Kein Restrukturierungsverfahren bei Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin

Kein Restrukturierungsverfahren bei Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin

Ein Restrukturierungsverfahren dient zur Vermeidung des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit. Daher ist es bei bereits vorliegender Zahlungsunfähigkeit nicht einzuleiten. Diese ist jedenfalls wahrzunehmen, wenn sie sich bereits aus dem Vorbringen der Schuldnerin ergibt. Wird gleichzeitig mit der Einleitung des Restrukturierungsverfahrens eine Vollstreckungssperre beantragt, ist die Zahlungsunfähigkeit näher zu prüfen.

Das allgemeine Interesse der Gläubiger an Restrukturierung anstelle eines Insolvenzverfahrens kann nur während eines Restrukturierungsverfahrens bedeutsam werden, es ist aber nicht in die erste Prüfung des Einleitungsantrags miteinzubeziehen.

Die Schuldnerin ist als Buchhalterin und Personalverrechnerin selbstständig tätig. In einem Zivilprozess wurde sie zur Zahlung von über 30.000 Euro verpflichtet. Die Gläubigerin führt Exekution gegen die Antragstellerin zur Hereinbringung des Betrags.

Am 21. September 2022 beantragte die Antragstellerin die Eröffnung eines Restrukturierungsverfahrens samt Vollstreckungssperre. Im Antrag führte sie aus, eine drohende Zahlungsunfähigkeit resultiere aus dem Zivilprozess, sie sei aber zahlungsfähig. Eine Fortbestehensprognose falle positiv aus, es liege keine rechnerische Überschuldung vor. Die offenen Ansprüche von drei Gläubigern könnten – verteilt auf 30 Monate – mit einer Quote von 41 % befriedigt werden. Die betroffenen Gläubiger seien durch den Restrukturierungsplan bessergestellt als im Insolvenzverfahren nach der Insolvenzordnung. Die Antragstellerin könne nämlich ihren Beruf im Falle einer Insolvenz (in welcher Form immer) gemäß Bilanzbuchhaltungsgesetz nicht mehr ausüben. Bei komplettem Ausfall der Einnahmen aus dieser Quelle wäre eine Alterspension die einzige Einnahmequelle der Schuldnerin, diese sei aber nicht pfändbar (Existenzminimum). Sämtliche Gläubiger würden nichts erhalten. Unter Berücksichtigung dieser Umstände könne die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht im Interesse der Gläubiger sein.

Diesem Antrag angeschlossen waren ein Restrukturierungsplan mit Restrukturierungskonzept, eine Unternehmensbewertung, ein Finanzplan und eine Fortbestehensprognose, die Jahresabschlüsse 2017 bis 2021, eine Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben (Finanzplan) für die folgenden 90 Tage (= Oktober bis Dezember 2022) sowie Entscheidungen im verlorenen Zivilprozess. Aus dem Restrukturierungsplan ergibt sich, dass die Antragstellerin seit 2016 zusätzlich zu den Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit eine Alterspension in der Höhe von ca. 12.754 Euro netto jährlich bezieht.

Das Erstgericht wies den Antrag zurück. Dieser sei aufgrund der bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin unzulässig.

 

ZIK 2023/153 
ReO: §§ 1, 5, 6, 7, 19, 24 
IO: § 254 Abs 5 
OLG Wien 22.3.2023, 6 R 200/22h 

Aus dem Magazin forum.ksv Ausgabe 1/2024.