Insolvenzstatistik 1. Halbjahr 2020

KSV1870: Urlaubsverlängerung für das österreichische Insolvenzwesen verschärft Situation

Insol­venzen weiter auf die lange Bank zu schieben, macht die erwar­tete Insol­venz­welle nur größer.

Wien, 03.07.2020 – Die Analyse der Unternehmensinsolvenzen für das erste Halbjahr 2020 gleicht einem Paradoxon. Es ist unumstritten, dass die Corona-Krise und die damit einhergehenden notwendigen Maßnahmen die heimische Wirtschaft stark beeinflusst haben. Die aktuellen KSV1870 Zahlen zu den Firmenpleiten zeigen ein Minus von fast 25 % gegenüber 2019. Doch diese Zahlen geben die tatsächliche Situation der Unternehmen nicht wieder. Denn dieser Rückgang ist vor allem den Corona-Maßnahmen der Bundesregierung geschuldet, die es ermöglichen, eigentlich notwendige Insolvenzanträge nach hinten zu schieben. Langfristig gesehen leiden darunter nicht nur die Unternehmen und Gläubiger, sondern die gesamte heimische Wirtschaft. Denn das Vorhandensein von kranken Unternehmen, die in Wahrheit saniert werden müssten, wird durch eine falsche Medikation weiter negiert.

KSV1870 Insolvenzentwicklung 1. Halbjahr 2020

Der KSV1870 sieht es als seine Pflicht an, Fakten zu schaffen und einen wirtschaftlichen Neubeginn anzustoßen, um weit größeren Schaden zu verhindern. Ein erster Erfolg für den Gläubigerschutz ist ihm im Zuge der Begutachtung des Konjunkturstärkungsgesetzes gelungen. Der Entwurf sah eine Ausnahme bei der Insolvenzanfechtung für die Finanz vor, welche dem Gleichbehandlungsgebot im Insolvenzrecht widersprochen hätte. Durch konstruktive Gespräche mit dem Finanzministerium konnte erreicht werden, dass dieser Passus in der finalen Gesetzesvorlage gestrichen wurde. Dies war für die aktuellen und zukünftigen Gläubiger eine bedeutende Änderung, die hier erreicht werden konnte.

Die Auswertung hat ergeben, dass im ersten Halbjahr insgesamt 1.928 Unternehmen insolvent geworden sind. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet das ein Minus von rund 25 %. Davon wurden 1.097 Insolvenzen tatsächlich eröffnet –  sogar ein Minus von 28 % zum Halbjahresergebnis 2019. Parallel dazu sind die Verbindlichkeiten mit EUR 1.605 Mio. um 86 % gestiegen. Dieser Umstand ist der Tatsache geschuldet, dass größere Insolvenzen eher selbst angemeldet werden. Die Finanz und Gesundheitskassen, welche die Hauptantragssteller bei eher kleineren Verbindlichkeiten sind, jedoch seit Ausbruch der Corona-Krise und bis auf Weiteres keine Insolvenzanträge mehr stellen. Dadurch gibt es im ersten Halbjahr viel weniger kleinere Insolvenzfälle, als noch im Vorjahr. Durch die höhere Zahl der selbstangemeldeten und somit vorbereiteten größeren Insolvenzen, waren auch mehr Dienstnehmer (10.300) betroffen, als im Vergleichszeitraum des Vorjahres (8.100) – das bedeutet ein deutliches Plus von 27 %.

> Pres­se­mel­dung Insol­venz­sta­tistik Unter­nehmen 1. Halbjahr 2020 im Detail


KSV1870: Verwaiste Bänke bei den privaten Schuldenregulierungsverfahren

Aufgrund der fehlenden Möglich­keit eines persön­li­chen Bera­tungs­ge­sprächs während des Corona-Shut­downs wurden im 1. Halb­jahr 2020 deut­lich weniger Privat­in­sol­venzen verzeichnet.

Wien, 03.07.2020 – Analog zu den Unternehmensinsolvenzen kam es auch bei den Privatinsolvenzen aufgrund der Corona-Krise zu einem deutlichen Rückgang in den Halbjahresstatistiken. 3.351 eröffnete Schuldenregulierungsverfahren bedeuten ein sattes Minus von 33 % Die Hauptgründe dafür: Neben den im Krisenmodus agierenden Gerichten fehlte es insbesondere während des „Shutdowns“ an persönlicher Beratung, die bei der Schuldenregulierung von Verbrauchern  eine bedeutende Rolle spielt.

Im ersten Halbjahr 2020 haben 3.351 Personen die Regulierung ihrer Schulden in Angriff genommen – das bedeutet ein Minus von rund 33 %. Parallel dazu sind die geschätzten Verbindlichkeiten um 39 % von EUR 717 Mio. auf EUR 440 Mio. ebenfalls deutlich gesunken. Somit beliefen sich die durchschnittlichen Schulden im Betrachtungszeitraum bei EUR 131.000 (2019: 143.000).

> Pres­se­mel­dung Insol­venz­sta­tistik Private 1. Halbjahr 2020 im Detail