Die intelligente Vernetzung von Maschinen und Geräten ermöglicht es Unternehmen, Prozesse zu optimieren und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Heimische Firmen zögern aber noch, die Technik einzusetzen.
Sensoren, die freie Parkplätze anzeigen oder Auskunft geben, wann der Getränkeautomat leer oder der Mistkübel voll ist. Maschinen, die vorhersagen, wann sie gewartet werden müssen, oder Räumungsfahrzeuge, die ihre Position an die Zentrale melden und so eine bessere Koordination des Straßendienstes ermöglichen. Das Internet der Dinge, das für die intelligente Vernetzung von Maschinen und Geräten steht, bietet Unternehmen viele Möglichkeiten. Es soll dabei helfen, Kosten zu sparen, Prozesse zu optimieren und die Effizienz zu steigern. Es verwundert also nicht, dass Marktforscher diesem Bereich ein rasantes Wachstum voraussagen. Bis Ende des Jahres sollen weltweit mehr als acht Milliarden Dinge vernetzt sein. Bis 2020 soll die Zahl auf mehr als 20 Milliarden steigen, prognostiziert das Marktforschungsunternehmen Gartner. Zwei Billionen Dollar, schätzt Gartner, sollen heuer weltweit mit der Technik umgesetzt werden.
Firmen warten ab. Heimische Firmen sind noch zögerlich, wenn es darum geht, die technischen Möglichkeiten für sich zu nutzen. „Das Internet der Dinge ist für viele Unternehmen in Österreich immer noch Neuland“, sagt Petra Jakob, Sprecherin des Mobilfunkanbieters Drei. Das Interesse wachse allerdings. Auch bei kleinen und mittleren Unternehmen verzeichne man mittlerweile vermehrt Anfragen. „Unsere Studien zum Thema Digitalisierung zeigen, dass sich 70 % der Firmen immer noch abwartend verhalten“, meint auch Lev Ratner, Sprecher von T-Mobile Austria. „Auch wenn sich Firmen bereits gezielt mit Chancen und Möglichkeiten beschäftigen, nehmen sie eine sehr konservative Haltung ein.“ Die Entwicklung habe erst in den vergangenen Jahren langsam Fahrt aufgenommen, sagt Francis Cepero, Direktor für vertikale Marktlösungen bei A1 Digital. „Wir sehen in unserer eigenen Netzinfrastruktur einen Zuwachs bei der Vernetzung von Maschinen von über 30 % jährlich.“
Warum sollen Unternehmen die Technik einsetzen? „Es geht darum, wettbewerbsfähig zu bleiben, über vorausschauende Planung Kosten zu senken oder durch neue Produkte und Servicemodelle Erlöse zu steigern“, sagt Cepero. Zu den Branchen, in denen Internet-of-Things-Technik bereits verbreitet ist, zählen Transport und Logistik. „Für Themen wie das Flottenmanagement und die Instandhaltung, Wartung oder das Monitoring des Fuhrparks nutzen viele Firmen bereits digitale Tools“, sagt T-Mobile-Austria-Sprecher Ratner. Auch der öffentliche Bereich, Stichwort Smart City, Unternehmen im Bereich der Haus- und Gebäudetechnik, Fernwartung und auch das Gesundheitswesen seien der neuen Technik gegenüber aufgeschlossen, ergänzt Drei-Sprecherin Jakob.
Unbegrenzte Datenmengen. Der Aufzughersteller thyssenkrupp nutzt etwa Internet-der-Dinge-Technik, um die Ausfallszeiten seiner Aufzüge gering zu halten. 40.000 Anlagen weltweit seien bereits mit der Technik ausgestattet, erzählt Volker Hager, der bei dem Unternehmen für vernetzte Lösungen zuständig ist. „Wir senden Daten direkt aus unseren Aufzügen in die Cloud, wo sie analysiert werden, um vorherzusagen, wann Servicebedarf besteht. Darauf aufbauend werden Wartungsarbeiten geplant.“ Vorbeugende Instandhaltung und das Zusammenführen und Analysieren von Daten seien im Grunde zwar nichts Neues, meint Hager. „Neu ist, dass wir die Datenmengen nicht mehr begrenzen. Wir können jetzt Daten miteinander vergleichen, die wir vorher nicht hatten.“
„Datenströme von Sensoren aller Art, die etwa in Maschinen, Autos, mobilen und stationären Gütern, Kleidung und sogar in Menschen integriert sind, schaffen eine wahre Fundgrube von Daten, aus der die verschiedensten neuen Dienstleistungen hervorgehen können“, sagt Helmut Blocher, Veranstalter des M2M/IoT-Forums CEE, einer der größten Konferenzen zum Internet der Dinge in Europa, die alljährlich in Wien stattfindet: „Unternehmen sollten Ausschau nach neuen Möglichkeiten halten, die mit dem Internet der Dinge einhergehen.“
Neue Geschäftsmodelle. Wie das Internet der Dinge Firmen von Grund auf verändern kann, zeigt das Beispiel des deutschen Traditionsbetriebs Kärcher. Mit dem Verkauf von Hochdruckreinigern ist das 1935 gegründete Unternehmen zum Weltmarktführer aufgestiegen. Mit dem Internet der Dinge erfindet sich die Firma neu. Mehrere tausend der von Kärcher ausgelieferten Reinigungsgeräte seien bereits mit Sensoren ausgestattet und vernetzt, erzählt Friedrich Völker, der bei Kärcher digitale Lösungen verantwortet. Durch die Analyse der gesammelten Daten habe das Unternehmen Einblick, wie intensiv die Maschinen genutzt werden und welche Programme besonders häufig zum Einsatz kommen. Diese Informationen fließen in die Weiterentwicklung der Maschinen mit ein und ermöglichen Prognosen zum Reparaturbedarf der Geräte.
Der Wettbewerb werde in Zukunft nicht mehr auf der Maschinenseite, sondern bei den digitalen Services gewonnen, ist Völker überzeugt. Das wirke sich auch auf die Geschäftsmodelle aus: „Es ist gut möglich, dass wir in Zukunft keine Maschinen mehr verkaufen, sondern gereinigte Quadratmeter.“ Für Martha Bennett, Analystin beim Marktforschungsunternehmen Forrester, sind solche Transformationsprozesse Teil eines globalen Trends: „Daten sind heute integraler Bestandteil des Geschäfts. Unternehmen verkaufen nicht mehr Produkte, sondern Dienstleistungen und Ergebnisse.“
Risiken durch Veränderungsprozesse. Neben Chancen würden neue Lösungen aber auch Risiken beinhalten, meint Veranstalter Blocher. Es müssten sowohl neue Prozesse aufgesetzt als auch organisatorische Änderungen umgesetzt werden. Die Adaption benötige, wie bei allen technischen Entwicklungen, Zeit. Die Planung veränderter betrieblicher Prozessabläufe, begleitende Support-Systeme und die Integration in die bestehende IT-Umgebung seien für Unternehmen genauso wichtig wie die technischen Lösungen, erläutert A1-Digital-Manager Cepero: „Die praktische Umsetzung gestaltet sich für viele Unternehmen deshalb schwierig.“
Als weiterer Hemmschuh für die Verbreitung des Internets der Dinge gilt die Sicherheit der vernetzten Anwendungen. Viele mit dem Internet verbundenen Geräte sind nur notdürftig geschützt und bieten Hackern Einfallstore für Angriffe. In Sicherheitskreisen steht das Kürzel IoT deshalb nicht für Internet of Things, sondern für Internet of Targets (Internet der Ziele). Im vergangenen Oktober griff etwa eine Horde mit Schadsoftware ferngesteuerter vernetzter Drucker, Babymonitore, Haushaltsgeräte und Kühlschränke den Internetdienstleister Dyn an und legte so Teile des Internets kurzzeitig lahm. Sicherheitsexperten fordern deshalb ein Umdenken. Sicherheit müsse in den Anwendungen und Geräten von Grund auf eingebaut werden.
Nächste Mobilfunkgeneration am Horizont. Wie aber geht es mit dem Internet der Dinge weiter? Einen Schub für IoT-Anwendungen soll der neue Übertragungsstandard NarrowBand-IoT (NB-IoT) bringen, der auf die Übertragung geringer Datenmengen zugeschnitten ist. 70 bis 80 % der Anwendungen würden nicht mehr als 500 KB Übertragungskapazität im Monat benötigen, sagt T-Mobile-Sprecher Ratner. Noch heuer soll der Mobilfunkstandard für Maschinen in Österreich ausgerollt werden. Erste Tests wurden bereits durchgeführt.
Der Standard ist ein Vorläufer der nächsten Mobilfunkgeneration 5G, der höhere Übertragungsgeschwindigkeiten und niedrigere Latenzzeiten bringen wird. Mit ersten Anwendungen und Endgeräten ist frühestens 2019 zu rechnen. Mit Reaktionszeiten im Millisekundenbereich und der Möglichkeit, Techniken der künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens in die Netze zu integrieren, werden viele neue Anwendungen – von vernetzten und selbstfahrenden Autos bis hin zu intelligenten Robotern in der Produktion und vernetzter Verkehrsinfrastruktur – auf breiter Basis möglich.
Durch und durch digital. Die großen Technologieunternehmen schwärmen bereits von einer durch und durch digitalen Welt. Jedes Detail unserer Umwelt werde künftig von Sensoren erfasst, alles werde miteinander verbunden und mithilfe von Techniken des maschinellen Lernens auch intelligent sein, skizzierte vor kurzem Ken Hu, Chef des chinesischen Technologiekonzerns Huawei, bei einer Veranstaltung des Unternehmens in London das Leben in einer nicht allzu fernen Zukunft. 2025 werde auch der Großteil der Unternehmensanwendungen digitalisiert sein, führte Hu weiter aus: „Aus Unternehmen werden digitale Unternehmen.“
Text: Patrick Dax
Diesen Artikel finden Sie im forum.ksv 3/2017.
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