Während die Betriebe zunehmend auf der Investitionsbremse stehen, verschlechtert sich auch das heimische Zahlungsverhalten. Den großen Einbruch erwarten die Unternehmen im kommenden Jahr.
Text: Markus Hinterberger
Inflation, Personalmangel, Rohstoffknappheit, Kostenexplosionen – die Liste der Herausforderungen, mit denen Österreichs Unternehmen zu kämpfen haben, scheint schier endlos zu sein. Die daraus entstandenen Folgen manifestieren sich auch in der aktuellen Austrian-Business-Check-Umfrage des KSV1870. Demnach bewerten nur mehr 57 % (2021: 65 %) der Befragten die eigene Geschäftslage mit „sehr gut“ oder „gut“ – und das vor allem dank der insbesondere im ersten Halbjahr 2022 vorherrschenden Hochkonjunktur. Trotzdem sprechen wir hier von einem Minus von acht Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr und lediglich einer marginalen Verbesserung gegenüber dem heurigen Frühjahr von zwei Prozentpunkten. Und das, obwohl gegenüber dem Vorjahr jeder zweite Betrieb von steigenden Umsätzen spricht. Gleichzeitig hat aber auch jedes fünfte Unternehmen massive Probleme, vereinbarte Aufträge ordnungsgemäß abzuwickeln. Die Gründe sind bekannt: Lieferengpässe, akuter Personalmangel, steigende Preise, Rohstoffknappheit und zuletzt auch stark gestiegene Auftragszahlen.
Unternehmen stoppen Investitionen
Aufgrund der aktuellen Probleme stehen immer mehr Unternehmen auf der Investitionsbremse und werfen den Anker. Nur noch 34 % setzen zu Jahresbeginn geplante Investitionen vollständig um, und 17 % investierten in reduziertem Ausmaß. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass in diesem Jahr rund die Hälfte der Betriebe keine Investments getätigt hat oder bis weit ins zweite Halbjahr hinein aufgrund der speziellen Umstände nicht wusste, ob zumindest vereinzelte Investitionen noch möglich sein werden. Dazu Ricardo-José Vybiral, CEO der KSV1870 Holding AG: „Es ist alarmierend, wenn die Hälfte der Unternehmen auf Investitionen gänzlich verzichten muss, obwohl in diesem Jahr für drei von vier Betrieben Preiserhöhungen ein Hebel waren, um die finanzielle Balance einigermaßen zu wahren. Denn in Österreich ist Innovation die Währung der Zukunft, aber sie braucht eben auch Geld.“ Und so plädiert Vybiral auch für die Neueinführung einer Investitionsprämie: „Die Wirtschaft wird nicht ohne staatliche Unterstützung durch diese Krise kommen, dafür sind die aktuellen Belastungen einfach zu groß. Es sollten zumindest jene Unternehmen unterstützt werden, die eine sehr gute Fortbestandsprognose haben. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass eine gewisse Marktbereinigung – insbesondere bei Unternehmen, die seit Jahren schlechte Ratings aufweisen – zugelassen werden sollte.“
Zahlungsmoral: Welle der Verschlechterung im Anmarsch
Quer über alle Branchen hinweg werden bereits 18 % aller Forderungen zu spät bezahlt. Das ist rund jede sechste Rechnung.
Die Probleme der vergangenen Monate beschäftigen die heimische Wirtschaft mehr, als ihr lieb ist. Doch bis dato ist es den Unternehmen zum deutlich überwiegenden Teil genommen, die wirtschaftlichen Auswirkungen in Zaum zu halten. Auch in puncto Zahlungsmoral kann trotz aller jüngsten Turbulenzen von einer vernünftigen Zahlungsmoral gesprochen werden. Noch, denn die ersten negativen Auswirkungen sind bereits spürbar, und diese werden sich mit Blickrichtung 2023 wohl weiter verschärfen. „Quer über alle Branchen hinweg werden bereits 18 % aller Forderungen zu spät bezahlt. Das ist rund jede sechste Rechnung“, erklärt Walter Koch, Geschäftsführer der KSV1870 Forderungsmanagement GmbH. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es 13 %, die verspätet beglichen wurden. Während bei den Firmenkunden 78 % (2021: 84 %) der Rechnungen pünktlich bezahlt werden, sind es bei den Privaten 88 % (90 %). Sie sind es auch, bei denen das Minus gegenüber dem Vorjahr mit zwei Prozentpunkten am geringsten ausfällt. „Österreichs Private sind in puncto Zahlungsmoral die Vorbilder schlechthin, an denen sich sowohl Firmen als auch die öffentliche Hand orientieren sollten“, so Koch. Dennoch verschlechtert sich die Zahlungsmoral in allen Segmenten: Auf Bundesebene werden nur mehr 83 % (88 %) der Forderungen pünktlich beglichen, auf Landesebene 79 % (83 %) und bei den Gemeinden 84 % (88 %).
Privatpersonen zahlen am schnellsten
Umgemünzt auf die tatsächliche Zahlungsdauer, ergibt sich folgendes Bild: Während die Firmenkunden aktuell im Schnitt 25 Tage (2021: 24 Tage) benötigen, offene Rechnungen zu bezahlen, brauchen die Privaten 13 Tage (+/– 0 Tage). Ein Blick in die Bundesländer zeigt, dass Vorarlbergs Betriebe (22 Tage) am schnellsten bezahlen, gefolgt vom Burgenland (23 Tage) sowie der Steiermark und Tirol (je 25 Tage). Im Gegensatz dazu besteht in Kärnten (31 Tage) der größte Aufholbedarf. Bei den Privaten sind die flotten Zahler vor allem in Oberösterreich und dem Burgenland (je 12 Tage) zu Hause. Aber auch hier sind es die Kärntner (18 Tage), die sich mit der Bezahlung am längsten Zeit lassen.
Kein Verlass mehr auf die Länder?
Wie der Austrian Business Check des KSV1870 bestätigt, benötigt der Bund aktuell durchschnittlich 34 Tage, um offene Forderungen zu bezahlen – und damit um einen Tag länger als im Vorjahr. Einen besonders großen Sprung in die falsche Richtung haben die Länder gesetzt. Diese benötigen um fünf Tage länger als im vergangenen Jahr und bezahlen nun ebenfalls erst nach 34 Tagen. Damit liegen sowohl Bund als auch Länder über dem gesetzlichen Zahlungsziel von 30 Tagen. Wie schon in der Vergangenheit sind die Gemeinden mit einer Zahlungsdauer von 25 Tagen die „Musterschüler“ der öffentlichen Hand. „Es zeigt sich einmal mehr, dass ein längeres Zahlungsziel kontraproduktiv ist und die Firmen dadurch länger auf ihr Geld warten müssen“, so Koch.
Motive: Ineffizienz, Vergesslichkeit, Macht
Als Gründe für verspätete Zahlungen seitens der Firmen werden weiterhin eine ineffiziente Verwaltung (52 %) und ein momentaner Liquiditätsengpass (40 %) am häufigsten angeführt. Während im Bereich der Privaten die Vergesslichkeit (52 %) am öftesten zu verspäteten Zahlungen führt, ist es bei der öffentlichen Hand, nach Einschätzung der Befragten, das Ausnützen einer gewissen Machtposition (47 %). Aber auch die Faktoren Bürokratie, komplizierte Prozesse und der Personalmangel werden hier besonders häufig erwähnt und kommen zusammen auf 48 %.
2023: Kommt die große Verschlechterung?
Was wir heuer in Bezug auf die Zahlungsmoral sehen, sind nur die Vorboten. Im nächsten Jahr rechnet jedes zweite Unternehmen mit vermehrten Zahlungsschwierigkeiten.
Wie die aktuelle Umfrage zeigt, hat sich die heimische Zahlungsmoral in den vergangenen Monaten eingetrübt. Lediglich ein Drittel der Unternehmen ist davon nicht betroffen und befindet sich in der glücklichen Lage, keinen Forderungen „nachlaufen“ zu müssen. Während rund die Hälfte der Betriebe bei bis zu 5 % der eigenen Forderungen Maßnahmen ergreifen muss, um doch noch zu ihrem Geld zu kommen, ist das für knapp 20 % deutlich öfter der Fall. Am häufigsten geht es dabei um Forderungsverluste von bis zu 50.000 Euro. Was die Zahlungsmoral im kommenden Jahr angeht, so sind die Aussichten massiv von den aktuellen Herausforderungen und Ängsten geprägt: Rund die Hälfte der Unternehmen rechnet mit einer weiteren Verschlechterung: „Was wir heuer in Bezug auf die Zahlungsmoral sehen, sind nur die Vorboten. Im nächsten Jahr rechnet jedes zweite Unternehmen mit vermehrten Zahlungsschwierigkeiten seiner Kunden und Geschäftspartner. Eine derart negative Einschätzung hat es bei unseren Umfragen noch nie gegeben“, so Koch.
Zur Umfrage: Im Rahmen der aktuellen Austrian-Business-Check-Umfrage hat der KSV1870 im August 2022 in Zusammenarbeit mit Marketagent rund 1.500 Unternehmen zu aktuellen Wirtschaftsthemen und der heimischen Zahlungsmoral befragt.
Offene Forderungen? Das können Sie tun.
- Vorsicht ist besser als Nachsicht
Prüfen Sie die Bonität Ihrer Kunden vor jedem Geschäftsabschluss und behalten Sie jene Ihrer Stammkunden stets im Blick.
- Halten Sie alles schriftlich fest
Achten Sie besonders darauf, dass Geschäftsabschlüsse und Rahmenbedingungen schriftlich festgehalten und bestätigt werden.
- Legen Sie großen Wert auf das Kleingedruckte
Erstellen Sie für Ihr Unternehmen Allgemeine Geschäftsbedingungen und tragen Sie Sorge, dass Ihr Kunde diese kennt und mit Unterschrift bestätigt.
- Nennen Sie das Kind beim Namen
Erfassen Sie immer alle Daten Ihrer Kunden: Name, Adresse, Geburtsdatum, Telefonnummer, Handynummer und E-Mail-Adresse.
- Zeit ist Ihr Geld
Legen Sie Ihre Rechnung sofort nach Leistungserbringung, immer unter Angabe des Zahlungszieles. Tipp: Im kostenlosen Whitepaper erfahren Sie, was es rund um Rechnungen zu beachten gilt.
- Vertrauen ist gut, Absicherung ist besser
Stimmen Sie einem nachträglichen Wunsch auf Änderung des Rechnungsadressaten nur zu, wenn der bisherige Adressat weiterhin schriftlich für die Bezahlung einsteht.
- Schieben Sie nichts auf die lange Bank
Wird das vereinbarte Zahlungsziel von Ihrem Kunden nicht eingehalten, mahnen Sie unverzüglich.
- Halten Sie Kontakt
Unter Umständen bedarf es der Rücksichtnahme auf spezielle Situationen und Bedürfnisse. Rufen Sie Ihre Kunden an und vereinbaren Sie eine für Sie akzeptable Zahlungsvereinbarung.
- Bei Nichtzahlung sofort aktiv werden
Je länger eine Rechnung offen ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines gänzlichen Zahlungsausfalls. Sind interne Mahnschritte erfolglos, sollten offene Forderungen einem Inkassospezialisten übergeben werden.
Quelle: Coverstory KSV1870 Magazin forum.ksv - Ausgabe 4/2022
Studie Austrian Business Check Zahlungsmoral 2022 zum Download.