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Wer packt in Zukunft an?

Dass Unternehmen händeringend nach Fachkräften suchen, ist nicht neu. Mittlerweile sind nicht nur Spezialisten, sondern sämtliche Arbeitskräfte rar. Erfolgreiche Unternehmen gehen hier neue Wege.

Text: Markus Mittermüller

Diese Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache. Die Wirtschaftskammer meldet ein Allzeithoch in der Industriebranche. Über 80 % der Betriebe sind aktuell vom Fachkräftemangel betroffen. Doch die Suche nach qualifiziertem Personal trifft schon lange nicht mehr nur einzelne Branchen. Hochgerechnet auf ganz Österreich, hat sich der Fachkräftebedarf von 177.000 im Jahr 2020 auf 221.000 im Jahr 2021 erhöht, so das Ergebnis des Fachkräfteradars des Österreichischen Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw). Ebenso alarmierende Ergebnisse liefert die Studie „Fachkräftemangel im österreichischen Mittelstand“ der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY. Die mittelständischen Unternehmen sehen den Fachkräftemangel unter den Top-3-Risiken für das eigene Geschäft. Und 35 % der Betriebe verlieren sogar Umsätze aufgrund des Fachkräftemangels.

 

Krise verschärft Fachkräftemangel.

„Dieses Thema wird uns auch noch die nächsten zehn Jahre beschäftigen“, erklärt Erich Lehner, Managing Partner Markets bei EY Österreich. Denn der bisherige Mangel an Fachkräften habe sich mittlerweile zu einem allgemeinen Arbeitskräftemangel ausgeweitet. „Die Pandemie hat die Rasanz und Ausprägung dieses Trends noch einmal sehr stark verändert“, so Lehner. Die grundlegende Ursache für dieses Problem sieht er in der demografischen Entwicklung. Denn laut Statistik Austria wird die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter bis zum Jahr 2030 um 170.000 Personen abnehmen. Das bedeutet, dass quantitativ einfach zu wenig Arbeitskräfte am Markt zur Verfügung stehen, um den Bedarf abzudecken. An der Stelle taucht natürlich die Frage auf: Und was ist mit den Arbeitsuchenden, können sie diese Lücke nicht füllen? „Wir befinden uns auch in einer Transformation bei den Qualifikationsanforderungen. Umschulen ist nicht bei jeder Person möglich“, sagt Lehner. Ulrike Huemer, Arbeitsmarktökonomin beim Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO), sieht eine Änderung bei der Struktur der Arbeitslosigkeit: „Mit der Zahl der Arbeitslosen liegen wir zwar aktuell wieder unter dem Vorkrisenniveau, die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist aber höher.“ Dass offene Stellen oft nicht besetzt werden können, liegt laut Huemer neben fehlenden Qualifikationen auch an räumlichen Diskrepanzen und unattraktiven Arbeitsbedingungen, wie zum Beispiel im Pflegebereich.

 

Plan B für den Arbeitsmarkt.

Was können Unternehmen also tun, um dennoch qualifizierte Mitarbeiter zu finden? Eine in Österreich noch eher ungewöhnliche Initiative hat der Leiterplattenhersteller AT&S gestartet. Aufgrund von Wachstumsplänen will das Technikunternehmen in den kommenden Jahren 700 neue Mitarbeiter einstellen. Ein herausforderndes Unterfangen. Daher zahlt das Unternehmen den eigenen Mitarbeitern, die Kandidaten aus ihrem persönlichen Umfeld empfehlen, einen Bonus von 1.000 Euro. „Dieses Empfehlungsprogramm haben wir schon in China genutzt, und es hat sehr gut funktioniert“, sagt Erwin Zarfl, Director of Human Resources bei AT&S. Und es klappt offensichtlich auch in Österreich: 70 neue Mitarbeiter sind im Vorjahr allein über Empfehlungen eingestellt worden. Die Vorteile dieser Initiative liegen für Zarfl klar auf der Hand: „Unsere Mitarbeiter überlegen sehr gut, wen sie empfehlen und ob die Person für die Stelle passen könnte. Andererseits bekommen die Bewerber vorher schon gute Insights und wissen, was sie bei uns erwartet.“ Als „Allheilmittel“ bei der Fachkräftesuche sieht Zarfl diese Methode allerdings nicht: „Es ist ein guter zusätzlicher Kanal, da es für das Unternehmen die beste Werbung ist, wenn es von den eigenen Mitarbeitern empfohlen wird.“

 

Internationalisierung vorantreiben.

„Grundsätzlich ist es wichtig, in Österreich die MINT-Fächer zu stärken und mehr Aufmerksamkeit für Jobs in der Technik zu schaffen. Denn diese Jobs sind auch zukunftssicher.“

Langfristig gesehen müssen aber andere Weichen gestellt werden, damit der Fachkräftebedarf heimischer Unternehmen gestillt werden kann. AT&S setzt hier auf Internationalität und möchte sich zum einen bei Absolventen europäischer FHs und Unis mit Schwerpunkt Technologie als attraktiver Arbeitgeber positionieren und zum anderen auch über Austauschprogramme Studierende aus China oder Japan nach Europa holen. „Grundsätzlich ist es wichtig, in Österreich die MINT-Fächer zu stärken und mehr Aufmerksamkeit für Jobs in der Technik zu schaffen. Denn diese Jobs sind auch zukunftssicher“, so der Human-Resources-Experte.

 

Ausbildung ist das Nonplusultra.

Auf die Wichtigkeit der Ausbildung weist auch Huemer hin: „Jugendliche, die maximal einen Pflichtschulabschluss haben, sind die Langzeitarbeitslosen von morgen.“ Die Ausbildungspflicht bis 18 Jahre ist ein wichtiger Ansatzpunkt. „Entscheidend ist, ein starkes Fundament zu haben – unabhängig davon, welche Ausbildung die Jugendlichen wählen. Denn auch die berufliche Nachfrage ist Änderungen unterworfen, wodurch eine Weiterentwicklung der Kompetenzen oder eine berufliche Umorientierung im Erwerbsleben notwendig werden kann“, so die WIFO-Expertin. Flexibilität fordert Lehner auch von den Unternehmen ein. „Die Generation unter 30 Jahren tickt anders, starre Arbeitsstrukturen kommen hier nicht an. Wir müssen in die junge Generation hineinhören, sonst verlieren wir sie“, erklärt Lehner.