Die Europäische Union will den Wiederaufbau der Wirtschaft nach der Pandemie mit Umweltschutzzielen verknüpfen. Viele Unternehmen in Österreich gehen noch weiter – denn der Fokus auf Klimaschutz macht sich langfristig bezahlt.
Text: André Exner
Eine ungewöhnliche Allianz zwischen Kultur und Wirtschaft: Langzeit-„Jedermann“ Tobias Moretti und Stardirigent Franz Welser-Möst appellieren zusammen mit Kurt Weinberger, dem Vorstandsvorsitzenden der Österreichischen Hagelversicherung, an Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Politik, den täglichen Bodenverbrauch auf 2,5 Hektar zu begrenzen. Denn der tägliche Bodenverbrauch in Österreich liegt heute bei 13 Hektar, was rund 20 Fußballfeldern entspricht. Das macht den Verlust von Grünland zu einem der brennendsten Umweltprobleme, so Weinberger: „Allein seit der Jahrtausendwende sind 150.000 Hektar Agrarflächen durch Verbauung zerstört worden, was der gesamten Ackerfläche des Burgenlands entspricht.“
Umweltschutz wieder auf dem Vormarsch.
Bereits diese Allianz zeigt: Die aufgrund der Pandemie zeitweise etwas vergessenen Umweltschutzthemen rücken wieder verstärkt in den Fokus. Nicht nur in Österreich. So macht Microsoft-Gründer Bill Gates, der bereits 2015 vor einer fatalen Pandemie warnte, nun auf Langzeitschäden des Klimawandels aufmerksam. „Covid-19 ist schrecklich, der Klimawandel könnte schlimmer sein“, warnt Gates. Der Verlust von Menschenleben und die wirtschaftliche Misere, die von der Pandemie verursacht werden, werden zum „New Normal“, wenn der weltweite Kohlendioxidausstoß nicht rasch Richtung null gesenkt wird. „Im Jahr 2060 könnte der Klimawandel bereits so tödlich sein wie Covid-19, und bis 2100 sogar fünfmal so tödlich“, so der Milliardär. Auch die desaströsen Auswirkungen auf die Wirtschaft sind laut Gates vergleichbar: Corona radiert heuer rund 10 % der weltweiten Wirtschaftsleistung aus, der Klimawandel ab 2030 rund einen Prozentpunkt jährlich – über ein Jahrzehnt ist der Schaden also genauso groß.
Covid-19 ist schrecklich, der Klimawandel könnte schlimmer sein.
Um solche Horrorszenarien für Wirtschaft und Gesundheit zu vermeiden und Klima- und Umweltschutz zu fördern, braucht es Investitionen. Die Mittel dafür finden Politiker wie Experten in den abermilliardenschweren Corona-Fördertöpfen: Europa soll bis zum Jahr 2050 der erste klimaneutrale Kontinent der Welt werden, so das Ziel der EU-Kommission. Mit dem „Investitionsplan für ein zukunftsfähiges Europa“, auch „Green Deal“ genannt, möchte die EU-Kommission bis 2030 öffentliche und private Investitionen in Klimaprojekte von mindestens einer Billion Euro mobilisieren. „Die meisten der beschlossenen Maßnahmen, in der EU wie in Österreich, sind aber noch zu wenig konkret“, meint Angela Köppl, Umweltökonomin am Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo. Sie wünscht sich daher mehr Eigeninitiative bei den Unternehmen. Der Fokus soll auf einer nachhaltigen Produktionsweise liegen, statt zu bisherigen Denkweisen wie Just-in-time-Produktion, Outsourcing und Profitmaximierung zurückzukehren.
Bisher haben wir durchwegs positive Rückmeldungen aus der Industrie erhalten. Denn Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz haben sehr an Bedeutung gewonnen.
Bei vielen Unternehmen in Österreich werden Köppls Wünsche erhört: Von einer Rückkehr zur Welt „vor Corona“ will man in immer mehr Chefetagen nichts hören. Die Angst, dass die Pandemie – wie die Finanzkrise 2008 – eine Sparwut auslösen könnte und Öko-Themen zu kurz kommen, ist allerdings nicht berechtigt, meint auch Andreas Frank, Bereichsleiter am bestens mit der Industrie vernetzten Leobener Forschungszentrum PCCL: „Bisher haben wir durchwegs positive Rückmeldungen aus der Industrie erhalten und merken keine Fokusverlagerung von F&E. Denn Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz haben nicht nur bei Konsumenten, sondern auch in der Industrie sehr an Bedeutung gewonnen.“
Maßnahmen mit Vorbildwirkung.
Das macht auch wirtschaftlich Sinn, denn Studien belegen: Geschäftserfolg und Nachhaltigkeit gehen Hand in Hand. Unternehmen, die einen wertvollen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten, werden zudem auch positiv ins Licht der Öffentlichkeit gerückt, was den Ehrgeiz, noch besser zu werden, erhöht. So wurde die Brau Union Österreich zuletzt mit dem Award „Green Brands Austria“ ausgezeichnet – ruht sich aber nicht auf ihren Lorbeeren aus: „Wir wollen bis zum Jahr 2030 zu 70 % aus erneuerbaren Energien wirtschaften“, sagt Vorstandsvorsitzender Magne Setnes. Er setzt Aktionen mit Signalwirkung. So werden bei einem neuen Brau-Union-Wohnprojekt in Kooperation mit Energieversorger EVN die Heizungen und Warmwassersysteme sämtlicher 900 Wohnungen mit nachhaltiger Abwärme aus dem Gärprozess der Bierproduktion gespeist. Die Marke „Gösser“ wurde heuer auf Recyclingetiketten umgestellt, was 1.000 Bäume erhält. Gleichzeitig pflanzt die Brau Union Österreich aber auch neue Bäume an sämtlichen Standorten in ganz Österreich.
Das größte Brauereiunternehmen Österreichs will dabei bewusst als Vorbild für andere Unternehmen wirken: „Gemeinsam lassen sich nachhaltige Ziele leichter erreichen“, resümiert Setnes. Denn auch wenn nicht jeder Bäume am Firmengelände pflanzen kann – durch intelligentes Fuhrparkmanagement, effiziente Logistik oder die Produktion aus nachwachsenden Rohstoffen kann jedes Unternehmen – vom KMU bis zum Großkonzern – aktiv dazu beitragen, die Klimaschutzziele der EU und des Pariser Klimaabkommens Realität werden zu lassen (siehe Kasten). So ist der oberösterreichische Textilriese Lenzing weltweit der erste Faserhersteller, der den „Green Deal“ der EU aktiv unterstützt und seine Fasern aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz erzeugt. „Der Klimawandel ist die größte Herausforderung, vor der die Menschheit derzeit steht“, sagt CEO Stefan Doboczky. „Mit unserer strategischen Festlegung, bis 2050 klimaneutral zu sein, helfen wir, die Geschwindigkeit der Erderwärmung zu verlangsamen.“
Mit Hightech gegen den Klimawandel.
Rund die Hälfte der weltweiten CO2-Emissionen entfällt auf Gebäude. Damit ist die Immobilienwirtschaft besonders gefordert, ihren Beitrag zu leisten. „Wir haben uns frühzeitig an der Entwicklung von Nachhaltigkeitsstandards für den Bau neuer Bürogebäude beteiligt und waren Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) sowie des österreichischen Pendants ÖGNI“, sagt Andreas Quint, CEO des Büroimmobilien-Entwicklers CA Immo. „Wir steigern die energetische Qualität einerseits durch intensive Inhouse-Projektentwicklung – dadurch gewährleisten wir Qualität mit maximaler Energieeffizienz. Aktuell sind 81 % unseres Bürobestands gemäß DGNB, ÖGNI und anderen Standards zertifiziert. Andererseits optimieren wir unser Bestandsportfolio durch Anlagenverbesserungen bei Heizungs- und Kälteregelungen, moderne Sensorik und LED-Technik. So konnten wir die Verbräuche für Fernwärme und Kühlung zuletzt um rund 12 % im Vergleich zum Vorjahr senken. Ein weiterer Hebel ist ein gezielter und strategischer Energieeinkauf, um den Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtverbrauch zu erhöhen.“ Dabei hilft auch der aktuelle Trend zu mehr Homeoffice und Videokonferenzen. Wer nicht täglich ins Büro pendelt oder zu Business-Meetings jettet, verkleinert automatisch seinen ökologischen Fußabdruck.
Kunden und Konsumenten gefragt.
Konkrete Beispiele, die zeigen, dass Unternehmen ungeachtet der Branche viel tun können. Noch wichtiger ist jedoch, das Umdenken bei Kunden und Konsumenten zu fördern. Das versucht derzeit etwa BILLA mit der Kampagne „Land voller Leben“ – dabei wird die Frage gestellt, ob aus fernen Ländern transportierte Lebensmittel tatsächlich notwendig sind und Regionalität nicht der bessere Weg zu einer nachhaltigen Zukunft wäre. „So haben wir einen Sektor, der aus Österreich fast verschwunden war, gemeinsam mit unseren landwirtschaftlichen Partnern wiederaufgebaut: die Putenproduktion“, sagt Marcel Haraszti, Vorstand BILLA. „Damit steigt die Wertschöpfung im Land: Heimische Lieferanten werden gefördert und Arbeitsplätze geschaffen. Und nicht zuletzt profitiert auch die Umwelt von deutlich kürzeren Transportwegen bei regionaler Ware.“ Der beste Beweis, dass gerade ein infolge der Corona-Krise besonders hart getroffener Sektor, der Arbeitsmarkt in ländlichen Gebieten, durch Fokus auf Nachhaltigkeit dringend benötigte Impulse erhalten kann – eine Win-win-Situation für Wirtschaft und Umwelt.
5 Tipps für Unternehmen
Bewusstsein stärken.
Es braucht Aufklärung, Bewusstseinsbildung und Angebote der Arbeitgeber, die in weiterer Folge die Eigendynamik und Motivation der Mitarbeiter erhöhen, das Thema aktiv mitzugestalten.
Signale setzen.
Ganz besonders wesentlich ist, dass das Management selbst Signale setzt. Warum nicht mal ein E-Auto statt der schwarzen Limousine als Firmenwagen?
Energie managen.
Mit einem Energiemanagementsystem (EMS) und Benchmarking lässt sich die Energieeffizienz steigern und Kosten sowie CO2-Emissionen reduzieren. Eine erste Kosten-Nutzen-Rechnung dafür lässt sich auf der Plattform klimaaktiv des Umweltministeriums erstellen.
Zertifizieren lassen.
Energieeffizienz und Klimaschutz sind Voraussetzung für langfristigen wirtschaftlichen Erfolg. Ein unternehmensspezifisches Klimaschutzkonzept mit extern überwachter Umsetzung kann sogar Awards bringen – der Imagegewinn ist in Zahlen messbar.
Förderungen abholen.
Von der Reduktion der Geschäftsreisen bis zur Firmenzentrale im Green-Building-Standard: Für Projekte, welche die Energieeffizienz in Unternehmen steigern, gibt es eine Vielzahl von Förderungen – informieren zahlt sich aus.