Die oberösterreichische Brauerei Grieskirchen blickt auf eine mehr als 300-jährige Geschichte zurück. Infolge der Coronakrise geriet das Unternehmen in Schwierigkeiten und musste im Herbst 2020 Insolvenz anmelden. Der Sanierungsplan des Unternehmens überzeugte die Gläubiger, die diesem zustimmten und sich am Ende über eine 30%-Quote freuen konnten.
Die erste urkundliche Erwähnung der Brauerei Grieskirchen, damals noch zum Herzogtum Bayern gehörend, datiert auf das Jahr 1708. Genau 200 Jahre später wurde sie aus gräflichem Eigentum herausgekauft und zu einer Genossenschaft im Besitz von 122 Wirten umgewandelt. Weitere 90 Jahre später übernahm der Industrielle Gustav Harmer die Mehrheit der, zwischenzeitlich zur Aktiengesellschaft umgewandelten, Brauerei. Noch einmal 15 Jahre später kaufte Marcus Mautner Markhof die Anteile Harmers (und in der Folge auch den verbleibenden Anteil, den 27 lokale Familien gehalten hatten) und übernahm zugleich das operative Geschäft.
Opfer des Lockdowns
Das Bier, des Österreichers liebster Gerstensaft, war während der bewegten Vergangenheit des Unternehmens stets eine fixe Größe. Zuverlässig floss es aus den Tanks am Grieskirchner Stadtplatz in die Kehlen seiner durstigen Liebhaber. Bis das Corona-Virus kam, mit ihm die Pandemie und auch die Lockdowns. Die zwangsweise Schließung der Gastronomie setzte die Brauerei so lange unter Druck, bis sie diesem nicht mehr standhalten konnte. Immerhin machten die Grieskirchner rund 60 Prozent ihres Umsatzes in der Gastronomie. Betroffen waren insgesamt rund 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Erhöhter formaler Aufwand
Am 29.September 2020 wurde am Landesgericht Korneuburg das Sanierungsverfahren eröffnet. Der Gerichtsstandort erklärt sich dadurch, dass die Gesellschafterin der Brauerei, die MM Beteiligungs- und Beratungs GmbH, ihren Sitz im Gerichtssprengel des Landesgericht Korneuburg hat. Konkret handelte es sich dabei um ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung – eine besondere Verfahrensart im Rahmen der österreichischen Insolvenzordnung. Ein solches kann nur vom Schuldner selbst beantragt werden, wobei ein derartiges Verfahren einen deutlich höheren formalen Aufwand erfordert als solche ohne Eigenverwaltung. Beispielsweise muss man bereits zu Verfahrensbeginn unter anderem die Jahresabschlüsse der vergangenen Jahre, ein genaues Vermögensverzeichnis, einen Finanzplan für die Dauer des Verfahrens sowie einen Sanierungsplan und eine Gläubigerliste vorlegen. Zwar wird dem Unternehmen auch im Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung ein Sanierungsverwalter vom Gericht zur Seite gestellt, jedoch bleibt die Geschäftsführungsbefugnis grundsätzlich beim Unternehmen. Gleichzeitig muss man sich bereit erklären, den Gläubigern eine Quote von mindestens 30 Prozent der Forderungen anzubieten, zahlbar innerhalb von zwei Jahren ab Annahme des Plans. Das Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung ist ex lege auf maximal 90 Tage ausgelegt, dann muss entschieden sein, ob das Unternehmen weitergeführt werden kann bzw. ob der Sanierungsplan innerhalb dieser Frist angenommen wurde oder nicht.
Solider Sanierungsplan
Die Verbindlichkeiten der Grieskirchner Brauerei wurden mit rund acht Millionen Euro beziffert. Bereits bei der Prüfungstagsatzung wurde von der Sanierungsverwalterin festgestellt, dass die Sanierung auf vielversprechendem Kurs ist und das Verfahren infolgedessen weitergeführt werden kann. Der KSV1870 hat im gegenständlichen Verfahren insgesamt 50 Gläubiger vertreten. Das beinhaltet nicht nur – auf Wunsch – die Stimmabgabe bei der Abstimmung über Annahme oder Ablehnung des Sanierungsplans, sowie auch umfassende Informations- und Aufklärungstätigkeit während der Verfahrenszeit, sondern auch das umfassende Einreichen der jeweiligen Gläubigerforderung bei Gericht. Können Gläubiger etwa nicht beurteilen, ob der vorgelegte Sanierungsplan angemessen und voraussichtlich erfüllbar ist, gibt der jeweils zuständige Experte, bzw. die zuständige Expertin vom KSV1870 dazu Auskunft. Damit wird zugleich das Gericht entlastet, das insbesondere bei großen Insolvenzverfahren mit vielen Gläubigern sonst rasch an seine Kapazitätsgrenzen geraten würde. Im gegebenen Fall war der Sanierungsplan solide und die Aussichten auf seine erfolgreiche Umsetzung sehr gut.
Einstimmige Zustimmung
Am 16. Dezember 2020 - dem 79. Tag des Verfahrens - fand bei Gericht die Sanierungstagsatzung statt. Die Abstimmung erfolgte einstimmig – alle anwesenden Gläubiger stimmten dem vorgelegten Sanierungsplan zu. Ein Szenario, das durchaus als nicht alltäglich einzustufen ist. Die Quote von 30 Prozent wurde innerhalb der vom Insolvenzrecht vorgeschriebenen folgenden zwei Jahre an die Gläubiger ausgezahlt. Auch wenn folgendes nicht unmittelbar mit dem Ausgang des Insolvenzverfahrens zu tun hat, ist es dennoch eine schöne „Sidenote“: Knapp sieben Monate später wurde der Braumeister der Brauerei Grieskirchen im Juli 2021 zum Staatsmeister der Biersommeliers gekürt.
Ende gut, alles gut? Leider nein.
Als von außen betrachtet Ruhe eingekehrt zu sein scheint, kam rund drei Jahre später die nächste Hiobsbotschaft. Im März 2024 schlittert die Brauerei Grieskirchen GmbH neuerlich in die Insolvenz. Am Landesgericht Korneuburg beantragt das Unternehmen selbst ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung. Als Gründe wurden die hohen Energie- und Produktionskosten der vergangenen zwei Geschäftsjahre genannt, die das Unternehmen auch aufgrund der energieintensiven Tätigkeit nicht mehr zu stemmen wusste. Über 200 Gläubiger waren von der neuerlichen Insolvenz betroffen, ebenso wie fast 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Die Frage, ob man eine solche Entwicklung nicht kommen hätte sehen können, kam naturgemäß sofort – auch in Richtung der Gläubigerschutzverbände wie den KSV1870. Doch eine derartige „Hochpreisphase“, wie sie aufgrund zahlreicher externer Vorkommnisse gekommen ist, war zum Zeitpunkt der ersten Insolvenz im Jahr 2020 nicht absehbar. Zudem hat die Brauerei Grieskirchen ihre damaligen Zahlungsvereinbarungen ordnungsgemäß erfüllt. Trotz der durchaus turbulenten jüngeren Vergangenheit kann das Unternehmen fortgeführt werden. Im Zuge der zweiten Insolvenz haben sich die Gläubiger mit der Brauerei Grieskirchen auf eine Quote von 70 Prozent geeinigt, zahlbar in zwei Raten binnen zwei Jahren. Damit fiel die Quote deutlich höher als die gesetzliche Mindestquote im Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung von 20 Prozent aus. Soweit der Stand Mitte 2024.