Stagnation auf hohem Niveau

KSV1870 präsentierte Insolvenzzahlen 2012

Hier geht's zu den finalen Zahlen:

Das Jahr 2012 brachte für Österreichs Unternehmen mit einem Zuwachs von nur etwas über 2 % eine Stagnation auf hohem Niveau. Insgesamt wurden hochgerechnet 6.010 Unternehmen insolvent, das entspricht einer Zahl von 24 Unternehmen an jedem Gerichtstag. Die eröffneten Insolvenzverfahren stiegen gegenüber 2011 um 6,4 % auf 3.492, wogegen die mangels Vermögens nicht eröffneten Verfahren (und dadurch abgewiesenen Konkursanträge) um 3,5 % auf 2.518 zurückgingen. Dieser Rückgang erklärt zu einem großen Teil den Zuwachs bei den eröffneten Verfahren.

Die Verbindlichkeiten der Unternehmen bei eröffneten Verfahren betrugen im Jahr 2012 EUR 3 Milliarden, das sind EUR 859.000,- pro Fall und damit gleichbleibend der Passiva pro Verfahren gegenüber dem Vorjahr (damals ebenfalls EUR 859.000,-). Die Zahl der betroffenen Dienstnehmer stieg um 8,3 % auf rund 22.400 an aufgrund einiger größere Insolvenzfälle aus dem Retail-Bereich.

Dazu Insolvenzexperte Dr. Hans-Georg Kantner vom KSV1870: „Das Insolvenzgeschehen verhielt sich 2012 grosso modo wie erwartet, die österreichische Wirtschaft ist auch in diesen schwierigen Zeiten auf Kurs geblieben." Durch das neue Sanierungsrecht ist die Zahl der Unternehmenssanierungen im Steigen begriffen. Dadurch verlieren bei weitem nicht alle 22.400 Personen ihre Jobs und es stellen nicht alle EUR 3 Milliarden Verbindlichkeiten automatisch einen Verlust dar. Der KSV1870 schätzt die tatsächlichen Forderungsverluste auf ca. 65 % dieser Summe.

Bundesland

Fälle 2012 Fälle 2011 Veränderung Passiva 2012
in Mio. EUR
Passiva 2011
in Mio. EUR
Wien 1.868 1.836 1,7% 727 753
Niederösterreich 921 937 -1,7% 561 545
Burgenland 227 169 34,3% 151 174
Oberösterreich 748 748 0,0% 472 344
Salzburg 404 345 17,1% 121 190
Vorarlberg 187 202 -7,4% 55 102
Tirol 382 396 -3,5% 133 126
Steiermark 856 837 2,3% 547 326
Kärnten 417 399 4,5% 259 215
Gesamt 6.010 5.869 2,4% 3.026 2.775

Überdurchschnittliche Zuwächse gab es im Burgenland mit über 34 % und in Salzburg mit 17,1 %. In drei von neun Bundesländern gingen die Insolvenzen sogar zurück. In Wien stiegen sie nur um 1,7 % an. Die Bundesländer mit rückläufigen Zahlen sind auf Industrie und Exportwirtschaft ausgerichtet und haben vom noch guten Exportklima des Jahres 2012 profitieren können. Wien mit einem sehr guten Branchenmix zeigt erfahrungsgemäß eher geringe Schwankungsbreiten bei der Zahl der Insolvenzen.

Der starke Zuwachs im Burgenland ist auch dadurch erklärbar, dass dort die Insolvenzen einen überdurchschnittlichen Anteil junger Unternehmen betreffen. Dies ist aus einem deutlich über dem Bundesschnitt liegenden Gründerboom im jüngsten der Bundesländer zurückzuführen. Im Burgenland haben sich die Gründungen von 1993 bis 2011 fast verfünffacht, wogegen sie im Bundesschnitt nur auf das 2,5fache angewachsen sind. Diese Insolvenzen sind also Ausdruck einer besonderen Wirtschaftsdynamik im Burgenland und damit eigentlich ein Lebenszeichen, wenn auch eines, das für die Betroffenen mit Verlusten verbunden ist.

Ausblick auf das Jahr 2013:
Die Probleme der Finanzkrise 2008 sind bei weitem noch nicht ausgestanden und der Aufschwung der vergangenen drei Jahre war in Teilen den Finanzspritzen der Regierungen zu danken. Solche Spritzen wird es voraussichtlich in diesem Umfang nicht mehr geben können, weshalb auf absehbare Zeit in Westeuropa mit nur schwachem Wirtschaftswachstum gerechnet werden muss. Durch diese Seitwärtsbewegung der Konjunktur ist mit einer weiteren Zunahme der Unternehmensinsolvenzen um ca. 5 - 7 % zu rechnen.

Die geschätzten Insolvenzverbindlichkeiten dürfen nicht mit den tatsächlichen Verlusten aus Insolvenzen gleichgesetzt werden. Zu berücksichtigen sind Quotenzahlungen im Rahmen von Ausgleichen und Zwangsausgleichen, Ausschüttungen aus Verwertungen von Konkursmassen sowie Sonderrechte aufgrund von Aus- und Absonderungsrechten.

 

2012 2011 Veränderung
Eröffnete Insolvenzen 3.492 3.260 + 7,1 %
Nichteröffnete Insolvenzverfahren (mangels kostendeckenden Vermögens) 2.518 2.609 - 3,5 %
Gesamtinsolvenzen 6.010 5.869 + 2,4 %
Geschätzte Insolvenzverbindlichkeiten in EUR 3,0 Mrd. 2,8 Mrd. + 7,1 %

Die geschätzten Insolvenzverbindlichkeiten dürfen nicht mit den tatsächlichen Verlusten aus Insolvenzen gleichgesetzt werden. Zu berücksichtigen sind Quotenzahlungen im Rahmen von Ausgleichen und Zwangsausgleichen, Ausschüttungen aus Verwertungen von Konkursmassen sowie Sonderrechte aufgrund von Aus- und Absonderungsrechten.

Betroffene Dienstnehmer

22.400 20.600 + 8,7 %


Gesamtinsolvenzen im Bundesländervergleich

 

Bundesland

Fälle 2012 Fälle 2011 Passiva 2012
in Mio.
EUR
Passiva 2011
in Mio.
EUR
Wien 1.868 1.836 727 753
Niederösterreich 921 937 561 545
Burgenland 227 169 151 174
Oberösterreich 748 748 472 344
Salzburg 404 345 121 190
Vorarlberg 187 202 55 102
Tirol 382 396 133 126
Steiermark 856 837 547 326
Kärnten 417 399 259 215
Gesamt 6.010 5.869 3.026 2.775


Privatpleiten: keine Zunahme 2012

Zum zweiten Mal seit 18 Jahren stagnieren die Gesamtzahlen, und zwar mittlerweile auf dem Niveau von hochgerechnet 9.629 Personen, die 2012 dieses Verfahren meist selbst in Gang gesetzt haben. Es gab bereits einmal eine Phase der Stagnation, nämlich im Jahr 2010, daher kann man noch nicht von einem Zenit der Entwicklung sprechen. Es gibt noch mindestens weitere 100.000 Menschen in Österreich, die dringend solcher Regulierung bedürften, aber augenscheinlich nicht über die nötige Beratung, das erforderliche Lebensumfeld oder regelmäßige Einkünfte verfügen.

Bundesländer im Vergleich:
Von Beginn an haben die österreichischen Bundesländer dieses Entschuldungsinstrument unterschiedlich angenommen. Die Unterschiede liegen zweifellos an der Soziostruktur der Bundesländer, da Schulden und Zahlungsprobleme ein großstädtisches Phänomen darstellen. Aber auch die länderweise verschiedene Beraterinfrastruktur hat sich spürbar ausgewirkt: Länder, in denen rasch flächendeckende Beratung angeboten wurde (Oberösterreich, Wien), waren von Anfang an Spitzenreiter der Entwicklung. Andere haben dagegen heute noch Nachholbedarf, jedenfalls gemessen an der Zahl der vermutlich materiell zahlungsunfähigen Personen in der Bevölkerung.

Auch 2012 war die Entwicklung uneinheitlich: Zuwachs kam praktisch nur aus dem Osten Österreichs, wogegen die westlichen Bundesländer (Ausnahme: Vorarlberg) rückläufige Zahlen verzeichneten. Erst wenn alle Bundesländer einen Rückgang verzeichnen werden, kann nach Auffassung des KSV1870 von einem Zenit der Entwicklung gesprochen werden.

Gründe für die Zahlungsunfähigkeit:
Die Gründe für Verschuldung sind vielfältig: Konsumschulden, die teilweise unbedacht eingegangen wurden, nicht selten aber auch Wohnraumkredite. Bei einem Drittel aller Schuldner waren es Schulden aus einer früheren selbständigen Tätigkeit. Bei den ehemaligen Unternehmern ist demnach die Ursache der Insolvenz das Scheitern des Unternehmens, für dessen Schulden der Unternehmer persönlich haftet. Bei den echten Privaten, deren Verbindlichkeiten auch für Konsum im volkswirtschaftlichen Sinn eingegangen wurden, sind es zu etwa gleichen Teilen:

• Arbeitslosigkeit oder erheblicher Rückgang des Einkommens
• Krankheit
• Scheidung und andere Belastungen aus dem familiären Umfeld.

Der unbedachte Umgang mit Geld spielt eine eher untergeordnete Rolle. Dagegen sind die Fälle immer häufiger, wo Menschen sich in ihrer Leistungsfähigkeit überschätzen. Sie nehmen bis zum absoluten Rand ihrer Verschuldungsfähigkeit Kredite auf, ohne zu bedenken, dass das Einkommen fluktuieren kann, es nicht jedes Jahr automatische Gehaltserhöhungen gibt und zusätzliche Belastungen nicht ausgeschlossen werden können.

Ausblick auf 2013:
In den letzten Jahren schien die Marke von 10.000 Verfahren immer wieder in greifbarer Nähe zu sein, doch entpuppt sich dieser Schwellenwert dann doch wieder als gläserne Decke. Unter den gegebenen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der sich eintrübenden Konjunktur- und Arbeitsmarktlage ist nicht mit einer deutlichen Zunahme im Jahr 2013 zu rechnen, sondern eher mit einer Zunahme der Verfahren von 3 - 4 %.

Dr. Hans-Georg Kantner, Leiter Insolvenz des KSV1870, fasst zusammen: „Auch wenn es den Anschein haben könnte, als würden manche Schuldner ein neues und für sie freundlicheres Entschuldungsrecht abwarten wollen, ist doch nach unserer Einschätzung die gegenwärtige Stagnation des Privatkonkurses in der Unsicherheit vieler Schuldner hinsichtlich ihrer Einkommenssituation in den nächsten Jahren begründet. Denn solche Verfahren erfordern Mut, und dieser braucht halt auch ein wirtschaftliches Unterfutter".

Für den Inhalt verantwortlich:
Dr. Hans-Georg Kantner, Leiter KSV1870 Insolvenz

Wien, 18.12.2012