Recht: Anrechnung von Sachbezügen auf das KV-Mindestentgelt?

Laut OGH-Urteil dürfen keine Sachbezüge auf das kollektivvertragliche Mindestentgelt angerechnet werden.

Sachverhalt: Der Kläger war bei der Beklagten vom 1. Oktober 2013 bis 15. Juli 2014 als Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Das Dienstverhältnis unterlag dem Kollektivvertrag für Handelsangestellte. Das kollektivvertragliche Mindestentgelt für die Einstufung des Klägers betrug monatlich EUR 1.983 (brutto). Dem Kläger wurde ein Firmenfahrzeug zur Ausübung der Reisetätigkeit zur Verfügung gestellt, wobei im Dienstvertrag festgehalten wurde, dass die private Nutzung des Dienstfahrzeugs als geldwerter Vorteil auf das kollektivvertragliche Entgelt anzurechnen sei. Der Kläger nutzte den Firmenwagen auch privat und fuhr damit zumindest 5.675 Kilometer. Ab April 2014 erhielt der Kläger statt des kollektivvertraglich vorgesehenen Gehalts nur EUR 1.750 (brutto). Die Differenz entsprach nach Ansicht der Beklagten dem Sachbezug für den Pkw. Der Kläger begehrte in der Folge den Differenzbetrag zum kollektivvertraglichen Mindestentgelt. Die Klage war im Ergebnis berechtigt.
 
Entscheidung: Grundsätzlich können kollektivvertragliche Ansprüche der Arbeitnehmer durch Einzelvereinbarung abgeändert werden, sofern sie für den Arbeitnehmer günstiger sind. Der OGH führte aus, dass der Zweck der Festsetzung kollektivvertraglicher Mindestlöhne darin bestehe, die Existenz des Arbeitnehmers zu sichern. Dieses Mindestentgelt muss ihm daher regelmäßig zur Gänze zu seiner freien Verfügung bleiben. Dem Arbeitgeber stehen prinzipiell keine Abzugsrechte zu, sofern sich diese nicht durch Gesetz oder Kollektivvertrag ergeben. Im gegenständlichen Fall ergibt die Auslegung des Kollektivvertrags, dass das Mindestentgelt in Geld (und nicht in Sachbezügen) geschuldet wird. Das Geldzahlungsgebot kann auch nicht durch Dispositionen von Arbeitgeber oder Arbeitnehmer umgangen werden, indem wegen besonders „günstiger“ Sachbezüge auf den kollektivvertraglichen Mindestlohn verzichtet wird. Im Ergebnis ist somit der kollektivvertragliche Mindestlohn dem Günstigkeitsvergleich mit Sachbezügen entzogen.
 
Anmerkung: Hinsichtlich der Abgeltung von Überstunden hat der OGH erkannt, dass diesbezüglich Naturalleistungen berücksichtigt werden können. So erfolgte in der Entscheidung 9 ObA 301/89 die Abgeltung der Überstunden durch Überlassung eines geleasten PC zur privaten Nutzung. Diese unterschiedliche Behandlung wurde vom OGH in der aktuellen Entscheidung damit gerechtfertigt, dass die Abgeltung von Überstunden nicht derselben Zwecksetzung wie das kollektivvertragliche Mindestentgelt, nämlich der Existenzsicherung, diene.
 
(OGH 9 ObA 92/15t, 27.08.2015)
 
Kontakt: Rechtsanwälte Andréewitch & Simon

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