Manche Experten warnen vor einem drohenden Kollaps der Energieversorgung. Andere Experten halten das für übertrieben. Aber wie soll man sich verhalten, falls es doch dazu kommt? Und wie kann man sich vorbereiten?
Text: Raimund Lang
Als Blackout, zu Deutsch „Verdunkelung“, wird im Bereich der Energieversorgung ein länger andauernder und überregionaler Stromausfall bezeichnet, der sich nicht nur auf einzelne Bereiche bezieht, sondern de facto flächendeckend zum Tragen kommt. Womit Private ebenso wie Unternehmen davon betroffen sind. Blackouts schweben demnach wie ein Damoklesschwert über den Gas- und vor allem Strominfrastrukturen. Welche dramatischen Auswirkungen ein solcher Zusammenbruch haben kann, zeigen immer wieder Beispiele aus aller Welt. Im November 2011 etwa waren in den USA mehrere Millionen Menschen bis zu 13 Stunden ohne Strom. Vom vermutlich größten Blackout der Geschichte waren im Sommer 2012 sogar 600 Millionen Menschen in Indien betroffen.
Auch Europa betroffen.
Die europäischen Netze bzw. das europäische Verbundsystem gelten demgegenüber als hoch ausfallsicher. Doch auszuschließen ist auch hier nichts: Am 8. Jänner 2021 wäre es beinahe zur Katastrophe gekommen. Eine Überlastung im Stromnetz von Kroatien führte zu einem Frequenzabfall und in der Folge zu einer Kettenreaktion in ganz Europa. Die Stabilität des Netzes konnte allerdings innerhalb einer Stunde wiederhergestellt werden, was deutlich für die Qualität der europäischen Infrastruktur spricht. Vorfälle gibt es auch in Österreich, wenngleich bis jetzt deutlich kleinere. Abseits von witterungsbedingten Vorfällen ist vielen wohl jener Zwischenfall im vergangenen Sommer in Erinnerung, als im 2. Wiener Gemeindebezirk plötzlich die Lichter ausgingen und ein Fußballmatch der österreichischen Nationalmannschaft erst mit gehöriger Verspätung angepfiffen wurde.
Milliardeninvestments notwendig.
Die Kosten im Falle eines Blackouts lägen bei 1,18 Milliarden Euro, rechnet er gegen – und zwar pro Tag.
Mögliche Ursachen für Blackouts reichen von menschlichen Fehlern über Sabotage (zum Beispiel Hackerangriffe) und Unwetter bis zu technischen Gebrechen. Oft ist veraltete Infrastruktur das Problem. Und auch steigender Verbrauch sowie die zunehmende Einbindung erneuerbarer Energieträger wie Wind und Sonne, deren Beitrag zur Stromerzeugung schwer prognostizierbar ist und sich kurzfristig ändern kann, stellen die Netze vor Herausforderungen. Die Infrastrukturbetreiber warnen seit rund 20 Jahren davor, dass es ohne größere Investitionen nur eine Frage der Zeit sei, bis es auch bei uns zum großen Blackout kommt. Michael Strugl etwa, Präsident der Branchenvertretung Oesterreichs Energie und zugleich Vorstandsvorsitzender des Verbunds, beziffert die nötigen Investitionen auf rund 18 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030. Die Kosten im Falle eines Blackouts lägen bei 1,18 Milliarden Euro, rechnet er gegen – und zwar pro Tag.
Individuelle Maßnahmen.
Weniger gerne sprechen die Energieversorger und Netzbetreiber darüber, wie man sich verhalten soll, wenn es wirklich „kracht“. Für generelle Ratschläge wird häufig auf Empfehlungen des Zivilschutzes verwiesen. Das Organisieren einer stromunabhängigen Beleuchtung oder ein Wasser- und Lebensmittelvorrat für bis zu zwei Wochen sind hier die bekannten Tipps. Doch wie sollen sich Unternehmen verhalten? Können sie etwas tun, um die mögliche Schwere des Ereignisses abzufedern? „Allgemeine Empfehlungen für Unternehmen sind schwierig, weil die Voraussetzungen und Bedürfnisse natürlich sehr individuell sind“, sagt Andreas Neuhauser, Kommunikationsleiter der Vorarlberger illwerke vkw. „Wichtig ist es deshalb für Unternehmen, Maßnahmen – etwa zum Thema einer möglichen Notstromversorgung – mit dem eigenen Betriebselektriker abzustimmen.“ Gemeinsam mit den Experten sollte man sich als Erstes die betriebsinternen Prozesse und die vorhandene Infrastruktur ansehen. Dabei werden insbesondere kritische Punkte innerhalb der Organisation lokalisiert und Schutzmaßnahmen entwickelt.
Darauf sollten Sie achten.
Für den Ernstfall geht es darum, scheinbar triviale Dinge zu berücksichtigen: Funktionieren Alarm- und Brandschutzanlage stromunabhängig? Gibt es kritische Güter, die ständig gekühlt werden müssen? Bleiben zugangsgeschützte Unternehmensbereiche auch während eines Stromausfalls gesichert? Sind im Büro befindliche Mitarbeiter dann eingesperrt? Wer befreit Kollegen, die im Lift festsitzen? Welche Geschäftsprozesse sind so unentbehrlich, dass sie unbedingt mittels Notstromversorgung am Laufen gehalten werden müssen? Die Antwort auf diese und unzählige weitere Fragen werden für eine international tätige Investmentbank anders lauten als für einen Lebensmittellogistiker. Gleichzeitig sollte auch mit seinem Versicherer abgeklärt sein, ob durch einen Blackout verursachte Folgeschäden vom Versicherungsschutz erfasst sind. Ist es nötig, die Kommunikation im Unternehmen aufrechtzuerhalten, sollten zumindest Schlüsselmitarbeiter mit entsprechenden Geräten versorgt werden. Zudem empfiehlt es sich, Notfallpläne in regelmäßigen Abständen „durchzuspielen“, um für den Ernstfall gerüstet zu sein.
Blackout eher unwahrscheinlich.
Ein Blick in die Ausfallstatistik des Energieregulators E-Control zeigt, dass der Anteil ungeplanter Versorgungsunterbrechungen im Jahr 2021 bei 7.545 Ereignissen und damit um knapp 33 % unter dem Wert von 2020 lag. Den größten Anteil bei den Ursachen haben Naturereignisse, gefolgt von netzbetreiberinternen Gründen, Fremdeinwirkungen und Rückwirkungsstörungen aus anderen, übergeordneten Netzen. Weniger als 1 % entfallen auf „regional außergewöhnliche Ereignisse“. Darunter sind jene Ausfälle zu verstehen, die auch mit größter Sorgfalt des Netzbetreibers nicht vorhersehbar und vermeidbar sind. Keinen Grund zur Panik sieht eine vom österreichischen Parlament in Auftrag gegebene, aktuelle Studie, die vom Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und dem Austrian Institute of Technology (AIT) durchgeführt wurde. Demnach zählt ein Blackout zu jenen Typen von Ereignissen, „die in der Risikoanalyse mitberücksichtigt werden, deren Eintritt aber als äußerst gering und daher vernachlässigbar beurteilt wird“.
Aus dem KSV1870 Magazin forum.ksv - Ausgabe 1/2023.