Egal, ob im Homeoffice oder im Büro: Konflikte können immer und überall auftreten. Wir zeigen, warum ein ordentliches Gewitter auch reinigend sein kann und welche Konfliktlösungsstrategien Führungskräfte und Mitarbeiter wieder näher zueinander bringen.
Text: Christina Mothwurf
Das vergangene Jahr war für viele Unternehmen eine enorme Herausforderung. Und ganz egal, ob es um strukturelle Anpassungen oder Homeoffice-Regelungen geht: In der Pandemie ist der Kommunikationsbedarf beträchlich gestiegen. Was leider oft auf der Strecke bleibt, ist der Blick auf ein wertschätzendes Konfliktmanagement. Als Senior Coach bei Carmann Consulting weiß Hannelore Schott-Mothwurf ganz genau, was es braucht, um Konflikte zu erkennen und zu lösen. Uns erzählt sie, wie man im Unternehmensalltag damit umgeht, wenn die Gewitterwolken aufziehen. So viel sei verraten: Nur weil Mitarbeiter im Homeoffice werkeln, verschwindet das Krachpotenzial nicht hinterm Bildschirm – ganz im Gegenteil.
Bewusstsein stärken – Klartext reden.
Durch unsere veränderte Arbeitswelt ist nicht nur das „daily business“ ein anderes geworden, sondern auch das Miteinander. Dort, wo Führungskräfte in Zeiten der Krise mit der Strukturierung des Alltagsgeschäfts beschäftigt waren, wurde den Stressfaktoren im Beziehungsgefüge oft zu wenig Beachtung geschenkt. „Unterschiedliche Belastungen der Mitarbeiter, die lange im Homeoffice waren oder noch immer sind, werden jetzt stärker sichtbar“, so Schott-Mothwurf. Das gilt auch für Konflikte, die vielleicht vorher schon vorhanden waren, jetzt aber deutlicher hervortreten, schließlich sind persönliche Befindlichkeiten oder Stimmungen live vor Ort schneller spürbar: „Im Büro entsteht durch die bloße Anwesenheit Beziehung – im persönlichen Austausch nach einem Meeting, bei der kurzen Plauderei oder durch den Blick zur Kollegin. Wenn man hinter dem Screen alleine vor sich hin arbeitet, fällt vieles davon weg.“ Führungskräfte sollten hier ganz genau hinschauen: Wer verhält sich im Online-Meeting anders als gewohnt? Wer braucht im Homeoffice mehr Kommunikation, wer weniger? Und vor allem: Wie muss ich im virtuellen Raum kommunizieren? Und was tun, wenn sich ein Konflikt auftut?
Alles eine Sache der Perspektive.
Um wirklich von einem Konflikt zu sprechen, braucht es drei Zutaten: unterschiedliche Meinungen, Emotionen und letztlich den sogenannten Einigungsdruck, also die Notwendigkeit, sich zu einigen, weil man im Team schließlich auch weiterhin miteinander arbeiten muss. „Im Arbeitsalltag muss ich herausfiltern: Bin ich persönlich davon betroffen oder jemand anderer? Darüber hinaus gibt es auch strukturelle Konflikte, die schlicht und einfach nicht lösbar sind.“ Zum Beispiel, wenn verschiedene Unternehmensbereiche unterschiedliche Ziele verfolgen, die Sales-Abteilung ihre Kunden und Abschlüsse im Blick hat, während die abwickelnden Abteilungen auf Standards und Prozesse schauen und Human Resources auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter achtet. „Sehr viele Konflikte in Unternehmen sind strukturelle Konflikte. Hier sind Führungskräfte gefordert, wechselseitiges Verständnis aufzubauen.“ Ganz abgesehen davon ist für Schott-Mothwurf eine Kategorisierung von Konflikten eher nebensächlich. „Ein Konflikt ist ein Konflikt. Wichtig ist, ihn zu erkennen und nicht wegzuschauen.“ Und ganz egal, ob Führungskraft oder Mitarbeiter – um mit einem Konflikt konstruktiv umgehen zu können, muss man in der Lage sein, sich aus der eigenen Komfortzone zu bewegen. Oder anders gesagt: die Bereitschaft aufbringen, sich in die Situation des Gegenübers hineinzuversetzen. Gar nicht so leicht, wenn Emotionen mit im Spiel sind, oder? „Emotionen in Konflikten sind per se nichts Schlechtes, schließlich heißt das auch, dass jemand mit Leidenschaft bei der Sache ist. Wesentlich ist, wie ich damit umgehe.“
Neue Wege finden.
„Die meisten Menschen wenden in Konflikten ein oder zwei gelernte Strategien an – das ist letztlich auch Typsache“, ergänzt Schott-Mothwurf. Ein „So bin ich eben“ ist aber in der Praxis nicht immer hinreichend: Neue oder unbekannte Lösungsstrategien können und dürfen im Laufe des Lebens dazugelernt oder ausprobiert werden (siehe Kasten). „Keine der Strategien ist dabei besser oder schlechter, wichtig ist, in unterschiedlichen Situationen die zielführendste Strategie auspacken zu können. Je besser man sich selbst und die verschiedenen Konfliktlösungsstrategien kennt, desto eher ist man imstande, immer wieder neue Wege in der Lösung von Konflikten auszuprobieren.“ Führungskräfte sollten gerade im Suchen und Finden von Konsens und Kompromiss aufgeschlossen sein. Aber man kann nicht immer alles im Blick haben, oder? Sollte man aber: Auch wenn viele Führungskräfte im stressigen Pandemie-Workflow mit anderen Dingen beschäftigt sind – die Beziehungshygiene im Office zu priorisieren zahlt sich aus. Der informelle Austausch und klare Feedback-Gespräche sorgen dafür, dass auch schwierige Themen einen Platz bekommen. Und wenn das gelingt, braucht’s oft gar kein großes Gewitter.
6 Arten der Konfliktlösung
- Vermeidung: Nicht immer muss man einen Konflikt eingehen. Vermeiden heißt auch: Ich kann priorisieren.
- Kämpfen: Wer weiß, wofür er einsteht, kann auch Verantwortung übernehmen.
- Nachgeben: In hierarchisch organisierten Unternehmen muss man sich auch unterordnen können.
- Delegieren: Oft braucht es einen unabhängigen Dritten, um einen Konflikt zu lösen.
- Kompromiss: Wenn aus „A“ und „B“ „AB“ wird, gibt es eine schnelle Lösung, aber keine Gewinner. Hier ist Verhandlungsgeschick angesagt.
- Konsens: Aus „A“ und „B“ wird Lösung „C“. Erfordert Kreativität und Ausdauer, ist dafür die absolute Win-win-Situation für alle Beteiligten.
Reine Chefsache?
- Die Führungskraft-Fühler ausstrecken und Konflikte erkennen – in Zeiten von Homeoffice ungleich herausfordernder.
- Aus einer unparteiischen Position heraus alle Standpunkte anhören und auftretenden Emotionen einen Rahmen geben. Worum geht’s eigentlich?
Nicht jeder Konflikt muss von einer Führungskraft gelöst werden. Entscheiden Sie weise, ob Sie sich einmischen!