Bilderbuch-Pleiten: Der Fall Libro

Autor: Alexander Klikovits, KSV1870 Insolvenzexperte

Bilderbuch-Pleiten: Spektakuläre Insolvenzfälle

Der Handel mit Malbüchern, Bestsellern und Buntstiften – und dann der plötzliche Wandel zum IT-Konzern und der Sprung an die Börse: Die hochtrabenden Pläne von Libro führten zu einer der größten Insolvenzen Österreichs. Der Libro-Krimi endete für die Verantwortlichen mit einer Prozessflut, für die Gläubiger gab es am Ende des Tages statt dem befürchteten Totalausfall aber eine hohe Quote. Zu verdanken war das auch den Anstrengungen der Insolvenzexperten des KSV1870, die dabei stark auf das Thema Eigentumsvorbehalt setzten.

Das Platzen der Dotcom-Blase

2001 fielen nicht nur die Türme des World Trade Center – in diesem Jahr platzte auch die New-Economy-Blase an der Börse. Milliarden von Börsenwert gingen über Nacht verloren, Unternehmen wie AOL Time Warner und Yahoo! wurden von Großkonzernen zu Sanierungsfällen. Denn auf einmal merkten viele, dass Umsätze ohne Gewinne langfristig keinen Anleger reich machen können – und mangels Kapitalflut entpuppten sich viele hochtrabende Geschäftsmodelle auf einmal als reine Luftschlösser.

Das Ende eines österreichischen Traums

In Österreich wurde Libro mit der harten Realität konfrontiert: Das Unternehmen, das unterstützt vom Internet-Boom den Wandel vom Buchhändler zum IT-Giganten plante, tauchte in die roten Zahlen, bereits Ende 2000 ging die Liquidität zur Neige. 2001 kam es zum Ausgleich, 2002 mangels Vertrauens der Kreditgeber zur Insolvenz. Ein steiler Abstieg: Noch 1999 war das Unternehmen an der Börse 700 Millionen Euro wert. Bei der Insolvenz betrugen die Passiva 349 Millionen Euro, was Libro nach Alpine, Konsum, Commerzialbank und Maculan zum bis dato fünfgrößten Insolvenzfall Österreichs machte.

Neben den rund 2.400 Beschäftigten standen auch rund 1.000 Anleger vor dem Abgrund. Der KSV1870 vertrat die Interessen sehr vieler Unternehmen und Lieferanten und hatte die Aufgabe, für sie die bestmögliche Quote zu erreichen. Kein leichter Job: Wie es sich bald herausstellte, waren nicht nur die Geschäftsentscheidungen verfehlt, sondern auch die Bilanzen geschönt. Damit war Libro nicht nur ein Insolvenz- sondern auch ein Kriminalfall – in Österreich eine Ausnahme, aber leider ein Garant für eine besonders lange Verfahrensdauer. Denn die Verantwortlichen mussten erst gefunden und verurteilt werden, bevor Schadenersatzforderungen gestellt und in die Konkursmasse eingebracht werden konnten.

Alexander Klikovits, KSV1870 Experte

"Der KSV1870 setzt sich mit Nachdruck für die Anerkennung von Eigentumsvorbehalten der unterschiedlichen Gläubiger ein. "

Alexander Klikovits

 

Ein Insolvenzverfahren über 16 Jahre

Aufgrund der langen Prozesse gegen die beteiligten Manager dauerte es 16 Jahre das Insolvenzverfahren zu Ende zu bringen – doch am Ende stand eine ungewöhnlich hohe Quote von zwölf Prozent für die Gläubiger. Die Marke Libro wurde in diesem Zeitraum durch die Käufer, ein Konsortium um den Investor Josef Taus, mit Millioneninvestitionen wiederbelebt, sodass auch die Tausenden gefährdeten Jobs gerettet werden konnten.

Nach 16 Jahren also das Aufatmen für die Gläubiger – der Verdienst des Masseverwalters sowie der Sanierungsexperten. Denn zu Beginn stand selbst der Totalverlust im Raum: Die Situation in den Gläubigersitzungen war sehr angespannt, wobei der KSV1870 eine äußerst aktive Rolle eingenommen hat. Die entscheidende Frage war immer wieder, ob das Unternehmen eine Chance auf Sanierung hat oder nicht. In einer stundenlangen Sitzung hat der KSV1870 alle Beteiligten am Runden Tisch versammelt, um gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten, damit der Ausgleich angenommen werden konnte.

Anerkennung von Eigentumsvorbehalten der Gläubiger

Im anschließenden Konkursverfahren stand das Unternehmen erneut knapp vor der Schließung. Für die Experten des KSV1870 das schlimmstmögliche Szenario, das einem totalen Wertverlust für die Gläubiger gleichkommen würde. Sie schafften es, die Weiterführung zu erwirken, mit den Einnahmen aus dem Geschäft zum Schulbeginn im September den Fortbestand abzusichern – und den Libro-Käufern zusammen mit dem Masseverwalter ein gut am Markt etabliertes Unternehmen zu übergeben.

Ein viel diskutierter Punkt betraf im Konkursverfahren den Bereich Eigentumsvorbehalt: Bei Insolvenzen von Filialisten ist die Zuordnung der Waren oft keine einfache Frage. Bei Libro war es besonders schwer nachvollziehbar, welcher Teil der Waren in welcher Filiale quer durch Österreich noch nicht bezahlt war und damit nicht Libro, sondern noch den Gläubigern gehörte. Der KSV1870 setzte sich gegenüber dem Masseverwalter mit Nachdruck für die Anerkennung von Eigentumsvorbehalten der unterschiedlichen Gläubiger ein. Diese Anstrengungen wurden von Erfolg gekrönt – und brachten den Experten des KSV1870 willkommene Erfahrungswerte für die Abwicklung ähnlicher Großinsolvenzen.

 

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