Austria quo vadis … ein Plädoyer für mehr unternehmerischen Mut und ein schärferes Profil des heimischen Wirtschaftsstandorts.
Autor: Ricardo-José Vybiral
Österreich surft seit einigen Jahren auf einer Welle des wirtschaftlichen Erfolges. Der Konjuktureinbruch infolge der Lehmann-Pleite ist mittlerweile überwunden und einem beständigen Aufwärtstrend gewichen. Das belegen auch die jüngsten Zahlen der Austrian Business Check-Umfrage des KSV1870: 70 Prozent der befragten Betriebe bewerten die Geschäftslage auch heuer wieder als sehr gut bzw. gut und auch das Investitionspendel schlägt kräftig aus. Mehr als drei Viertel der Teilnehmer bewerten die Investitionsstimmung im eigenen Betrieb als positiv. 43 Prozent wollten 2019 sogar mehr Geld in die Hand nehmen als im Vorjahr. Den von vielen Wirtschaftsforschern angekündigten Konjunkturdämpfer für das aktuelle Jahr spüren die befragten Betriebe - großteils KMU - nicht.
Absichern, was da ist. Alles wunderbar könnte man also meinen, doch ein Blick auf die Investitionsmotive verrät uns, dass an der Unternehmensspitze die Vorsicht regiert. Wer jetzt Geld in die Hand nimmt, möchte die Wettbewerbsfähigkeit erhalten, die Gewinne steigern oder die Marktanteile ausbauen. Die Entwickung neuer Produkte oder Geschäftsmodelle findet sich ebenso selten auf der Agenda wie Expansion durch neue Standorte oder die Adressierung neuer Märkte. Die Unternehmen stecken ihre Mittel in die Verbesserung des Bestandes - etwa in die IT, die Mitarbeiter oder die Werbung. Dies mit dem Ziel, mehr herauszuholen. Große Finanzierungsvorhaben oder Investments in Zukunftsthemen sind die Ausnahme.
Raus aus der Komfortzone. Und so lässt sich auch erklären, warum echter Pioniergeist heutzutage eher bei Start-ups und Jungunternehmern spürbar ist. Ältere Betriebe wagen sich oft nur schwer aus der Komfortzone, denn viele haben die Krisenjahre nur durch Optimierung, Risikomanagement und knallharte Kostenkontrolle überstanden. Nun fetten sie ihre Finanzstruktur auf, wie unsere aktuelle Kennzahlen-Analyse veröffentlichungspflichtiger Unternehmen belegt. Die Eigenkapitalquote jener Unternehmen, die schon in den vergangenen Jahren positiv war, hat sich spürbar verbessert. Gleichzeitig ist die Anzahl jener Betriebe, deren Quote negativ war, konstant weniger geworden. Und auch die durchschnittliche Bilanzsumme ist massiv gewachsen. Dennoch wäre es in Zeiten der Digitalisierung unklug, strategische Zukunftsfragen auf später zu verschieben. Die Weichen müssen in Wachstumsphasen gestellt werden, also jetzt.
Wenige Insolvenzen. Das aktuelle Wirtschaftswachstum wird von niedrigen Insolvenzzahlen flankiert. Seit fünf Jahren stagnieren sie auf niedrigem Niveau und das bedeutet, dass mehr Unternehmen überleben, die Menschen ihre Jobs behalten und Gläubiger seltener zu schaden kommen. Dennoch fragt sich so mancher Insolvenzexperte im KSV1870 hin und wieder, ob die Wirtschaft überhaupt noch ein ausreichendes Maß an Dynamik aufweist. In jedem Fall ist der aktuelle Status-quo nicht nur dem Wirtschaftswachstum geschuldet, sondern der sehr lange andauernden Niedrigzinsphase. Sie hält momentan auch jene Unternehmen über Wasser, die unter „normalen“ Bedingungen eigentlich schon insolvent wären. Zu finden sind sie unter jenen 11 Prozent an Unternehmen, die in Österreich bereits heute ein erhöhtes Ausfallrisiko aufweisen.
Österreich nicht in Top-Liga. Für den Moment scheint die wirtschaftliche Performance Österreichs also durchaus gut zu sein. Warum also schafft es das Land in den zahlreichen Standortrankings nicht unter die Top 10 der wettbewerbsfähigsten Nationen – weder international noch im Vergleich mit europäischen Ländern? Selbst das überdurchschnittlich gute BIP-Wachstum der vergangenen Jahre vermochte es nicht, das Land in die Top-Liga zu katapultieren. Keine Frage, die Alpenrepublik ist bei einzelnen Standortfaktoren vorne dabei, aber insgesamt wird Österreich als Wirtschaftsstandort zumeist nur mittelmäßige Attraktivität bescheinigt.
Wachstum, Sicherheit und ein hoher Lebensstandard alleine reichen nicht aus, wenn man bei den großen Trends und Herausforderungen der Zukunft mitspielen möchte.
Warum ist das so? Weil Wachstum, Sicherheit und ein hoher Lebensstandard alleine nicht ausreichen, wenn man bei den großen Trends und Herausforderungen der Zukunft mitspielen möchte. Stichwort Digitalisierung. Die Unternehmen wissen zwar, dass sie das große Thema ist, gleichzeitig sehen laut AB-Check rund 40 Prozent keinen Bedarf, im eigenen Unternehmen aktiv zu werden. Für 17 Prozent sind entsprechende Maßnahmen nicht finanzierbar und 16 Prozent meinen, dass die eigene Unternehmenstradition digitale Projekte ausbremst. Noch sind wir also keine aktiven Gestalter in diesem Feld. Insofern überrascht es auch nicht, dass wir bei der Plattform-Ökonomie nichts mitzureden haben. Europa übrigens auch nicht. Das Geschäft wird in den USA und in China gemacht – die dicken Margen und das schnelle Wachstum auch.
Ein klares Profil ist gefragt. Israel ist bekannt für seinen Fokus auf Start-ups. Schweden, Dänemark oder die Niederlande punkten laut dem Deloitte Radar 2019 mit einem hohen Innovationsniveau, Estland im Bereich der digitalisierten Behördenwege, Finnland durch exzellente Bildung. Kurzum: Sie haben ein klares Profil. Aber welches hat Österreich? Niedrige Steuern und geringe Abgaben sind es wohl nicht. Worauf also sollten wir sinnvollerweise in den nächsten 10 Jahren fokussieren? Oft genannt wird Forschung & Entwicklung. Und tatsächlich ist die Forschungsquote laut Schätzungen der Statistik Austria in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. Sie beläuft sich 2019 auf noch nie dagewesene 3,19 Prozent. Nur noch von Schweden überflügelt, weisen wir im EU-Vergleich für 2017 die zweithöchste Forschungsquote der EU auf.
Österreich als Wissensstandort? Die Konkurrenz schläft auch in diesem Bereich nicht – und sie kommt aus den USA und Asien. Viele dieser Länder punkten mit zusätzlichen Aspekten: weniger Regularien, weniger strenge Arbeits- und Umweltschutz-Regeln bis hin zu Kostenvorteilen. Insbesondere bei kurzen Entwicklungs- und Produktzyklen entscheiden sich Firmen auch für jene Standorte, wo schneller und unkomplizierter geforscht und getestet werden kann. Vor diesem Hintergrund gilt es in Österreich zumindest den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Doch gerade das Thema Aus- und Weiterbildung erweist sich als ewiger Zankapfel in der Politik. Nicht umsonst bilden die heimischen Betriebe immer öfter selber aus und gründen dafür sogar eigene Akademien. Die Lösung dieses Problems sollte als Chance betrachtet werden, um uns international stärker abzugrenzen. Wesentlich dabei ist, dass sich das Ausbildungsangebot noch stärker am Bedarf der Wirtschaft orientiert. Vielleicht dann mit der nächsten Regierung.
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