2017 war das Jahr von Bitcoin. Die Berichterstattung darüber war geprägt von immer neuen Rekordkursen und allgegenwärtigen Warnungen. Doch was steckt hinter der digitalen Währung, und wie funktioniert die technologische Basis, auf der Bitcoin aufbaut?
Spätestens seit Bitcoin im November zum ersten Mal die 10.000-Dollar-Marke durchbrochen hat und Mitte Dezember zeitweise mehr als 20.000 Dollar wert war, ist die Kryptowährung in aller Munde. Kaum ein anderes Thema hat Ende vergangenen Jahres für mehr Schlagzeilen gesorgt als die digitale Währung. Finanzexperten, Technologie-Nerds, Journalisten und Bitcoin-Enthusiasten sind sich allerdings immer noch uneins darüber, was Bitcoin überhaupt sein soll, welche Auswirkungen die Cyberdevise haben wird und ob das nicht alles nur ein Hype mit nahem Ablaufdatum ist. Mittlerweile haben jedenfalls die beiden großen Derivatebörsen CME und CBOE von der US-Derivateaufsicht grünes Licht bekommen und bieten Bitcoin-Terminkontrakte zum Handel an.
Die Flut an Sensationsschlagzeilen trübt jedoch den Blick auf die Technologie, die hinter Bitcoin steht: Blockchain. Diese schickt sich nämlich tatsächlich an, ganze Wirtschaftszweige zu revolutionieren und einzelne Branchen von Grund auf zu verändern. Zumindest bei diesem Aspekt sind sich die Experten einig. „Blockchain ist die Zukunft des Internets“, ist sich etwa Harald Mahrer, ehemaliger Wirtschaftsminister und designierter Nachfolger von WKÖ-Präsident Christoph Leitl, sicher.
So funktioniert die Blockchain.
Wie aber funktioniert diese vielversprechende Technologie? Dezentral, manipulationssicher und selbstregulierend sind die Eckpfeiler der Blockchain. Die Blockchain-Variante, auf der etwa Bitcoin basiert, ist dafür entwickelt worden, Transaktionen von A nach B abzuwickeln. Jede Überweisung wird vollautomatisch in ein Online-Register eingetragen. Dieses ist dezentral gespeichert, sodass jeder Netzwerkteilnehmer eine komplette Kopie des Registers auf seinem Rechner gespeichert hat.
Sicher vor Manipulationen ist die Blockchain deswegen, weil es einerseits praktisch unmöglich ist, jede dieser einzelnen Kopien des Transaktionsregisters zu bearbeiten. Andererseits wird jeder Transaktion eine bestimmte Zahlenfolge, bestehend aus 64 Zeichen, zugeordnet. Dieser Zahlenwert beinhaltet aber nicht nur die aktuelle Transaktion, sondern basiert auf allen vorherigen Transaktionen, die jemals durchgeführt wurden, und bildet somit eine Kette. Um eine Transaktion im Nachhinein zu manipulieren, müsste die Hälfte aller jemals getätigten Bitcoin-Überweisungen ebenso entsprechend verändert werden.
Vertrauen und Kontrolle.
Kontrolliert wird die Blockchain also nicht von einzelnen Personen oder Institutionen, sondern von automatisierten Rechenprozessen, die sich gegenseitig kontrollieren und das Register, sprich die Transaktionskette, verschlüsselt und verifiziert auf den vernetzten Rechnern der Teilnehmer hinterlegen. Dadurch wird es möglich, eine sichere Überweisung zu tätigen, ohne dabei auf Banken, Finanzinstitute oder andere Mittelsmänner angewiesen zu sein.
„Die Blockchain ist fantastisch. Die Blockchain ist der perfekte Bürokrat, sie ist fair, kann nicht korrumpiert werden, ist vertrauenswürdig und ist auch ein perfektes Vertriebssystem. Es wird Tausende neue Anwendungen dafür geben“, fasste es etwa Starinvestor Tim Draper, der schon sehr früh in Unternehmen wie Skype oder Tesla investierte, in einem Interview zusammen.
Rein technologisch betrachtet, ist die Blockchain, auf der die digitale Währung Bitcoin basiert, nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluss. Andere Kryptowährungen und Blockchain-Varianten sind mit ihren Technologien und Anwendungsmöglichkeiten weitaus vielversprechender als die auf simple Transaktionen beschränkte Bitcoin-Technologie.
Wie ein neues Internet.
Als zukunftsweisend gilt hier zum Beispiel das Ethereum-Netzwerk, dessen Blockchain wesentlich ausgereifter und flexibler ist. Denn über Ethereum sind Messaging- sowie Social-Networking-Anwendungen genauso möglich wie Finanzanwendungen, Mikro-Payments und sogar der Abschluss von Verträgen, sogenannten Smart Contracts. Bei diesen Smart Contracts werden Verträge zwischen zwei Parteien über die Blockchain abgeschlossen und öffentlich, dezentral und teilanonymisiert hinterlegt. Die Blockchain wird hier quasi zum Notar und segnet Geschäfte ab.
Ein einfaches Beispiel: Jemand hat Solarzellen auf dem Dach seines Hauses und produziert überschüssige Energie, welche ins Stromnetz eingespeist wird, während ein Nachbar genau in diesem Moment Energie benötigt. Solange überschüssige Energie eingespeist wird und diese von jemandem bezogen wird, fließt Geld, und zwar exakt so lange, wie die Energie gebraucht bzw. eingespeist wird. Baut nun das Energiemanagement auf der Blockchain auf, kann das Stromgeschäft direkt zwischen allen beteiligten Parteien mithilfe von Smart Contracts ohne Mittelsmänner vollautomatisch abgeschlossen werden. Die Abrechnung dieses Geschäfts müsste dann nicht der Netzbetreiber übernehmen und Rechnungen ausstellen, sondern könnte davon losgelöst automatisiert über die Blockchain abgewickelt werden.
Zahlreiche Pilotprojekte.
Obwohl das stark nach Zukunftsmusik klingt, haben nicht nur Energieunternehmen die Blockchain längst für sich entdeckt und loten das Potenzial der Technologie für den Energiemarkt aus. Neben bekannten deutschen Energieversorgern wie RWE, die sich an einem vollautomatisierten Bezahlmodell für das Laden von Elektroautos versuchen, hat etwa auch Wien Energie derzeit ein Pilotprojekt laufen, bei dem die neuen Möglichkeiten getestet werden. Weitere Einsatzgebiete wären etwa die Online-Werbung oder Car-Sharing-Anbieter.
Grundsätzlich wäre ein solcher „kluger Vertrag“ theoretisch in der Lage, für Rechtssicherheit zu sorgen, da er unveränderbar und nachvollziehbar ist. Beim praktischen Einsatz von Smart Contracts stellen sich – rechtlich gesehen – allerdings noch einige Fragen, etwa ob die Programmiersprache als Vertragssprache anerkannt werden kann oder wie mit Programmierfehlern umzugehen ist.
Verwaltung und Bankwesen.
Abseits von Smart Contracts birgt die Technologie Sprengkraft in sich. Zum Beispiel dann, wenn es darum geht, öffentlich zugängliche Verwaltungsdaten verlässlich zu speichern. So könnten künftig etwa das Grundbuch, das Melde- oder ein Wählerregister mithilfe einer Blockchain gespeichert werden – eine Art transparente Datenbank. Denn etwaige Änderungen an diesen Daten wären in der Blockchain dokumentiert, nachvollziehbar und manipulationssicher.
Neben Ethereum hat etwa auch das US-amerikanische Unternehmen Ripple eine Blockchain-Technologie in der Tasche, die auf Zahlungsprotokolle für Banken spezialisiert ist. Ripple soll die Art und Weise, wie Banken Zahlungen untereinander abwickeln, revolutionieren und das international gängige Zahlungsprotokoll SWIFT ersetzen, da Überweisungen damit wesentlich schneller, kostengünstiger und sicherer sein sollen. Im Rahmen einer Partnerschaft experimentieren mittlerweile mehr als 100 Banken mit der Ripple-Technologie.
Schwachpunkte.
Treibt man das Gedankenspiel von Smart Contracts und anderen dezentralen Blockchain-Anwendungen weiter, so muss die Plattform imstande sein, Millionen von Nutzern und deren Anfragen quasi in Echtzeit zu behandeln. Und genau hier liegt die große Herausforderung der Blockchain-Technologien: Skalierbarkeit.
Der Zahlungsdienstleister und Kreditkartenanbieter Visa kann bis zu 24.000 Transaktionen in der Sekunde bearbeiten, während Ethereum derzeit lediglich ein gutes Dutzend und Bitcoin ungefähr fünf Transaktionen pro Sekunde schafft. Daher steht bei langfristigen und nachhaltigen Implementierungen von Blockchain-basierten Massenanwendungen die Frage nach der Skalierbarkeit im Mittelpunkt.
Technologie statt Spekulation.
All die Skepsis gegenüber einem möglichen digitalen Zahlungsmittelersatz durch Bitcoin und all die Warnungen vor einem Platzen der Bitcoin-Blase sollen die Sicht auf die dahinterliegende Technologie nicht vernebeln. Denn bei den verschiedenartigen Anwendungsmöglichkeiten und dem weitreichenden Potenzial der Blockchain geht es weit weniger um kurzfristige Spekulationsgewinne als vielmehr um langfristige technologische Umbrüche.
Text: Florian Christof
Großinsolvenz
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