, eine Möglichkeit zur raschen Entschuldung geben. Bei diesem Verfahren sind die Einleitungshindernisse strenger als beim Abschöpfungsplan. Der Tilgungsplan dauert drei Jahre. Die Schuldner verpflichten sich in dieser Zeit einer angemessenen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Das Einkommen des Antragstellers wird gepfändet und an Treuhänder abgetreten. Sie leiten die Zahlungen an die Gläubiger weiter. Am Ende steht - bei ordnungsgemäßer Erfüllung aller Vorgaben - die Restschuldbefreiung per Beschluss durch das Gericht.
     
  • Gesamtvollstreckungsverfahren
    Dieses Verfahren ist im Rahmen der jüngsten Insolvenzrechtsnovelle (am 17. Juli 2021 in Kraft getreten) aus der Taufe gehoben worden. Es zielt darauf ab, die vielen erfolglosen Exekutionen zu reduzieren. Stellt also ein Exekutionsgericht die „offenkundige Zahlungsunfähigkeit“ einer „natürlichen“ Person fest, dann kann auf Gläubigerantrag ein Gesamtvollstreckungsverfahren in die Wege geleitet werden, wobei hier keine Restschuldbefreiung möglich ist. Die pfändbaren Beträge werden an die Gläubiger verteilt, bis alle Schulden bezahlt sind. Wenn sich keine pfändbaren Beträge ergeben, kann das Gericht nach fünf Jahren einen Schlussstrich ziehen und das Verfahren aufheben. In diesem Fall leben aber alle Forderungen wieder auf. Um seine Schulden endgültig loswerden zu können, muss der Schuldner nach Feststellung der „offenkundigen Zahlungsunfähigkeit“ in ein Schuldenregulierungsverfahren wechseln (wie zuvor beschrieben von Zahlungsplan bis Tilgungsplan), denn hier ist eine Restschuldbefreiung möglich. 
     
  • Existenzminimum 
    Die Entschuldung im Rahmen eines Abschöpfungsverfahrens geht mit der Pfändung des Einkommens einher. Anders ist das beim Zahlungsplan – hier wird eine Quote mit fixen Beträgen vereinbart. Der unpfändbare Freibetrag (das Existenzminimum) wird üblicherweise jedes Jahr per Verordnung von staatlicher Seite festgelegt, wobei Unterhaltspflichten berücksichtigt werden. Die Tabellen zur Berechnung werden auf der Website des Justizministeriums veröffentlicht.
     
  • Restschuldbefreiung
    Bei ordnungsgemäßer Beendigung des jeweiligen Verfahrens werden die verbliebenen Schulden erlassen. Dieser Schritt wird auch als Restschuldbefreiung bezeichnet.  Denn nur in Ausnahmefällen können die Betroffenen alle Forderungen der Gläubiger bezahlen. Ist die Insolvenz gescheitert, kann das Gericht die Restschuldbefreiung verweigern. Das ist im Zahlungsplan etwa der Fall, wenn Zahlungen nicht geleistet oder in der Abschöpfung, wenn Obliegenheiten (in der Praxis häufig die Bekanntgabe von Informationen oder kein Bemühen um eine angemessene Erwerbstätigkeit) nicht erfüllt werden. Scheitert die Insolvenz, dann leben die alten Forderungen zum Teil wieder auf.
     
  • Schuldnerberatung
    Die Schuldnerberatung übernimmt bei Schuldenregulierungsverfahren (Privatkonkursen) eine zentrale Rolle bei der Antragstellung. Viele Schuldner suchen im Vorfeld die Schuldnerberatung auf, die mit ihnen alle Schritte bespricht und die Unterlagen entsprechend aufbereitet. Der KSV1870 arbeitet mit den Schuldnerberatungen sehr aktiv zusammen, um tragfähige Lösungen für Schuldner wie Gläubiger zu erarbeiten.

Unsere Rolle bei Privatkonkursen

Der Kreditschutzverband von 1870 ist ein bevorrechteter Gläubigerschutzverband – das bedeutet, dass es unsere Aufgabe ist, im Rahmen von Insolvenzen größtmögliche Zahlungen für die Gläubiger (zumeist Unternehmen) zu erwirken. Denn in der Regel verlieren diese Unternehmen einen großen Teil ihres Geldes. Der Schuldner kann es nicht mehr zurückzahlen – obwohl er eine Leistung oder ein Produkt bezogen hat. Es ist uns sehr wichtig, tragfähige Lösungen in Zusammenarbeit mit dem Schuldner zu erwirken. Wir wissen, dass es keinen Sinn macht, hohe Zahlungen zu verlangen, die ein Schuldner innerhalb der Entschuldungsdauer nicht durchhalten wird können. Dies ist weder in unserem Sinne noch im Sinne der Gläubiger. Aber wir erwarten von Menschen im Privatkonkurs, an dessen Ende die Restschuldbefreiung steht, eine Anstrengung, um die Verluste der Unternehmen bzw. Gläubiger zu reduzieren. Denn nicht selten verlieren die Gläubiger mehr als 90 Prozent ihrer Forderungen.