Wenn es um das Know-how von morgen geht, ist die Förderung des Nachwuchses in aller Munde. Aber was ist mit all jenen, die seit vielen Jahren ihren Erfahrungsschatz zur Verfügung stellen? Und wie gelingt der gemeinschaftliche Zusammenhalt zwischen frischem Spirit und gewachsenem Wissen?
Text: Christina Mothwurf
„Das haben wir immer schon so gemacht“ oder „Wieso geht das nicht auch anders?“. Man muss nicht zwischen den Zeilen lesen können, um zu wissen, dass hier zwei Welten aufeinanderprallen. Aber nicht nur das: Meistens liegen dazwischen auch ein paar Jährchen Berufserfahrung. Dabei haben beide Aussagen ihre Berechtigung – und von beiden kann man etwas lernen. Wir zeigen, worauf es in Sachen Kommunikation zwischen den Generationen ankommt, damit sie sich gegenseitig befruchten und fördern können. Denn: Dazulernen kann man immer etwas.
Diversität ist Trumpf.
Die Bedeutung von ‚mixed teams‘, also Gruppen von Mitarbeitern unterschiedlichen Alters, wird immer zentraler.
Wenn es um erfolgreiches generationenübergreifendes Arbeiten geht, zeigt sich ein großer Erfolgsfaktor: Co-Working-Modelle, die sich auf unterschiedlichen Ebenen bewähren. „Die Bedeutung von ‚mixed teams‘, also Gruppen von Mitarbeitern unterschiedlichen Alters, wird immer zentraler“, erzählt Zukunftsforscher und Soziologe Andreas Reiter. Hier gilt: Je bunter, desto besser. „Diversität auf allen Ebenen ist ein wichtiger Faktor, der zu einem resilienten Team beiträgt.“ Einseitige Entwicklungen seien dabei nie zielführend. Und hier liegt auch die Verantwortung der Unternehmen, diese Potenziale zu sehen und zu fördern: Angesichts der demografischen Entwicklungen und der damit zusammenhängenden Veränderung der Altersstrukturen müssen Unternehmen das Potenzial älterer Generationen besser nutzen, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben.
Werte im Wandel.
Eines steht fest: Herausforderungen im Beruf hat jede Generation. Dabei kann ein gut ausgewogener Altersmix im Team nicht nur zu mehr Diversität beitragen, sondern auch langfristig den Unternehmenserfolg positiv beeinflussen. „Dazu braucht es allerdings den Blick auf die unterschiedlichen Werte und Perspektiven der Generationen“, so Reiter. „Wenn es um die aktuelle Situation am Arbeitsmarkt geht, müssen wir von Personalmangel sprechen, der weit über den Fachkräftemangel hinausgeht.“ Im Zuge dessen steht die Generation Z im Fokus – und die Frage, welche Werte und Bedürfnisse dabei zentral sind. Eine ausgewogene Work-Life-Balance zählt genauso dazu wie ökologische und soziale Nachhaltigkeitsaspekte. Wenn wir den demografischen Wandel im Hintergrund betrachten, muss uns klar sein, dass Arbeitsmodelle umfassender und vielseitiger gedacht werden müssen. „Dazu brauchen wir Reservetanks: ältere und erfahrene Mitarbeiter, Wiedereinsteiger, Frauen und Männer um die 40 – all das sind wichtige Punkte angesichts des Mangels“, so Reiter. Die sogenannten Silver Worker sind es also, die in der Arbeitswelt eine genauso wichtige Rolle spielen wie die „Gen Z“.
Wirkungsvoller Wissenstransfer.
Doch wie funktioniert die Zusammenarbeit im Büro möglichst friktionsfrei? Die Zauberformel ist simpel: Kommunikation auf Augenhöhe in Kombination mit individueller Bedürfnisorientierung. Ältere Mitarbeiter punkten oft mit einem enormen Erfahrungsschatz, jüngere hingegen hätten oft noch mehr Mut und auch die Unverfrorenheit, Dinge anders zu denken. „Das Interessante ist ja: Wir haben immer gelernt, dass die Jungen von den Alten lernen“, so Reiter. „Aber vielleicht geht es auch umgekehrt?“ Soll heißen: Erfolgreiche Betriebe profitieren vom Wissenstransfer in beide Richtungen. Allerdings gilt es, die Herausforderungen im Blick zu haben, zum Beispiel jene, die sich aufgrund der Technologisierung und des digitalen Wandels ergeben haben. „Ältere Mitarbeiter schaffen den technologischen Sprung nicht immer – oder nicht so schnell – wie die junge Generation. Hier gilt es, Rücksicht zu nehmen und konkrete Unterstützung anzubieten.“ Auch die Leistungsorientierung sei ein wesentlicher Punkt: Die ältere Generation ist es gewohnt, viel Energie und Zeit in Beruf und Erfolg zu investieren und dabei auch Freizeit und Familie hintanzustellen. Der Vorwurf, dass die junge Generation faul sei und weniger arbeitswillig, ist für Reiter problematisch: „Wenn es beispielsweise um die Vier-Tage-Woche geht, reden wir immer von Arbeitszeitverkürzung, dabei geht es eigentlich um eine Arbeitszeitverdichtung“, erklärt er. „Junge arbeiten nicht zwingenderweise weniger, sondern die Verteilung ist einfach eine andere.“ Und genau diese Gegenentwicklung sei auch eine Irritation für die ältere Generation. Verständlicherweise: Gerade die Nachkriegsgeneration hat viel Aufbauarbeit geleistet. Und so schwierig die derzeitige krisenhafte Entwicklung sein mag – sie könnte der jungen Generation helfen, Verständnis für „die Alten“ aufzubringen.
Neue Möglichkeiten ausloten.
Zusätzlich zu diesen Herausforderungen sieht Reiter auch das aktuelle Pensionsantrittsalter als ein wesentliches Problem: „Wir Menschen werden statistisch gesehen pro Jahr drei Monate älter. Damit sich eine Versorgung aus volkswirtschaftlicher Sicht ausgeht, müssen wir deshalb zwingend das Pensionsantrittsalter heben“, erklärt er. „Um die psychische und physische Gesundheit der Mitarbeiter zu fördern, braucht es griffige Gesundheitsprogramme, die vorbeugend wirken und Bewusstsein schaffen.“ Sogenannte Corporate-Health-Programme seien gefragt, um Mitarbeiter zu stärken. „Dabei wird es in Zukunft ganz stark in Richtung Prävention gehen.“ Und im Gegensatz zu der älteren Generation seien es die Jungen, die das ganz bewusst einfordern würden. „Hier gibt es viel aufzuholen.“ Ans Runterschrauben sollte man hingegen eher in Teilschritten denken: „Die ältere Generation kann vor allem durch flexible Arbeitsmodelle länger im Beruf stehen – und schließlich ganz langsam ausgleiten.“
Aus dem KSV1870 Magazin forum.ksv - Ausgabe 1/2023.