Die Walter Niemetz Süßwarenfabrik – Fabrikation von Zucker-, Schokolade-, Konditorei- und Dauerbackwaren GmbH & Co KG - war vielen bekannt. Für deren Bekanntheitsgrad sorgte ein Produkt: die Schwedenbombe. Mit ihr stand und fiel das Familienunternehmen. Doch plötzlich war die Süßigkeit nicht mehr „in aller Munde“. Warum, darüber herrscht noch heute ein Stück weit Rätselraten. Als Folge davon brachen jedenfalls die Umsätze ein und die Schulden stiegen. Doch am Ende wurde alles gut und die Schwedenbombe durch einen Käufer gerettet. Auch für die Gläubiger gab es ein Happy End: Die Forderungen wurden mit einer Quote von 100 Prozent erfüllt. Der Verkauf des Unternehmens gelang buchstäblich in letzter Sekunde, wobei die Übernahme ein Zitterpartie war, die auch medial enorme Aufmerksamkeit erhielt.
Tanja Schartel
Die Geschichte der Schwedenbombe beginnt 1890, als Edmund Niemetz in Linz eine Café-Konditorei gründet. In jener Zeit entstanden in Wien auch die für die Stadt typischen Wiener Kaffeehäuser, die heute fester Bestandteil eines jeden Reiseführers sind. Bekannt wurde der Name Niemetz aber erst durch die Schwedenbombe. Sie wurde von Edmunds Sohn Walter Niemetz und dessen Ehefrau Johanna im Jahre 1926 kreiert, und hat ihren Namen einer engen Freundschaft von Walter mit einem Schweden zu verdanken. Die Schwedenbombe wurde in der Folge zum Synonym für das Unternehmen und war ein voller Erfolg – bis zum Schicksalsjahr 2011.
Umsatzeinbruch: aber warum?
Auch wenn ein Produkt gut ist, muss es beim Verbraucher nicht unbedingt ankommen. Doch das war im Fall der Schwedenbombe nicht der Fall, zumindest anfangs nicht. Denn dass die Schwedenbombe, die mit Wien beinahe so eng verbunden ist wie der Stephansdom, ein gutes Produkt ist, hat die Nachfrage über Jahrzehnte hinweg bewiesen. Doch plötzlich brachen im Jahr 2011 die Umsätze der Schwedenbomben um 8,6 Prozent auf 772 Tonnen und 2021 um weitere 22,9 Prozent auf 600 Tonnen ein. Zum Vergleich: Noch zu Beginn des Jahrzehnts lag der Umsatz bei 1.000 Tonnen. Warum das tatsächlich passiert ist, darüber wird noch heute gerätselt. Waren es veränderte Essgewohnheiten der Menschen? War es die größer werdende Konkurrenz an Süßigkeiten? Oder war die Schwedenbombe schlichtweg nicht mehr „State of the Art“? Bis heute lässt sich das nicht eindeutig sagen.
Kein Marketing, kein Umsatz
Was jedoch offensichtlich war, ist, dass die Firma Niemetz in Sachen Marketing ins Hintertreffen geraten sein dürfte. So war der Abwärtstrend auch auf organisatorische Rahmenbedingungen zurückzuführen, die den Absatz kontinuierlich schrumpfen ließen. Veraltete Produktionsanlagen, die nicht mehr den Erfordernissen der damaligen Gegenwart entsprochen haben, und ein defacto nicht vorhandenes Marketing brachten das Unternehmen schlussendlich in schwere finanzielle Bredouille.
Meldungen über ausstehende Gehälter ließen das Schlimmste befürchten
Infolge der Umsatzrückgänge fehlte das Geld und Niemetz kam Anfang 2012 mit den Lohnzahlungen in Verzug. In den folgenden Monaten hofften Betriebsrat und Gewerkschaft, dass ein Investor gefunden wird, um den Worst Case noch abzuwenden. Denn wegen der veränderten Rahmenbedingungen, wie ein stärkerer Wettbewerb im Handel und veraltete Produktionsanlagen, sah man eine Überlebensfähigkeit von Niemetz nur durch einen starken Partner gewährleistet. Aber auch beim Finanzamt wuchsen die Schulden, weshalb man sich bei der Behörde Ende 2012 entschloss, bei Gericht wegen der Steuerschulden einen Konkursantrag zu stellen.
Standort musste verkauft werden
Als Folge der wirtschaftlichen Turbulenzen wurde im Oktober 2012 auch das Firmengelände im dritten Wiener Gemeindebezirk an eine Immobilien-Gesellschaft sowie einen Bauträger verkauft. Im Rahmen des Verkaufes ist es Niemetz immerhin gelungen, sich das Nutzungsrecht für den bisherigen Standort für drei Jahre zu sichern. Spätestens nach diesen drei Jahren brauchte es jedoch eine andere Lösung – ein positives Insolvenzverfahren vorausgesetzt.
Wie eine Facebook-Gruppe die Insolvenz abwenden wollte
2012 - vermutlich das schlimmste Geschäftsjahr des Unternehmens - fand aber auch eine Welle der Solidarisierung statt, um den Süßigkeitenhersteller zu retten. Die Facebook-Gruppe „Rettet die Schwedenbombe“ wuchs rasch auf über 40.000 Mitglieder an. Sogar Österreicher in den USA schlossen sich dem Aufruf an. Es gab Berichte von ausverkauften Beständen in Supermärkten und von Personen, die ihre Diät verschoben oder beendeten, nur um mit dem Kauf von Schwedenbomben das Unternehmen zu retten. Und auch vor der Produktionshalle bildeten sich regelrechte Menschenschlangen, nur um die Schwedenbombe zu retten. Am Ende konnte die Initiative die Insolvenz zwar nicht abwenden, doch wegen des großen medialen Effekts und der starken Solidarisierung wuchs das Interesse potenzieller Mitbewerber an einer Übernahme. Somit konnte die Bewegung einen wertvollen Beitrag zum Fortbestand der Schwedenbombe leisten und viele Arbeitsplätze retten.
Happy End: Weiterführung und 100-Prozent-Quote
Im Rahmen der Insolvenz, die als Sanierungsverfahren eröffnet worden war, wurde seitens des Unternehmens den Gläubigern zunächst eine Quote von 20 Prozent angeboten. Es war jedoch rasch klar (allein aufgrund des Wertes der Marke), dass dieses Angebot weiter unter der Angemessenheit lag. Auch wegen des wachsenden Interesses der Mitbewerber an einer Übernahme, darunter Manner und Confiserie Heindl, wurde die Quote dann auf 75 Prozent und danach auf 95 Prozent erhöht. Da sich trotz der vielen Interessenten bis zum Ende der Frist am 21.05.2013 die erforderliche und angebotene Quote von 95 Prozent nicht erlegt werden konnte, blieb nur der Konkurs. Doch bereits am nächsten Tag hat die Heidi Chocolat AG das Unternehmen übernommen. Es war schlussendlich ein klassischer Übernahmepoker, der alle Beteiligten bis zum Schluss in Atem hielt. Mit dem Geld konnten letztlich alle noch offenen Außenstände in Höhe von über vier Millionen Euro beglichen werden. Niemetz bezahlte alle Steuerschulden und auch die Gläubiger konnten mit einer Quote von 100 Prozent abgefunden werden. Der KSV1870 vertrat während des Verfahrens zwei Drittel der Gläubiger und war auch Teil des Gläubigerausschusses. Übrigens: Der neue Eigentümer hat die meisten Mitarbeiter übernommen und nach erfolgreicher Sanierung wurden sogar zusätzliche Mitarbeiter eingestellt. Und am Standort der neuen Produktionsstätte in Wr. Neudorf gibt es mittlerweile die Möglichkeit, hinter die Kulissen der Schwedenbombe zu blicken und sich im angrenzenden Shop mit der Süßigkeit „einzudecken“. Dabei geht es weniger um finanzielle Gewinne, sondern um die Werbung, wie der heutige Geschäftsführer erzählt – kein unwesentlicher Aspekt, wie die Vergangenheit gezeigt hat.