Wie es Unternehmen mit der Bürokratie (aus)halten

Verwaltung kostet Geld und ist vielen seit Jahrzehnten ein Dorn im Auge. So meistern kleine und große Unternehmen die teuren und bisweilen kaum begründbaren Hürden. Sie würden viele davon auch liebend gerne abschaffen. 

Text: Harald Klöckl

Mit dem „Doing Business“-Index verglich die Weltbank lange, wo es Unternehmen bezüglich Regulatorien, Faktoren wie etwa Korruption sowie acht weiteren Kriterien am leichtesten haben. Doch es kamen Zweifel an der Zuverlässigkeit des Index auf, er wurde im Jahr 2021 abgeschafft. Zuletzt lag Österreich dort auf Platz 26 von 150 Ländern. Vielleicht ist es wirklich schwierig, auf diese Art ein abschließendes Urteil über ein Land zu fällen. Also Staatsquote? Steuerlast? Unternehmensbesteuerung? Anzahl der Pleiten, der Gründungen? Wie flott kann man ein Business starten? Wie viele Menschen arbeiten im öffentlichen Dienst? Keine dieser Kennzahlen ist wohl der Weisheit allerletzter Schluss. Bleibt also, den Unternehmern die Gretchenfrage zu stellen: Nun sag, wie hast du’s mit der Bürokratie? Was bremst, was würde helfen, was fehlt? 

Flat Tax für EPU.

Erfahrung als Unternehmer fehlt etwa Friso Schopper auf keinen Fall, zumal er in unterschiedlichen Branchen erfolgreich war. Zuerst als Werbeagentur, später als TV-Produzent, dann als Eventveranstalter, aktuell als Gastronom mit der Champagner-Bar Dosage in Wien, die er in den Sommermonaten im Palais Auersperg betreibt. Aber er macht nicht nur Letzteres: Schopper handelt auch mit Winzer-Champagnern aus Frankreich, versorgt die Connaisseurs des edlen Sprudels mit Gläsern und Merchandising-Produkten. Der Umstieg in die Gastronomie – eine Herausforderung? „Ich bin seit 26 Jahren Unternehmer, übrigens immer als EPU und mit bis zu 60 Personen auf der Payroll, ich bin einiges gewohnt.“ Die umfangreichen Auflagen waren kein Hindernis, erzählt er: „Fast ein Dutzend Beamter haben alles im Lokal begutachtet, ich war auch dank des Briefings durch die WKO bestens vorbereitet.“ Für die Präsentation des Projekts ebendort war die Erfahrung in der Werbebranche mit Pitches bei unzähligen potenziellen Kunden offenbar die optimale Schule.  

Um jemanden 2.000 Euro netto zu bezahlen, muss ich 70.000 im Jahr verdienen, da bleibt mir selbst aber nichts übrig. 

Vom ersten Monat an schrieb er schwarze Zahlen mit seinem nunmehrigen Champagner-Cluster, bedient selbst jeden Abend bis zu 30 Gäste, erzählt Schopper. Das will der begnadete Netzwerker weiter so halten, „aber jetzt brauche ich Personal für die Administration. Um jemanden 2.000 Euro netto zu bezahlen, muss ich 70.000 im Jahr verdienen, da bleibt mir selbst aber nichts übrig. Von jeweils 10.000 Euro weiterem Umsatz bleiben mir unterm Strich nur 3.000 Euro.“ Daher Schoppers Wunsch zu Lohnnebenkosten und Personalmangel: Die Ersteren senken (und dem Personal am Gehaltszettel auch die Arbeitgeberanteile und -abgaben auflisten), Zweiteres wie folgt bekämpfen: „EPU sollten bis zu einer gewissen Umsatzgrenze nur eine Flat Tax von sagen wir 25 % zahlen müssen.“ Dann könne er leichter jemanden anstellen, der zum Beispiel zuvor arbeitslos war. Auch wären so generell mehr Leute wieder ins Erwerbsleben zu holen, die Ausgaben des Staates würden sinken.

Einfachere und einheitliche Gesetze. 

Eine völlig andere unternehmerische Vita als Schopper hat Roland Fink. Die Kürzestversion seiner einzigartigen Erfolgsstory: Im Jahr 2006 begann er in einem Keller in Bad Gleichenberg (Steiermark) mit dem Versand von Nahrungsergänzungsmitteln, 2022 verbuchte er via niceshops.at 156 Millionen Euro Umsatz und beschäftigte rund 500 Mitarbeiter. Vor einigen Monaten bremste ihn aber die Konjunktur: Rund 90 Mitarbeiter mussten gekündigt werden, erstmals. Weil es keinen Betriebsrat gibt, musste Roland Fink jedem die schlechte Nachricht persönlich mitteilen. „Ich war bei jedem Einzelnen sehr traurig, aber es ging nicht anders. Ich kann nur ausgeben, was ich auch einnehme.“ Ohne Hilfe von AMS, Wirtschaftskammer und Co. wäre er „ziemlich blank“ darin gewesen, wie dabei vorzugehen war. „Ich war auch ihnen dankbar, will ja alle Regeln einhalten“, sagt Fink und hat zum Thema Regeln im Online-Handel auch einiges zu erzählen: Die Gesetzgeber müssten gründlich hinterfragen, ob alles noch sinnvoll sei, „da entstehen seltsame Dinge mit der Zeit“. 

Etwa in Bezug auf den Warenverkehr in der EU. Für viele Produkte gebe es in jedem Land andere Vorschriften. „Wir müssen tausende Regeln beachten, das ist schon für uns kaum zu bewältigen, die Kleinen kommen da nicht mehr mit.“ Oder Dauerthema Lohnnebenkosten sowie Arbeitsrecht: „Es gibt viel Potenzial zur Vereinfachung, und mein Wunsch ist die Vereinheitlichung in der EU. Allein damit würde Personal in Österreich für den Arbeitgeber wohl etwas günstiger werden.“ Viele seiner Mitarbeiter aus aktuell 60 Nationen würden auch gerne im Homeoffice arbeiten. Faktisch sei das im Ausland aus rechtlichen Gründen unmöglich. Ähnliches gelte bei Abfallwirtschaft, Lieferkettengesetz, ESG-Vorschriften und anderen Rechtsmaterien, wo die Unternehmer die Hauptlast tragen: „Das sind alles wichtige Themen, auf die wir uns auch seit Jahren vorbereiten. Kleine Unternehmer wissen aber oft nicht, was zu tun ist.“ 

ESG-Regeln auch für Körperschaften. 

Auch die Versicherungsbranche leide unter einer enormen Bürokratie, bestätigt Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender Österreichische Hagelversicherung: „Wir müssen mittlerweile vier Bilanzen erstellen: eine UGB-Bilanz, eine IFRS-Bilanz, eine Solvenz-Bilanz mit quartalsweise umfassenden Meldepflichten, eine Steuerbilanz und nun neu ab dem Geschäftsjahr 2025 auch eine ESG-Bilanz.“ Zwar sei man gerade als Naturkatastrophenversicherer sehr daran interessiert, Bewusstseinsbildung für nichtfinanzielle Kennzahlen zu machen, und die Branche leiste gerne ihren Beitrag für nachhaltigeres Wirtschaften, auch mit der neuen ESG-Bilanz, aber: „Was mich allerdings stört, ist die Tatsache, dass diese Bilanz nicht für Körperschaften öffentlichen Rechts – wie Bund, Länder und Gemeinden – verpflichtend ist“, spricht Weinberger wohl vielen großen wie auch kleinen Unternehmen des Landes aus der Seele. 

 

Aus dem KSV1870 Magazin forum.ksv - Ausgabe 1/2024.