Jobsharing: Kompetenz²

Job teilen, Kompetenz gewinnen – geht das? Moderne Jobsharing-Modelle zeigen, dass gerade in Zeiten des Fachkräftemangels und des steigenden Wunsches nach flexibleren Arbeitsmodellen Teilen Sinn macht. Damit es für Mitarbeiter und Unternehmen passt, gibt es einiges zu beachten.

Text: Christina Mothwurf

Die Zeiten, in denen fehlende Arbeitslast, also das eher wenig zitierte „Boreout“, ein Thema war, sind vorbei. Die Zahlen am Arbeitsmarkt zeichnen ein klares Bild: Laut Statistik Austria ist die Anzahl der Krankenstände der in Österreich erwerbstätigen Personen von 2021 auf 2022 um satte 36,1 % gestiegen – ein Gutteil davon betrifft Ausfälle aufgrund von Mehrarbeit. Eine Vielzahl an Arbeitnehmern kämpft demnach eher mit Überlastungssymptomen als mit Langeweile. Gepaart mit dem branchenübergreifenden Personalmangel, braucht es neue Arbeitsmodelle, die nicht nur für mehr Effizienz sorgen, sondern auch für mehr Gesundheit am Arbeitsplatz. Das Zauberwort: Jobsharing. Die Erfahrung zeigt, dass in der Praxis dadurch nicht nur Entlastung möglich wird, sondern durch den Wissenstransfer auch mehr Vielfalt im Unternehmen gefördert werden kann. 

Teilzeit-Talente. 

Beim Jobsharing teilen sich zwei oder mehr Arbeitnehmer eine Vollzeitstelle, Aufgaben und Verantwortungen werden ebenso geteilt. Die Vorteile: Wenn die Jobs nach individuellen Vorlieben und Stärken gesplittet werden können, steigen dadurch sowohl Produktivität als auch Motivation – und damit die Zufriedenheit. Die geteilte Verantwortung kann eine enorme Entlastung darstellen. Urlaubszeiten oder Ausfälle durch Krankenstände lassen sich leichter abfedern, mehrere Perspektiven bringen mehr Innovationspotenzial, und vier Augen sehen mehr als zwei. Grundsätzlich ist Jobsharing auf jeder Ebene möglich – sei es als Jobsplitting (Aufteilung der Arbeitszeit), als Jobpairing (zwei Personen teilen sich flexibel Aufgaben und Arbeitszeit) oder als Topsharing (zwei Personen teilen sich eine Führungsposition). 

Auf Partnersuche.

Gleich vorweg: Unternehmen, die das beliebte Modell umsetzen wollen, müssen mit einem erhöhten Kommunikations- und Planungsaufwand rechnen, auch HR-Abteilungen sind gefordert, Arbeitsverträge klar und strukturiert zu verfassen. Das Modell entwickelt sich rasch und erfreut sich großer Beliebtheit – auch wenn es in Österreich derzeit keine rechtliche Grundlage dafür gibt. Um Konflikte zu vermeiden, sind HR-Profis gut beraten, vom Start weg klar zu kommunizieren, auf individuelle Bedürfnisse einzugehen und offene Punkte zu besprechen. Darüber hinaus müssen alle Stakeholder über das Modell informiert werden – also Kunden, Partner und Kollegen. Und je klarer die Geschäftsleitung das Modell unterstützt, desto erfolgreicher wird die Umsetzung sein. Schließlich gilt es, die richtigen Personen zu finden, die im Tandem arbeiten wollen, damit Konflikte und Mehrarbeit vermieden werden. Apropos Mehrarbeit: Das Vorurteil, Jobsharing sei durch die Lohnnebenkosten für den Betrieb teurer, lässt sich rasch entkräften. Solange die Anzahl der Stunden gleich bleibt, ist Jobsharing nicht teurer, sondern bringt enorme Vorteile. Mitarbeiter verdienen durch eine Teilzeitbeschäftigung in Summe netto oft mehr – und selbst wenn für eine Stelle zwei Personen mit mehr als 40 Stunden beschäftigt werden müssen, überwiegen die Vorteile gegenüber dem finanziellen Mehraufwand fürs Unternehmen. Warum? Weil durch Jobsharing Personen effizienter arbeiten, mehr Ideen entwickeln und deutlich zufriedener sind. 

Leadership in Doppelconference. 

Prinzipiell kann Jobsharing komplett flexibel gestaltet werden und sogar dann zum Einsatz kommen, wenn sich Mitarbeiter und Führungskräfte einen Job teilen.

Dabei kann es sich lohnen, die ersten Tandems durch einen Blick von außen zu unterstützen – oft reichen schon ein paar wenige Coachings, um den „Transparenz-Turbo“ zu zünden und die Kommunikation auf eine solide Basis zu stellen. Sowohl Werteverständnis als auch Persönlichkeit müssen zueinander passen, Ellenbogenmentalität und erhöhte Egos sind Gift für ein gelungenes Jobsharing. Auch für Führungskräfte lohnt es sich, den Chefsessel zu teilen, ohne am anderen zu sägen. Erfahrungen zeigen, dass die Möglichkeit, schwierige Entscheidungen gemeinsam zu treffen, enormes Entlastungspotenzial birgt. Und wer auf Augenhöhe arbeitet und voneinander lernt, ist in der Regel deutlich zufriedener und innovativer. Prinzipiell kann Jobsharing komplett flexibel gestaltet werden und sogar dann zum Einsatz kommen, wenn sich Mitarbeiter und Führungskräfte einen Job teilen. Hier macht es Sinn, im Vorfeld ein sogenanntes „Succession“-Tandem einzuführen: Bei diesem Modell arbeiten erfahrene Führungskräfte oder Arbeitskräfte mit Nachwuchskräften zusammen, um sie auf einen bevorstehenden Job vorzubereiten. Wenn das gelingt, kann der Chefsessel auch auf Zeit durch eine Person aus dem Stab der Mitarbeitenden besetzt werden, die danach wieder zurück ins Team wechselt. Aber Obacht: Wie bei allen Modellen braucht es auch bei dieser Spielart ganz klare Vereinbarungen über Dauer, Bezahlung und Ressourcenverteilung. Unternehmen, die sich zeitnah und bedürfnisorientiert mit den Möglichkeiten des Jobsharings auseinandersetzen, haben darüber hinaus weitere Vorteile: Sie verfügen in der Regel über deutlich agilere Teams, und die hohe Zufriedenheit trägt darüber hinaus zu einem erfolgreichen Employer Branding bei. Und eigentlich wissen’s eh alle: Teilen macht Sinn! 

Vielfalt im Doppelpack

Die Vorteile des Jobsharings überwiegen gleich auf mehrfache Weise:

  • Agilere Teams sind zufriedener und motivierter.
  • Diversität wird gefördert.
  • Teilzeit-Arbeitsmodelle werden aufgewertet.
  • Flexible Arbeitszeitmodelle sind leichter umsetzbar.
  • Überlastung kann deutlich verringert werden.
  • Mehr Effizienz durch Abfedern von Fehlzeiten.
  • Höhere Innovationskraft im Unternehmen durch Perspektivenwechsel.
  • Fach- und Führungskräftemangel kann gemindert werden.
  • Arbeitgebermarke – Stichwort Employer Branding – wird gestärkt.

 

Aus dem KSV1870 Magazin forum.ksv - Ausgabe 1/2024.