Neben Erfolgsstorys gab es in Österreichs Start-up-Szene zuletzt auch aufsehenerregende Pleiten. Dass nicht jeder Erfolg haben kann, liegt in der Natur der Sache. Aber es gibt sehr wohl wiederkehrende Gründe für das Scheitern von Start-ups.
Text: André Exner
Vor drei Jahren mit hochtrabenden Plänen gestartet, verkündet der Wiener Shopping-App-Entwickler Sweazer auf seiner Website das Aus: „Wir danken Euch allen für Eure Unterstützung und Treue. Hoffentlich sehen wir uns beim nächsten Projekt“, lauten die Abschiedsworte. Sweazer ist kein Einzelfall: Neben Erfolgsstorys produziert Österreichs Start-up-Szene immer wieder auch traurige Meldungen. Während manche unzählige Niederlassungen eröffnen, schlittern andere in die Insolvenz. Allein 2018 hat es mit Rublys, Zoomsquare und Nixe drei bekannte Start-ups erwischt – und das Jahr ist noch nicht vorbei. Jedes zehnte neu gegründete Unternehmen scheitert innerhalb der ersten fünf Jahre. Dabei entfällt in Österreich etwa ein Drittel der Insolvenzen auf Start-ups, die innerhalb der ersten drei Jahre wieder zusperren müssen. „Jedem Gründer muss klar sein, dass die ersten Jahre auch die Jahre der Bewährung sind. Sie sind Schicksalsjahre und Feuertaufe zugleich“, so Gerhard Wagner, Geschäftsführer der KSV1870 Information GmbH.
Was braucht es? Erfolgreiche Jungunternehmer sehen in erster Linie zwei Probleme, die ein Start-up scheitern lassen: „Neben fehlender Harmonie zwischen den Gründern ist in einer fortgeschrittenen Phase das Finden einer Anschlussfinanzierung oftmals ein großes Problem“, meint etwa Richard Knor, Gründer des App-Entwicklers GetHungry. Denn die wenigsten Gründer sind hochqualifizierte Finanzexperten, wie Reinhard David Brandstätter, CEO und CO-Founder von Qravity, einem Pionier im Bereich des digitalen Entertainments, erklärt: „Wer sich dafür entscheidet, ein Unternehmen aufzubauen, muss sich darüber im Klaren sein, dass ein beträchtlicher Teil der Zeit darin besteht, sich mit Faktoren wie betrieblichen Auflagen, rechtlichen Aspekten, Buchhaltung und Steuern oder dem Datenschutz zu beschäftigen.
Wer sich dafür entscheidet, ein Unternehmen aufzubauen, muss sich darüber im Klaren sein, dass ein beträchtlicher Teil der Zeit darin besteht, sich mit Faktoren zu beschäftigen, die mit der eigentlichen Unternehmensidee nichts zu tun haben.
Das alles hat mit der eigentlichen Unternehmensidee nichts zu tun.“ Gründer müssen allerdings genau in diese Themen investieren, um nicht nach den ersten Jahren die Pforten schließen zu müssen. Und selbst dann ist es – um nachhaltig Erfolg zu haben – notwendig, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, wie Michael Goblirsch, Partner beim Nahrungsmittel-Investor Square One Foods, meint: „Manchmal kommt eine Idee zu früh oder zu spät. Und oft fehlt einfach die nötige Portion Glück zum Erfolg.“
Flexibilität als Erfolgsfaktor. Neben einem gut funktionierenden Team, Kapital und einer Prise Glück braucht es zudem auch Fingerspitzengefühl für die Marktgegebenheiten – insbesondere in Geschäftsbereichen, in denen sich auch Milliardenkonzerne tummeln. „Start-ups wagen sich in neue Geschäftsfelder vor oder wollen bestehende Strukturen mit disruptiven Geschäftsmodellen aushebeln. Von etablierten Playern der ‚Old Economy‘ weht einem dann mitunter viel Gegenwind ins Gesicht. Dafür benötigt es Leute mit Weitblick, um bestehen zu können. Natürlich sind oftmals auch Businesspläne auf sehr optimistischen Erwartungen aufgebaut, und die Realität schaut anders aus“, erklärt Christian Pirkner, CEO des Mobile-Payment-Pioniers Blue Code International AG.
Die Flexibilität zu wahren ist daher das oberste Gebot, um in den schwierigen Anfangsjahren zu bestehen: „Ich glaube, es gibt kein Start-up, das Jahre nach der Gründung den anfänglichen Businessplan auch nur annähernd erfüllt hat, geschweige denn genau das tut, was es ursprünglich tun wollte“, sagt Daniel Horak, Gründer der Crowdinvesting-Plattform Conda. Das deckt sich mit der Erfahrung von Hanno Lippitsch, Gründer von Eversports: „Uns war nach wenigen Monaten klar, dass wir einen neuen Plan brauchen.“ Statt Sportartikel zu verkaufen, hat Lippitsch eine Software für Sportanlagenbetreiber entwickelt und ist inzwischen die führende Plattform in Österreich und Deutschland, um einen Tennis-, Volleyball- oder Fußballplatz online zu buchen.
Veränderung notwendig? Beim Richtungswechsel helfen auch staatliche Institutionen und Förderstellen. „Die Politik kann vieles bewegen, denn sie hat es in der Hand, für die richtigen Rahmenbedingungen zu sorgen“, meint Jürgen Tarbauer, Vorsitzender der Jungen Wirtschaft Wien und selbst erfolgreicher Unternehmensgründer. Dennoch sind die Rahmenbedingungen alles andere als perfekt: Hohe Abgaben, allen voran die Lohnnebenkosten, sowie die lähmende Bürokratie zählen nach wie vor zu den größten Hürden. Hinzu kommt der verstärkte Fachkräftemangel.
Österreichs Szene mit Potenzial. Dennoch oder vielleicht gerade wegen der Schwierigkeiten schlummert in Österreichs Start-up-Szene viel Potenzial. Exits in dreistelliger Millionenhöhe wie bei Runtastic oder MySugr werden daher nicht die einzigen Start-up-Erfolgsstorys made in Austria bleiben. Trotzdem wird es allerdings auch weiterhin Pleiten geben: „Nicht jeder, der an den Start geht, gewinnt ein Rennen. Und in der Wirtschaft gibt es für den zweiten Platz meist keine Silbermedaille“, resümiert Brandstätter und ergänzt: „Es gibt keine allgemein gültige Erfolgsformel. Probleme von Unternehmen, die schon nach wenigen Jahren wieder vom Markt verschwinden, sind so individuell wie ihre Ideen. Jedoch sollte allen Start-ups klar sein, dass sie keinen Sprint, sondern einen Marathon absolvieren, der Ausdauer voraussetzt.“ Außerdem sollten Gründer wissen, mit wem sie es zu tun haben. Schließlich könnte auch der Kunde in die Insolvenz schlittern und so das eigene Unternehmen belasten. Hier gilt die Devise: Vorsicht ist besser als Nachsicht, wobei wertvolle Informationen zumindest in den Anfangsjahren keine Kosten verursachen. Der KSV1870 bietet Jungunternehmern für drei Jahre eine Gratis-Mitgliedschaft an