Insolvenzstatistik I. Halbjahr 2008

Wien, 04.07.2008.
Das 1:0 gegen Deutschland muss erst verdaut werden, schon bahnt sich ein weiterer Treffer an - diesmal für die heimische Wirtschaft:
Kreditversicherungen warnen seit einigen Monaten, dass die Insolvenzen wieder anwachsen werden, sie berichten über schlagartig steigende Schadensverläufe in den Nachbarländern Österreichs. Auch für Österreich rechnet dieser Branche wiederum mit ansteigenden Insolvenzen im Bereich der Unternehmen. Dies lässt sich aus der Hochrechnung zur KSV1870-Insolvenzstatistik zum 1. Halbjahr 2008 schließen:
 

  • Die Zahl der betroffenen Dienstnehmer stieg auf 10.100 (ca. + 11 %).
  • Kriminelle Praktiken innerhalb der Branche bringen die Bauwirtschaft wieder auf den 1. Platz.
  • Das 2. Quartal 2008 markiert eine Trendwende: Die Pleiten steigen wieder an.
  • Die Privatpleiten steigen rasant: Im 1. Halbjahr waren es ca. 4.290 Verfahren, also fast 17% mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahrs.
  • Eine von manchen geforderte Änderung des Insolvenzrechts hat keinen Einfluss auf die Anzahl der Pleiten.

Auch wenn die Halbjahreszahlen die Prognose des Aufwärtstrends derzeit noch nicht bestätigen: Einem geringfügigen Anstieg der eröffneten Insolvenzverfahren steht ein nachhaltiger, wiederum zweistelliger Rückgang der mangels Masse abgewiesenen Konkurse gegenüber. Für den KSV1870-Experten Dr. Hans-Georg Kantner ein vielfacher Erfolg: „Jeder eröffnete Fall, der früher zu einer Konkursabweisung geführt hätte, ist ein Plus an Transparenz und bringt Aufarbeitung und unter Umständen sogar Sanierung."

Die Migrationsanalyse ergibt, dass insgesamt ca. 5 % weniger Firmen pleite gegangen sind, aber zugleich ca. 9 % der Fälle statt einer Abweisung zu einer Verfahrenseröffnung geführt haben.

Betroffene Dienstnehmer sind mit 10.100 um 11 % angestiegen. Das ist auf einige größere Fälle zurückzuführen (AST, Battenfeld) und stellt damit keinen neuen Trend dar. Die betroffenen Verbindlichkeiten waren rückläufig und betrugen etwa EUR 1,1 Mrd.

Prognosen - nichts als Prognosen
Wirtschaft ist Psychologie und da spielen oft Kleinigkeiten eine Rolle: Hat die Weltmeisterschaft in Deutschland vor zwei Jahren eine Nation aus ihrem Wachkoma geküsst, so dürfen wir bei Österreich feststellen, dass wir auch ohne Fußball ein gehöriges Selbstbewusstsein entwickelt haben. So lag das Wirtschaftswachstum in den vergangenen Jahren immer deutlich über den Werten vergleichbarer westeuropäischer Länder.

Zur Jahresprognose 2008 sagt der Insolvenzexperte des KSV1870 Hans-Georg Kantner: "Zu Beginn des Jahres war auch ich davon überzeugt, dass die Unternehmenspleiten 2008 leicht sinken würden. Diese Überzeugung wird nun angesichts des 2. Quartals 2008 etwas relativiert. Wahrscheinlich markiert dieses zweite Quartal eine Trendwende, sodass wir am Ende des Jahres sogar froh sein müssen, wenn die Pleiten gegenüber 2007 nicht gestiegen sind."

 

Unternehmensinsolvenzen I. Halbjahr 2008

2008 2007 Veränderung
Eröffnete Insolvenzen 1.619 1.548 + 4,6 %
Mangels Masse abgewiesene Konkursanträge 1.549 1.764 - 12,2 %
Gesamtinsolvenzen 3.168 3.312 - 4,4 %
Geschätzte Insolvenzverbindlichkeiten in EUR 1,1 Mrd. 1,2 Mrd. - 8,3 %

 


Die Privatkonkurse: Noch nie so pleite wie heute?
Alle Zeichen deuten darauf hin, dass die Konkurse der Privaten (offiziell als „Schuldenregulierungsverfahren" bezeichnet) heuer und auch in den nächsten Jahren ansteigen werden. Mit hochgerechnet rund 4.290 Verfahren im 1. Halbjahr liegen wir ca.
17 % über dem Vergleichszeitraum 2007. Der Trend zeigt seit Jahren deutlich nach oben - und das ist gut so!

Denn jeder über eine Privatperson eröffnete Konkurs bedeutet Geld für die Gläubiger und ein Licht am Ende des Tunnels für die verschuldeten Personen. Nahezu alle Verfahren werden auf Eigenantrag der Schuldner eröffnet - manche Eröffnungen dauern zu lange, manchen Schuldnern werden durch die Gerichte formale Schwierigkeiten gemacht. Aber jedes so eröffnete Verfahren bedeutet ein Stück Hoffnung für die Überschuldeten.

Die Schulden der Privaten gehen zurück und liegen pro Fall mit durchschnittlich
EUR 118.000,- etwa 12 % unter dem Vorjahr. Wirkliche Verbraucher haben Schulden von durchschnittlich EUR 55.000 - die ehemaligen Selbstständigen haben Schulden von einigen hunderttausend Euro - sie stellen nach wie vor die größte Gruppe der Schuldner.

 

Privatkonkurse I. Halbjahr 2008

2008 2007 Veränderung
Eröffnete Schuldenregulierungsverfahren 4.286 3.672 + 16,7 %
Mangels Masse abgewiesene Konkursanträge 557 687 - 18,9 %
Gesamtinsolvenzen 4.843 4.359 + 11,1 %
Geschätzte Insolvenzverbindlichkeiten 507 Mio. 493 Mio. + 2,8 %


Die vollständige KSV1870-Analyse finden Sie gleich anschließend unter Download bereitgestellt.

 

Für den Inhalt verantwortlich:
Dr. Hans-Georg Kantner, Leiter KSV Insolvenz

Insolvenzstatistik Erstes Halbjahr 2008