„Risikoprämien für Finanzierungen sind erhöht“

Thomas Url, Wirtschaftsforscher beim WIFO, spricht im Interview über die Eigenkapitalausstattung der heimischen Unternehmen, Risikoprämien und Kapitalmarktfinanzierungen.

Interview: Stephan Scoppetta

Foto von Thomas Url, Wirtschaftsforscher beim WIFO
Thomas Url, Wirtschaftsforscher WIFO, Foto: WIFO

Was ist die beliebteste Finanzierungsform der österreichischen Unternehmen?

Thomas Url: Im Durchschnitt über alle Unternehmen (ohne Holdinggesellschaften) ist Eigenkapital mit einem Anteil von rund 40 % an der Bilanzsumme die beliebteste Finanzierungsform österreichischer Unternehmen, wobei es durchaus beträchtliche Unterschiede zwischen Wirtschaftsbereichen und Unternehmensgrößenklassen gibt. Die niedrigste Eigenkapitalausstattung haben Kleinbetriebe in der Gastronomie und Beherbergung, und die höchste ist in den Großunternehmen aus dem Bereich Information und Kommunikation zu finden. 

Wie effektiv sind diese in der aktuellen wirtschaftlichen Lage?

Eigenkapital spielt in konjunkturell schwierigen Zeiten eine besonders wichtige Rolle, weil es die Möglichkeit für zusätzliche Fremdfinanzierungen bestimmt und rückläufige Umsätze rasch den Cashflow aufzehren.

Welche Auswirkungen hatte der massive Zinsanstieg in den letzten Jahren auf die heimische KMU-Finanzierung? 

Die heimischen KMU geben im Durchschnitt rund 1,5 % ihres Nettoumsatzes für Zinsen aus, wobei dieser Wert in der Gastronomie auf 2,5 % und im Wohnungswesen auf 7,6 % steigt. Bei kurzfristigen Kreditlaufzeiten oder variabler Verzinsung steigt der Zinsaufwand rasch und verstärkt die Wirkung der konjunkturbedingt niedrigeren Einnahmen. 

Wie würden Sie die aktuelle Kapitalbasis der heimischen KMU beurteilen?

Im Durchschnitt sind die österreichischen Unternehmen gut mit Eigenkapital ausgestattet. Bedenklich ist es an den Rändern mit hohem Fremdfinanzierungsgrad und rascher Zinswirkung. Dort werden auch Investitionsvorhaben am schnellsten aufgeschoben oder sogar aufgegeben. 

Welche aktuellen Herausforderungen sehen Sie für KMU in Österreich, wenn es um die Beschaffung von Finanzmitteln geht?

Derzeit besteht an den Finanzmärkten und im Kreditwesen eine erhebliche Unsicherheit über den Beginn des Aufschwungs. Das erhöht einerseits die Risikoprämie für Finanzierungen und führt andererseits zur Ablehnung von Finanzierungswünschen. Für KMU sind derzeit nur noch überzeugende Businesspläne mit hoher erwarteter Profitabilität finanzierbar. 

Die Beziehung der KMU zur Hausbank und das Bedürfnis, die Eigentümerrechte in der Unternehmensleitung zu bewahren, verdrängen alternative Finanzierungsformen.

 

 

 

 



Wie unterscheiden sich die Finanzierungsmöglichkeiten für KMU in Österreich im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, insbesondere in der Nutzung alternativer Finanzierungsformen?

Österreich gehört traditionell zu den Ländern mit einer stark bankbasierten Fremdfinanzierung. Die Beziehung der KMU zur Hausbank und das Bedürfnis, die Eigentümerrechte in der Unternehmensleitung zu bewahren, verdrängen alternative Finanzierungsformen. Umfangreiche Offenlegungspflichten erschweren den Zugang zum Kapitalmarkt. Gleichzeitig ist die Veranlagung privater Haushalte sehr auf Einlagen im Kreditwesen konzentriert. Während Investmentfonds mittlerweile verbreitet sind, hielten 2021 nur 6 % der Haushalte direkt Aktien. Bis 2024 könnte dieser Anteil auf 14 % gestiegen sein. 

In den letzten Jahren sind alternative Finanzierungsformen wie z. B. Crowdfunding, Factoring etc. populär geworden. Welche Rolle spielen diese hierzulande?

Das System der Lieferverbindlichkeiten wird von KMU intensiv genutzt und macht knapp 4 % der Bilanzsumme aus. Für Factoring gibt es zumeist Mindestsummen für die abgetretenen Lieferforderungen, daher steht Factoring erst ab einer Bilanzsumme von rund vier Millionen Euro zur Verfügung. Crowdfunding kann hingegen für attraktiv dargestellte Investitionsprojekte auch von Kleinstunternehmen eingesetzt werden. Für kleine Projekte gelten auch vereinfachte Prospektpflichten. Die Fremdfinanzierung dominiert in diesem Bereich mit 9:1 gegenüber der Aufbringung von Eigenkapital. Insgesamt dürften rund 0,5 % der Bilanzsumme aller Unternehmen aus Crowdfunding stammen. 

Wie bewerten Sie die derzeitige Politik in Bezug auf die Unterstützung der KMU-Finanzierung? 

Die KMU-Finanzierung für Investitionsvorhaben und die Frühphasenfinanzierung sind in Österreich gut mit Fördermöglichkeiten ausgestattet. Im Vergleich zum Ausland erleichtern breit aufgesetzte öffentliche Garantien die Kreditfinanzierung. 

Welche politischen Maßnahmen wären notwendig, um den Zugang zu Kapital für KMU zu verbessern? Gibt es spezifische Regulierungen, die angepasst werden sollten?

Insgesamt sind die Zugangsmöglichkeiten für KMU gut ausgestaltet – das umfasst auch die Möglichkeiten zur frühzeitigen Umstrukturierung von Schulden im Insolvenzfall. Eine bisher ungenutzte Option zur Verbesserung der Finanzierungsmöglichkeiten wäre die Gleichstellung von Eigen- und Fremdkapital in Bezug auf die Absetzbarkeit von Zinsausgaben. 

Welche Trends und Entwicklungen erwarten Sie bei den KMU in den nächsten Jahren?

Es gibt eine langfristige Verschiebung von physischem Kapital (Maschinen und Gebäude) zu intangiblem Kapital (Markenrechte, Lizenzen, Patente, Know-how). Diese Verschiebung verringert die Belehnbarkeit der Aktiva im Unternehmen und damit auch die Bereitwilligkeit der Kreditinstitute zur Kreditfinanzierung. 

 

Aus dem Magazin forum.ksv - Ausgabe 03/2024.