Vom Einhorn zum Zebra: Disruptive, schnell wachsende Start-ups wie AirBnB oder Uber sind weltweit bekannt. Unter diese Einhörner mischen sich jetzt Zebras, die nachhaltiger und sozialer agieren.
Text: Markus Mittermüller
Die Idee der Zebras steht für Realismus und Dualität – weder hyperkapitalistisch noch reines Social Entrepreneurship.
Das Silicon Valley gilt für viele Gründer immer noch als Ort der Sehnsucht. Denn dort leben nicht nur 3,5 Millionen Menschen, sondern es sind auch geschätzte 60.000 Start-ups tätig, davon 30.000 im Technologiebereich. Die Region in Kalifornien ist berühmt als Wiege vieler Internetriesen wie Google, des Fahrdienstes Uber oder des Zimmervermittlers AirBnB. Die Kehrseite der Medaille ist jedoch weniger bekannt. Von den meisten Start-ups hört niemand etwas – denn sie überleben nicht einmal das erste Jahr. Das sind Gründer, die nie Risikokapital aufstellen konnten oder ausreichend Geld verdienten, um weiterzumachen. Wer überlebt, sind beispielsweise die sogenannten Einhörner. Diese haben eine Marktbewertung vor einem Börsengang von über einer Milliarde US-Dollar und zeichnen sich dadurch aus, dass sie disruptiv sind, schnell wachsen und ihre Marktposition, im Idealfall als Monopolist, absichern wollen.
Am Futtertrog des Profits.
Aber Einhörner sind auch eines: Sie sind nicht echt. Im Gegensatz zu Zebras. Diese haben sich in den vergangenen Jahren verstärkt unter die Start-up-Herde gemischt. Als solidere und nachhaltigere Wirtschaftswesen, die gesellschaftliche Probleme lösen und nicht ausschließlich am Futtertrog des Profits naschen wollen. „Mit dem Begriff ‚Zebra‘ ist ein neu gegründetes Unternehmen gemeint, das nicht gleich eine ganze Branche disruptieren möchte, sondern einfach nur ein realistisches ehrgeiziges Wachstumsziel hat. Die schwarz-weißen Streifen wiederum stehen für die Verbindung von kommerzieller Orientierung und prosozialem Engagement“, erklärt Nikolaus Franke vom Institut für Entrepreneurship der Wirtschaftsuniversität Wien. Er präzisiert: „Die Idee der Zebras steht für Realismus und Dualität – weder hyperkapitalistisch noch reines Social Entrepreneurship.“ Beispiele für Zebras sind etwa die 2005 gegründete E-Commerce-Website Etsy, die sich auf den Kauf und Verkauf von handgemachten Produkten, Vintage und Künstlerbedarf spezialisiert hat, oder Basecamp, ein Unternehmen, das Start-ups umfassend dabei unterstützt, im Silicon Valley Fuß zu fassen.
Immer mehr Gründerinnen.
Irene Fialka, Leiterin des universitären Gründerservice Wien (INiTS), verweist noch auf einen speziellen Aspekt, der Zebras auszeichnet. „Diese sind nicht nur nachhaltiger, sondern auch diverser“, so Fialka. Und meint damit unterschiedliche Geschlechter und Kulturen. Die Anzahl der Frauen unter den Gründern steigt, bei den Social Entrepreneurs sind sie laut Fialka schon in der Mehrheit. Sind also die Zebras auch schon in Österreich angekommen? „Der Begriff selbst hat sich bei uns noch nicht herumgesprochen“, meint Bernhard Lehner, Vorstand und Co-Founder der startup300 AG. In Österreich sind laut Lehner seit jeher überwiegend Zebras unterwegs, da es für Einhörner weder die notwendigen Geldmengen noch Kunden gebe. „Gründer sind fast gezwungen, gezielt Nischen zu suchen sowie umsatznah und mit oft eher lokalem Impact zu agieren“, so der Experte.
Natürlich sind Themen wie Ökologie, Nachhaltigkeit und Gesellschaftsorientierung auch in Österreich wichtig. Vielen Entrepreneuren ist es ein Anliegen, dass ihr Start-up einen Sinn hat.
Start-ups mit Sinn.
Unabhängig davon, als welches Tier die jungen Unternehmen kategorisiert werden, ist ein Wandel spürbar. „Man muss bei diesen ganzen Trends vorsichtig sein. Selbstverständlich ist die Start-up-Szene viel heterogener, als diese einprägsamen Figuren suggerieren, auch in den USA, wo der Trend geprägt wurde. Aber natürlich sind Themen wie Ökologie, Nachhaltigkeit und Gesellschaftsorientierung auch in Österreich wichtig. Vielen Entrepreneuren ist es ein Anliegen, dass ihr Start-up einen Sinn hat“, erklärt Franke. Dass Unternehmer gar nicht mehr umhinkönnen, Ökologie und Umweltschutz schon bei der Gründung mitzudenken, bestätigt Fialka: „Das wird immer mehr zum Teil des Employer Branding. Die Unternehmen brauchen junge Talente, diese wachsen jetzt alle schon mit dem Umweltgedanken auf.“
Wie in einer Ehe.
Egal, ob Zebra oder Einhorn – die grundsätzlichen Erfolgsfaktoren für Start-ups bleiben gleich. Das Gründerteam muss gut und richtig zusammengesetzt sein, „denn das ist wie in einer Ehe“, sagt Lehner. Die Finanzierung sollte von Beginn an klar sein und Investoren im besten Fall nicht nur Geld, sondern auch einen zusätzlichen Mehrwert, wie eigenes Know-how, mit in das Projekt einbringen. Entscheidend ist auch die Einschätzung des eigenen Charakters. „Bin ich selbst ein Gründertyp und auch bereit, mich voll reinzuhauen und auf vieles zu verzichten?“, ist eine Frage, die sich laut Lehner jeder vor der Gründung selbst stellen muss. Auch Frankes Einschätzung geht in diese Richtung: „Nach wie vor geht es um Kreativität, Mut, Flexibilität und Geschwindigkeit. Start-ups sind natürlich immer an den großen Veränderungen orientiert. Wo Technologien entstehen, Märkte sich verschieben bzw. neu entstehen, wo gesellschaftliche Änderungen passieren, da tun sich Möglichkeiten auf. Und die sind das Lebenselixier für Start-ups.“