Was haben Uber, Amazon, Facebook, Checkfelix und Willhaben gemeinsam? Sie setzen auf die Plattformökonomie und sind damit erfolgreich. Dabei wurden viele Möglichkeiten der Plattformökonomie bislang noch kaum genutzt. Auch heimische KMU setzen viel zu selten darauf und verlieren dadurch zahlreiche Kunden.
Text: Stephan Scoppetta
Am Anfang war das Buch. 1994 gründete der Informatiker Jeff Bezos im Raum Seattle im US-Bundesstaat Washington das Unternehmen Amazon, um online Bücher zu verkaufen. 1995 verkaufte er das erste Buch, „Fluid Concepts and Creative Analogies“ von Douglas R. Hofstadter. So die Information eines täglich millionenfach genützten Online-Lexikons, das – wie Amazon selbst – seinen Erfolg auf die Plattformökonomie stützt. Amazon beschäftigte 2020 über 1.298.000 Mitarbeiter und erwirtschaftete einen Umsatz von 386 Milliarden US-Dollar (ca. 328,95 Milliarden Euro). Zum Vergleich: Österreichs Staatseinnahmen betrugen im selben Zeitraum 184,2 Milliarden Euro. Vor allem in den USA und in China nutzen viele erfolgreiche Online-Unternehmen die Plattformökonomie. Beispiele sind Apple, Google, Alibaba, JD.com, Sunning, Facebook, Uber und Netflix. Experten sehen in der Plattformökonomie den Motor der digitalen Transformation.
Die Basis erfolgreicher Unternehmen.
Es sind vorwiegend Online-Handelsriesen aus den USA und aus China, die es verstehen, die Plattformökonomie erfolgreich zu nutzen – diese ist aber nicht neu und auch keine Erfindung des Internets. Plattformen sind altbewährt, und ihr Prinzip ist einfach zu erklären: Es geht nicht darum, ein bestimmtes Produkt herzustellen oder eine bestimmte Dienstleistung anzubieten. Vielmehr geht es um die Beziehungen zwischen den teilnehmenden Akteuren, etwa um die Beziehungen zwischen Unternehmer untereinander, also Business to Business (B2B). Stehen Beziehungen zwischen Unternehmer und Verbraucher im Fokus, spricht man von Business to Customer (B2C). Plattformen wie Willhaben managen Beziehungen zwischen Verbrauchern, also Customer to Customer (C2C). Diese drei Bereiche werden dem E-Commerce zugerechnet. Daneben gibt es auch den administrativen Bereich. Dort treffen wir auf Beziehungen zwischen Behörden und Unternehmer (Government to Business, G2B) und zwischen Behörden und Bürger (Government to Customer, G2C). Plattformen sind ein Netzwerk, die Teilnehmer sind die Akteure.
Revolution der Wirtschaft.
Typisch für Plattformen ist der Netzwerkeffekt: Je attraktiver das Angebot ist, desto mehr Interessenten zieht die Plattform an. Und je mehr Interessenten die Plattform besuchen, umso attraktiver wird das Angebot.
Typisch für Plattformen ist der Netzwerkeffekt. Dieser besagt: Je attraktiver das Angebot ist, desto mehr Interessenten zieht die Plattform an. Und je mehr Interessenten die Plattform besuchen, umso attraktiver wird das Angebot. Ein Beispiel: Besucher können sich auf der Plattform einer Messe über neue Produkte informieren, die Preise vergleichen und eine freie Entscheidung treffen. Aussteller profitieren davon, dass sie auf viele Interessenten treffen und wichtige Informationen über deren Bedürfnisse und Wünsche erfahren. Plattformen wie Messen und Ausstellungen haben bereits vor der Erfindung des Computers die Wirtschaft und unser Leben verändert. Auch das war revolutionär. Doch das Internet ist weder zeitlich noch räumlich beschränkt, weshalb die Plattformökonomie in den unendlichen Weiten der Glasfaserkabel auch so erfolgreich ist.
Die Plattformökonomie im Internet – so beeinflusst sie unser Leben.
Doch für die digitale Plattformökonomie braucht es mehr, als eine Messeveranstaltung in die virtuelle Welt zu hieven. Wie kompliziert das ist, hat sich nicht zuletzt am wenig erfolgreichen Bundesprojekt „Kaufhaus Österreich“ gezeigt. Linklisten von Anbietern ins Netz zu stellen mag zwar 1995 noch cool gewesen sein, doch 2021 war das der falsche Weg. Heute braucht es viel technisches Know-how und ausgefeilte Marketingstrategien. Amazon oder Netflix haben das nahezu perfektioniert und so ganze Wirtschaftszweige verschwinden lassen. Mit der Botschaft, du kannst Filme kaufen und schauen, wann und wo immer du willst, wurden Videotheken quasi vom Markt geräumt. Heute wird bereits völlig anders konsumiert wie noch vor 20 Jahren, und manche Kinder wissen schon nicht mehr, was lineares Fernsehen ist, weil sie ihre Inhalte nur noch streamen.
Heute will man Dinge nur noch benutzen, aber nicht mehr besitzen.
Der Gedanke der Plattformökonomie unterliegt aber auch im Internet einem Wandel. Ging es anfangs um den Konsum, so wird heute das Teilen zum Geschäftsmodell. Bei der sogenannten Sharing Economy geht es nicht mehr darum, Autos und Wohnungen zu besitzen, sondern sie mit anderen Menschen zu teilen. Die Idee ist, Dinge dann zu nutzen und dafür zu bezahlen, wenn man sie benötigt. Das befreit von Ballast und schont Ressourcen. User haben außerdem das gute Gefühl, ökologisch korrekt zu handeln. Wie erfolgreich solche Plattformen sein können, zeigt zum Beispiel das Online-Portal Airbnb, das mittlerweile den weltweiten Hotelmarkt völlig umgekrempelt hat. Veränderungen gab es auch beim Thema Finanzen. Gab es bis Mitte der 1990er-Jahre für Privatanleger so gut wie keine Alternativen zum Sparbuch, so können sie heute das Angebot an Online-Brokern und deren Finanzprodukten kaum noch überblicken. Die Plattformökonomie im Netz greift immer mehr um sich und erfasst auch sensible Bereiche, wie zum Beispiel Gesundheit und Bildung – und sie wächst unaufhörlich weiter.
Österreichs KMU brauchen einen Booster.
Während Österreichs Behörden seit einigen Jahren die digitale Transformation vollziehen und gut funktionierende Online-Dienste entwickeln, gibt es beim Großteil der heimischen KMU noch großen Nachholbedarf. Viele Dienstleistungen und Waren aus Österreich werden nicht einmal im Internet angeboten, und wenn, dann werden sie schlichtweg nicht gefunden. Laut einer aktuellen Herold-Studie ist der großen Mehrheit heimischer Klein- und Mittelunternehmern die Bedeutung der Suchmaschinenoptimierung offenbar nicht bewusst. Nur 34 % der 1.400 untersuchten KMU machen sich die Mühe und betreiben Suchmaschinenoptimierung, lediglich 25 % nutzen Werbemaßnahmen wie Google Ads. Für die Studie wurden außerdem 1.000 Verbraucher zu ihrem Konsumverhalten befragt.
Viele Dienstleistungen und Waren aus Österreich werden nicht einmal im Internet angeboten, und wenn, dann werden sie schlichtweg nicht gefunden.
Das Ergebnis: Rund 71 % der Konsumenten wählen ihren Anbieter auf Basis einer persönlichen Empfehlung. Aber bereits 57 % der Befragten nutzen für die Suche nach einem Anbieter das Internet. 92 % nutzen dazu Google, gefolgt von Branchen- und Themenportalen. Umgekehrt überschätzen laut der Studie KMU die Möglichkeiten von Social Media. Rund 40 % der untersuchten Betriebe haben einen Social-Media-Account. Der Anteil der Unternehmer mit Social-Media-Account unter 35 Jahren beträgt sogar 63 %. Fragt man Konsumenten nach der Bedeutung von Social Media, macht sich Ernüchterung breit. Lediglich 13 % nutzen Facebook & Co. für die Suche nach einem geeigneten Anbieter. Auch an den Internetauftritten der heimischen KMU gab es Beanstandungen. Die Untersuchung zeigte, dass 70 % der Befragten wegen falscher Angaben zu Öffnungszeiten schon einmal vor verschlossenen Geschäften standen. Für Ärger sorgen auch fehlende Kontaktmöglichkeiten und langsame Ladezeiten der Websites. Komplizierte Bestellverfahren und zu wenige Bezahloptionen sind weitere Kritikpunkte.
Pioniere schlagen sich gut, aber das ist eine breite Bewegung.
Doch im Schatten der Global Player wie Amazon, Facebook, Alibaba und Co. können auch österreichische Unternehmen reüssieren. Die Tauschplattform Willhaben zum Beispiel kann sich mit monatlich rund 21,5 Millionen Views in Österreich behaupten und bedient vornehmlich den heimischen Markt. Und auch das Online-Reisevergleichsportal Checkfelix ist mit knapp 700.000 Views pro Monat vorne dabei. Anerkennung verdienen auch die vielen Essenszusteller, die während der Corona-Krise bewiesen haben, wie erfolgreich kleine Restaurants im B2C-Bereich sein können. Der Zug ist also für österreichische Unternehmen noch nicht abgefahren. Zeit, um die Digitalisierung vor sich herzuschieben, bleibt aber keine. Die 328.000 heimischen KMU bilden das Rückgrat der heimischen Wirtschaft, deshalb ist es umso wichtiger, dass diese die digitale Transformation einleiten. Besonders KMU im Dienstleistungssektor sollten auf das Thema Digitalisierung und Plattformökonomie setzen, andernfalls droht ihnen ein ähnliches Schicksal wie dem stationären Handel nach dem Markteintritt von Amazon und Co.