Wien, 09.06.2009
Leichter Zuwachs in Westeuropa
Die Gesamtzunahme der Unternehmenspleiten in Westeuropa lag im Jahr 2008 bei ca. 17 %. Dieser Wert ist hoch, aber keinesfalls erschreckend. Denn die Abkühlung der Wirtschaftslage hatte sich für OECD-Länder bereits ab Mitte 2007 abgezeichnet. Hohe Energiepreise und hohe Rohstoffpreise wirkten sich zweifellos dämpfend auf die Wirtschaftsentwicklung der Industrieländer Westeuropas aus.
Irland als Spitzenreiter des Zuwachses ist ein spezieller Kandidat: Transferleistungen aus Europa und steuerliche Sonderregelungen haben in den vergangenen 20 Jahren dieses einstige Armenhaus Europas zu einem Musterschüler an Modernität und Nationaleinkommen werden lassen. Diese Entwicklung hat aber eine noch fragile Wirtschaftslage geschaffen - was so schnell wächst, benötigt auch eine gelegentliche Strukturbereinigung. Diese ist nun mit einem drastischen Anstieg von mehr als einer Verdoppelung eingetreten. Die absolute Zahl allerdings ist niedrig und lässt die grundsätzliche Wirtschaftskraft des Landes erkennen.
Die großen Volkswirtschaften Westeuropas - Frankreich, Großbritannien und Deutschland -zeigen kein einheitliches Bild: Während Frankreich ein Plus von 23 % und Großbritannien ein Plus von 25 % verzeichnen, zeigte Deutschland eine „schwarze Null". Es darf jedoch getrost davon ausgegangen werden, dass der Anstieg der Insolvenzen mit einer Zeitverzögerung auch in Deutschland ankommen wird.
Der Osten wird noch was kosten
Rasche Entwicklungen bergen die Gefahr von fragilen Strukturen und allzu sehr auf Schönwetter ausgerichtete Unternehmen. Die Wachstumsraten der vergangenen Jahre in den „jungen Volkswirtschaften" Zentral- und Osteuropas haben nicht nur einen Boom an neuen Unternehmen gebracht, sondern durch extrem hohe Wachstumsraten auch ein Wirtschaftsklima geschaffen, in dem so gut wie jedes Unternehmen irgendwie reüssieren konnte. 2008 hat sich diese Entwicklung deutlich gedreht: Mit einem Plus von nahezu
50 % an Unternehmensinsolvenzen erlebten diese Volkswirtschaften ihre erste wirkliche Insolvenzwelle seit der so genannten Wende. Einige Länder geben uns einen Vorgeschmack auf eventuell kommende Zahlen wie z.B. Ungarn, das mit über 11.500 Unternehmensinsolvenzen bei einer Bevölkerung von knapp über 10 Millionen zweifellos Strukturdefizite der vergangenen Jahre aufzuarbeiten hat.
Das Bild war 2008 allerdings recht uneinheitlich: Während große Länder wie Ungarn oder Rumänien erhebliche Zuwachsraten verbuchen mussten, sanken die Zahlen v.a. in Lettland, Slowenien und der Slowakei. Alles Länder, die natürlich von der gegenwärtigen Krise betroffen sind und sich zweifellos 2009 „wieder melden" werden.
Insolvenzen in Übersee
In den USA hat sich bekanntlich die Wirtschaftskrise angebahnt und prompt bekam das Land ihre Auswirkungen auch zu spüren. Ein Zuwachs an Insolvenzen von nahezu 54 % gibt ein beredtes Zeugnis der dortigen Wirtschaftssituation. Die USA haben v.a. gegenüber Europa aber die Eigenschaft, dass Probleme rascher und beherzter ausgeräumt werden. Das führt dazu, dass der Abschwung kräftiger ausfällt, als in manch anderem Land, aber dass dafür der „rebound", also die Erholung der Volkswirtschaft, entsprechend schneller kommen dürfte.
Der Schuldturm des kleinen Mannes
Österreich führte im Jahr 1995 ein eigenes Entschuldungsrecht für natürliche Personen ein, das im Volksmund als Privatkonkurs bezeichnete Schuldenregulierungsverfahren im Konkurs. Deutschland tat dies etwas später am 1.1.1999. Einige Länder kennen diese Instrumente schon seit langer Zeit (etwa die USA oder Großbritannien), anderen Ländern dagegen ist ein solches Instrument noch nicht geläufig.
Erstmals zeigen wir im statistischen Teil die verfügbaren Zahlen für den Privatkonkurs oder die Verbraucherinsolvenz, wie das Verfahren etwa in Deutschland heißt. Diese Zahlen sind von den Unternehmensinsolvenzen getrennt zu führen, da sie gänzlich verschiedene
Phänomene abbilden. Vor allem in den Ländern, in denen der Privatkonkurs „noch jung" ist, also z.B. Österreich und Deutschland, spielen Einführungsverzögerungen und schrittweise Nachjustierungen der Gesetze eine Rolle und beeinflussen die statistische Entwicklung.
Ausblick:
Das Jahr 2008 markierte erst den Anlauf für eine krisenhafte Entwicklung der Weltwirtschaft und zeigt daher erst in Ansätzen, was hier möglicherweise auf uns zukommen wird. Die USA, Kanada und Großbritannien haben diese Entwicklung sicherlich früher zu spüren bekommen, als andere OECD-Länder, zu denen auch Österreich gehört. Eine Abschätzung der Entwicklung 2009 ist derzeit nicht möglich, da immer noch viel davon abhängt, ob die beschlossenen Maßnahmen zur Stabilisierung der Weltwirtschaft auch greifen und spürbare Effekte haben werden.
Die vollständige Analyse sowie die Detaildaten finden Sie im untenstehenden Download bereitgestellt.
Für den Inhalt verantwortlich:
Dr. Hans-Georg Kantner
Internationale Insolvenzstatistik 2008