Im Rahmen des Green Deal, der die EU-Länder bis 2050 klimaneutral und fit für die Kreislaufwirtschaft machen soll, nimmt die Europäische Union jetzt die Unternehmen in die Pflicht. Die ESG-Regeln werden als zentraler Teil dieser Strategie immer konkreter. In Österreich laufen die Vorbereitungen zu den neuen Reporting-Pflichten auf Hochtouren.
Text: Gerlinde Maschler
ESG – drei Buchstaben, mit denen es für rund 2.000 Unternehmen in Österreich bald so richtig zur Sache geht: Im Juni 2023 wird die Europäische Union die Details zur Umsetzung einheitlicher Reporting-Standards in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG = Environment, Social, Governance) veröffentlichen. So viel ist jetzt schon klar: Ab dem Jahr 2025 werden die Regeln in Form eines umfangreichen Nachhaltigkeitsberichts für das Jahr 2024 bindend sein. Das Ziel dieser sogenannten „Non-Financial Reporting“-Standards: Transparenz zu schaffen und Unternehmen in Zeiten des fortschreitenden Klimawandels und der steigenden Ressourcenknappheit überlebensfähig zu halten.
Der Kreis der Unternehmen wird erweitert.
Schon bisher waren rund 120 große, börsennotierte Unternehmen seit dem Erlass eines Gesetzes mit dem sperrigen Namen Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz (NaDiVeG) im Jahr 2017 verpflichtet, einen Nachhaltigkeitsbericht zu veröffentlichen. Bei einigen ist dies aber schon viel länger Usus. So hat etwa die an der Wiener Börse gelistete Österreichische Post AG bereits 2006 ihren ersten einschlägigen Bericht veröffentlicht. „Die Post hat über lange Zeit die nötigen Strukturen aufgebaut, und Nachhaltigkeit ist Teil der strategischen Unternehmensführung. Künftig wird es aber keinen Deutungsspielraum mehr geben“, erklärt Daniel-Sebastian Mühlbach, Leiter Corporate Sustainability und Umweltmanagement.
Nun wird der Kreis deutlich erweitert. Betroffen von der sogenannten CSRD (Corporate Social Responsibility Directive) und den ESRS (European Sustainability Reporting Standards) werden in Hinkunft auch Unternehmen sein, die ab 250 Mitarbeiter, einen Umsatz von mindestens 40 Millionen Euro und eine Bilanzsumme von mehr als 20 Millionen Euro haben sowie zwei dieser drei Kriterien erfüllen. „Für alle, die sich noch nicht damit beschäftigt haben, wird ESG eine Herausforderung werden“, glaubt Mühlbach.
Eine große Transformation.
Kochen in der Gruft oder Biospeisen in der Kantine werden künftig zu wenig sein.
Denn eines ist klar: Nach der Digitalisierung bedeuten Nachhaltigkeit und Klimaneutralität die nächste große Transformation in der Wirtschaft. „Kochen in der Gruft oder Biospeisen in der Kantine werden künftig zu wenig sein“, bringt es Philipp Gaggl, Direktor und Leiter ESG-Beratung beim Beratungsunternehmen PWC Österreich, überspitzt auf den Punkt. Märkte, Unternehmen und Geschäftsmodelle müssen und werden sich grundlegend verändern. Während die USA mit dem „Inflation Reduction Act“ von 2022 einen Meilenstein auf dem Weg zu einer sauberen Energiewirtschaft gesetzt haben, nimmt die EU mit diversen Richtlinien und Verordnungen gesamtheitlich gesehen zweifellos eine Vorreiterrolle ein. Zentrale Bausteine sind neben CSRD und ESRS auch das in Österreich noch umzusetzende Lieferkettengesetz CSDDD (EU Corporate Sustainability Due Diligence Directive), das Umwelt- und soziale Aspekte in der Lieferkette vorschreibt, und die zuletzt wegen der Atomenergie umstrittene EU-Taxonomieverordnung, die genau definiert, ob eine wirtschaftliche Aktivität als nachhaltig eingestuft werden kann. „ESG kommt um 20 bis 30 Jahre zu spät. Wenn man jetzt nicht reagiert, würde es immer teurer werden“, sagt Gaggl, der feststellt, dass nicht nur durch die Regulatorik der EU der Druck auf die Unternehmen steigt, umweltverträglich, sozial und ethisch in der Unternehmensführung zu handeln. Auch Kunden, Mitarbeiter und der Kapitalmarkt fordern zunehmend höhere Standards ein.
Beratung, Daten und Softwarelösungen.
Für die Beratung sowie den Einsatz und die Integration der passenden Software stehen daher die Beratungsunternehmen wie PWC Österreich Gewehr bei Fuß. „Wir helfen dabei, Daten zu sammeln und auszuwerten“, verspricht Gaggl und mahnt gleichzeitig, dass ESG eine strukturierte Umsetzung von Zielen – über das Management bis zur Berichterstattung – benötigt.
Die Altstoff Recycling Austria AG (ARA) wird somit nicht zufällig auf externe Berater zurückgreifen, denn mit derzeit zwei Personen im Nachhaltigkeitsteam stoße man „an die Grenzen“, sagt Sarah Spötl. Wiewohl das Recycling-Unternehmen seit einigen Jahren einen Transparenzbericht und seit heuer auch einen Nachhaltigkeitsbericht erstellt, ergeben sich für die ARA-Nachhaltigkeitsbeauftragte doch einige Fragen für die künftige Umsetzung: „Wie macht man das in der Praxis? Etwa: Welche Kennzahlen brauchen wir, und wie kommen wir zu diesen? Wir werden in Hinkunft mehr Methodik brauchen.“ Das heurige Jahr steht für Spötl jedenfalls im Zeichen der Vorbereitung, während es 2024 an die Datenerhebung geht.
„Wettbewerbsvorteil im Markt“.
Auch das niederösterreichische Reinigungs- und Dienstleistungsunternehmen Markas hat die neuen Regulatorien zum Anlass genommen, sich besser früher als später mit den kommenden Berichtspflichten auseinanderzusetzen, und wird seinen ersten Nachhaltigkeitsbericht im Juli 2023 präsentieren, erzählt Geschäftsführerin Gerlinde Tröstl stolz: „Die Schwerpunkte hat Markas im Rahmen einer Wesentlichkeitsanalyse gemeinsam mit verschiedenen Stakeholdern als sechs Makrothemen definiert, aus denen wir jährlich konkrete Projekte ableiten.“
Noch früher hat die Elektrotechnikfirma Fronius die ersten Schritte in ein neues ökonomisches Zeitalter gesetzt. Das Familienunternehmen, das sich von einer regionalen Fach-Reparaturwerkstätte zu einem Global Player entwickelt hat, darf als Vorbild in Sachen ESG gesehen werden. Seit 2020 ist ein Nachhaltigkeits-Managementsystem im Einsatz, um die gesamte Wertschöpfungskette zu erfassen. Katrin Helmberger, Leiterin Corporate Sustainability, wartet zwar gespannt auf die sektorspezifischen Standards für die Elektro- und Elektronikindustrie, fühlt sich aber auf die neuen ESG-Regeln bestens vorbereitet: „Bei Fronius ist Nachhaltigkeit im Unternehmensleitbild bereits fix verankert. Wir verstehen Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil im Markt und bei der Rekrutierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.“
SG-Schlüsselfaktoren: Von der Strategie zum Bericht |
(Quelle: PWC Österreich) |
Aus der Praxis
Harald Hauke, Vorstand der Altstoff Recycling Austria AG, über die aktuellen Herausforderungen der heimischen Kreislaufwirtschaft.
Wir befinden uns in einer Zeit multipler Krisen. Allen voran stellt die globale Klimakrise die größte Herausforderung dar. Begleitet von der geopolitischen Situation, beeinflussen politische Spannungen und Unsicherheiten auf internationaler Ebene die Beschaffungsmärkte und erhöhen die Notwendigkeit einer nachhaltigen Transformation der Wirtschaft. Es ist essenziell, ESG-Kriterien zu berücksichtigen und nachhaltige, klimafreundliche Lösungen zu etablieren, um zukünftig rohstoffautarker zu agieren.
Die Zukunft ist zirkulär. Eine Ökonomie, die darauf abzielt, den Kreislauf entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu schließen, ermöglicht eine effizientere Nutzung von Ressourcen und trägt dazu bei, einer Rohstoffverknappung entgegenzuwirken. Unternehmen stehen vor der Aufgabe, Lösungen für eine tragfähige Wirtschaft und Gesellschaft für die Zukunft umzusetzen, auch vor dem Hintergrund der Europäischen Verpackungsverordnung, die noch viele rechtliche Anforderungen und Herausforderungen mit sich bringt.
Die Altstoff Recycling Austria AG unterstützt Unternehmen dabei, diese Herausforderungen anzugehen. Durch ein ausgezeichnetes Netzwerk, auch auf EU-Ebene, kann die ARA die neuesten Entwicklungen schnell an ihre Kunden weitergeben und zirkuläre Lösungen anbieten. Denn Investitionen in Kreislaufwirtschaftskonzepte sind entscheidend, um die gesamte ESG-Performance zu verbessern und langfristigen Erfolg zu gewährleisten.
Somit gewinnen ESG-Kriterien zunehmend an Bedeutung als eine ganzheitliche Bewertung der Nachhaltigkeitsleistung für Unternehmen. Diese müssen sich an neue Rahmenbedingungen anpassen und ESG-Aspekte in ihre Geschäftsstrategie integrieren, um langfristig erfolgreich zu sein. Sei es bei der Umsetzung der erweiterten Produzentenverantwortung oder der Beratung im Bereich kreislauffähiger Verpackungen – die ARA unterstützt heimische Unternehmen und fördert so einen positiven Impact für die Umwelt und Gesellschaft.
Aus dem KSV1870 Magazin forum.ksv - Ausgabe 2/2023.