Rund um das Schuldenregulierungsverfahren, meist „Privatkonkurs“ genannt, gibt es immer wieder Irrtümer und Unklarheiten. Einige der wesentlichen Fragen haben wir hier für Sie beantwortet:
Von manchen Stellen wird die Behauptung aufgestellt, dass verschuldete Personen oft gar nicht die Möglichkeit zu einem Privatkonkurs haben, ihn sich gewissermaßen "nicht leisten" können. Ist das richtig?
Diese Aussage ist juristisch schlicht falsch. Denn egal, wie hoch die Schulden sind: Der Schuldner ist verpflichtet, "ohne schuldhaftes Zögern" (§ 69 IO) den Konkurs selbst zu beantragen. Sein Vorteil dabei ist, dass durch Eröffnung eines Verfahrens seine Schulden eingefroren werden und nicht mehr ansteigen können, weder durch Zinsen, noch durch Kosten (mit Ausnahme gewisser besicherter Verbindlichkeiten).
Ein Privatkonkurs ist nichts, was man sich leisten können muss, sondern eben Pflicht des Schuldners. Menschen im Privatkonkurs haben viele Jahre Zeit, sich finanziell und auch in ihrer Lebenssituation zu stabilisieren. Deutsche Statistiken belegen, dass nicht wenige Schuldner erst im dritten Jahr nach Verfahrenseröffnung wieder über Einkünfte verfügen, die Zahlungen an die Gläubiger gestatten.
Doch muss man nicht 10 % erfüllen, damit es überhaupt zum Privatkonkurs kommen kann?
Nein, denn es gibt sowohl den Zahlungsplan ohne Mindestquote, als auch im Wege der sogenannten „Billigkeit“ ein Raus aus der Schuldenfalle. In diesem Rahmen werden laufend Zahlungspläne unter 10 % geschlossen. Aber auch im Wege der Billigkeitsentscheidung der Gerichte Schuldner mit zum Teil deutlich geringeren Quoten entschuldet. Dabei sind Quoten um oder unter 5 % auch durchaus schon vorgekommen. Die bisher beim KSV1870 dokumentierte niedrigste Entschuldungsquote betrug sogar nur 3,1 %. Es stimmt allerdings, dass der OGH traditionell eine eher strengere Haltung einnimmt als die Untergerichte.
Was bedeutet „Mindestanforderung“ im Zusammenhang mit dem Schuldenregulierungsverfahren? Ist damit gemeint, dass innerhalb von 7 Jahren 10 % der Schulden bezahlt werden müssen?
Nein, denn wenn Gläubiger einer Quote zustimmen, gibt es keine untere Schwelle. Es wurden schon Quoten unter einem Prozent abgeschlossen. Kommt es zu keiner Einigung zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern, dann ist tatsächlich 10 % die vom Gesetz vorgesehene Schwelle, bei deren Erreichung es einen Rechtsanspruch des Schuldners auf Restschuldbefreiung gibt. Das bedeutet aber nicht, dass es sich um eine Mindestanforderung handelt, denn genau für diesen Fall sind mehrere hundert österreichischer Richterinnen und Richter aufgerufen, eine im Einzelfall angemessene Entscheidung zu treffen. Und diese Entscheidungen führen in der Mehrzahl zu Restschuldbefreiungen. Eine Langzeitanalyse des KSV1870 über 230 Fälle aus 2001 ergab, dass 46mal die Restschuldbefreiung unter 10 % erteilt wurde. Dagegen wurde sie nur 30mal versagt, wobei dies teilweise Fälle ohne jegliche Leistung der Schuldner darstellten.
Wie kann ein Schuldner im Schuldenregulierungsverfahren eine Restschuldbefreiung erwirken?
Ein Schuldner, der die Restschuldbefreiung anstrebt, verpflichtet sich mit seinem Antrag, dass er über 7 Jahre seine pfändbaren Einkünfte an einen Treuhänder abtritt. Mehr ist dafür nicht nötig.
Es wird behauptet, dass wer die Mindestquote nicht schafft, nie von seinen Schulden herunterkommt. Wie groß ist dieses Risiko wirklich?
Laut Statistik des KSV1870 wird ca. 12 % der Schuldner mit Quoten unter 10 % entweder im Wege eines Zahlungsplanes oder durch Gerichtsbeschluss der Weg aus den Schulden ermöglicht.
Von diversen Vertretern der Sozialpolitik wird eine Streichung der Mindestquote gefordert. Man geht in der Argumentation davon aus, dass dann auch mehr Geld für die Gläubiger übrigbliebe. Ist das ein realistisches Szenario?
Wie es zugehen soll, dass die Gläubiger mehr Geld bekommen als dies heute der Fall ist, wenn man die Mindestquote abschafft, ist rätselhaft. Wer das behauptet, sollte hinterfragen, wie die Lage in Deutschland ist, wo es diese Mindestquote nicht gibt. Die Ergebnisse in unserem Nachbarland stützen obige Aussage (natürlich) nicht: In Deutschland erhalten die Gläubiger wesentlich weniger als bei uns. Das ist auch vollkommen logisch und steht im Einklang mit unserer Lebenserfahrung: Menschen leisten mehr, wenn es ein Ziel und eine Erwartung gibt, als wenn diese fehlen.
Manchmal ist von einem ausufernden Anwachsen der Kosten und Zinsen die Rede, sodass die Schulden sich verdoppeln und die Situation für Schuldner geradezu ausweglos wird. Passiert dies in der Praxis tatsächlich öfter?
Es gab vor vielen Jahren – wohl noch in „Schillingzeiten“ - einen Fall, den Schuldnerberater gerne als Beispiel für unkontrolliert wachsende Schulden heranziehen, denn da wurden aus Schulden von 35.000 über 15 Jahre angeblich 800.000. Dieser Fall hört sich skandalös an, ist es aber nicht, denn er beruht auf einem Fehler eines Bezirksgerichtesm das eine rechtswidrige Mahnklage abgestempelt hat; es gibt pro Jahr hunderttausende Mahnklagen, da kann schon jemand einmal etwas übersehen. Wäre er zu Zeiten der Geltung des Schuldenregulierungsverfahrens vorgefallen, also nach dem 1.1.1995, dann hätte eine sofortige Konkursbeantragung diesen Zinsenlauf gestoppt und eine normale Entschuldung ermöglicht. Genau solche Fälle zeigen, dass es vielfach sehr sinnvoll und auch hilfreich sein kann, wenn Schuldnern der Gang zum Konkursgericht empfohlen wird, auch wenn momentan die Restschuldbefreiung nicht greifbar ist.
Stimmt es, dass im Parlament schon seit Jahren über die Streichung der 10%igen Mindestquote diskutiert wird?
Nein, die Diskussion findet in der Reformkommission im Justizministerium statt. Dort liegt seit 2007 ein moderates Reformpaket als konsensfähig für die Seite der Kreditgeber in der Lade, das Schuldnern vielfache Erleichterung verschaffen würde. Leider wird es vom Sozialministerium blockiert, da dieses eine Reform ohne gleichzeitige Abschaffung der Mindestquote nicht akzeptieren mag.
Welche Adaptionen wären im Rahmen des Schuldenregulierungsverfahrens sinnvoll?
Es geht vor allem um eine Klarstellung für die Gerichte, dass die sog. Billigkeitsentscheidung bei einem Ergebnis von unter 10% vom Gesetzgeber keine Untergrenze kennt, also im Extremfall sogar gegen Null für die Gläubiger gehen kann: dafür muss es aber ausgesprochen gute und auch besonders ausgefallene Gründe geben und doch gewisse Zahlungen des Schuldners. Derzeit sind die Untergerichte schon viel flexibler, als das Höchstgericht, das zuletzt bei 6,5 % eine Restschuldbefreiung nicht erteilte.
Daneben gäbe es eine Reihe von Verfahrenserleichterungen und Verbesserungen eher technischer Natur. Auch im Bereich des Zivilrechtes (Verzugszinsen, Anrechnung von Zahlungen des Schuldners, Deckelung der Zinsen etc.) gibt es einige konsensfähige Punkte, die ein rasantes Anwachsen der Schulden verhindern würden. All diesen Punkten stehen die Kreditgeber nach unserer Einschätzung durchaus positiv gegenüber. Die Reform könnte schon seit über vier Jahren geltendes Recht sein und vielen Schuldnern helfen.
Rückfragen nehmen wir gerne über ksv.kommunikation@ksv.at entgegen.